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Bundessozialgericht
Beschl. v. 19.11.2014, Az.: B 6 KA 45/14 B
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 19.11.2014
Referenz: JurionRS 2014, 27856
Aktenzeichen: B 6 KA 45/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Rheinland-Pfalz - 21.08.2014 - AZ: L 7 KA 14/14

SG Mainz - AZ: S 16 KA 352/12

BSG, 19.11.2014 - B 6 KA 45/14 B

in dem Rechtsstreit

Az: B 6 KA 45/14 B

L 7 KA 14/14 (LSG Rheinland-Pfalz)

S 16 KA 352/12 (SG Mainz)

..........................,

Kläger und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigte: .......................................,

gegen

Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz - Hauptverwaltung,

Isaac-Fulda-Allee 14, 55124 Mainz,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat am 19. November 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. W e n n e r sowie die Richter E n g e l h a r d und R a d e m a c k e r

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. August 2014 wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten auch des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 12 000 Euro festgesetzt.

Gründe

I

1

Umstritten ist die Rechtmäßigkeit einer Disziplinarmaßnahme.

2

Der seit 2002 als Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie zugelassene Kläger hatte im Jahr 2009 zwei Klageverfahren beim SG Mainz geführt. Nachdem das SG die Klagen mit Urteilen vom 22.6.2011 abgewiesen hatte und die Urteile rechtskräftig geworden waren, schrieb der Kläger unter dem Briefkopf seiner Praxis der Vorsitzenden der 6. Kammer des SG, die über die Klagen entschieden hatte, einen Brief, der auszugsweise folgenden Wortlaut hat: "wie Sie sicherlich bemerkt haben, habe ich Ihre beiden Fehlurteile (S 6 KA 30/09) kommentarlos zur Kenntnis genommen. Da gegen Unvermögen kein Kraut gewachsen ist, möchte ich diesbezüglich auch keine weiteren Worte verschwenden. Statt dessen habe ich als Psychiater und Hypnotherapeut über Sie einen Fluch verhängt - und darin bin ich gut. Sie werden an den Folgen einer Krebserkrankung jämmerlich verenden. Und Sie werden bis zum letzten Augenblick Ihres Bewusstseins täglich an diesen Brief denken...".

3

Das AG Mainz hatte zunächst wegen Beleidigung einen Strafbefehl gegen den Kläger erlassen, stellte das Verfahren dann aber nach dem Einspruch des Klägers gemäß § 153a StPO gegen Zahlung eines Betrages von 2500 Euro ein. Der Disziplinarausschuss der Beklagten setzte gegen den Kläger wegen Verletzung vertragsärztlicher Pflichten eine Geldbuße von 7000 Euro fest. Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat ausgeführt, der Kläger habe in Ausübung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit gegen Gesetze verstoßen und im Übrigen die Berufsordnung der Ärztinnen und Ärzte in Rheinland-Pfalz verletzt. Mit der Verpflichtung, zum Schutz der Gesundheit der Menschen tätig zu werden, sei es schlechthin unvereinbar, wenn ein Arzt über einen anderen Menschen einen "Fluch" verhänge und ihm wünsche, an einer lebensgefährlichen Erkrankung "jämmerlich zu verenden" (Urteil vom 21.8.2014).

4

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sowie die Divergenz des Berufungsurteils von der Rechtsprechung des BSG (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) geltend.

II

5

Die Beschwerde ist unzulässig, ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG.

6

Den Anforderungen an eine Divergenzrüge wird schon deshalb nicht entsprochen, weil sich die Begründung dazu auf die Wendung beschränkt, "die vorinstanzlichen Entscheidungen weichen von der Rechtsauffassung des BSG ab; dieses hat ausgeführt, dass nur vertragsärztliches Verhalten dem Disziplinarrecht der KÄV unterliegt". Welchen Rechtssatz konkret das LSG aufgestellt hat und zu welchem Rechtssatz der Rechtsprechung des Senats dieser Rechtssatz in Widerspruch stehen könnte, hat der Kläger nicht substantiiert in einer Weise bezeichnet, die dem Senat die Nachprüfung einer Divergenz im rechtlichen Ansatz ermöglichen würde. Belege aus der umfangreichen Rechtsprechung des Senats zum vertragsärztlichen Disziplinarrecht enthält die Beschwerdebegründung nicht. Es ist nicht Aufgabe des BSG, im Rahmen einer Divergenzrüge die höchstrichterliche Rechtsprechung darauf zu überprüfen, ob sich Hinweise auf den vom Beschwerdeführer angeführten Rechtssatz ergeben.

7

Auch die Begründung der Grundsatzrüge genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht. § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ist nur entsprochen, wenn in der Beschwerdebegründung ein Rechtssatz in eigener Formulierung bezeichnet und dazu dargelegt wird, weshalb dieser in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig und klärungsbedürftig ist. Dem wird die Begründung des Klägers nicht gerecht.

8

Es ist schon fraglich, ob mit der Wendung, es müsse geklärt werden, "welche Handlungen eines einer kassenärztlichen Vereinigung angehörenden Arztes als vertragsärztliche Tätigkeit einzustufen" seien, überhaupt eine in dieser Allgemeinheit klärungsfähige Rechtsfrage bezeichnet wird. Jedenfalls hat der Kläger die Klärungsfähigkeit und Klärungsbedürftigkeit der Frage nicht hinreichend dargelegt.

9

Den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG wird bei der Grundsatzrüge nur genügt, wenn der Beschwerdeführer deutlich macht, weshalb die aufgeworfene Frage nicht auf der Grundlage der bisher vorliegenden Rechtsprechung des BSG zu beantworten ist. Das setzt hier eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Senats zu den im Disziplinarverfahren zu ahndenden vertragsärztlichen Pflichtverletzungen voraus. Die umfangreiche Rechtsprechung dazu wird in der Beschwerdebegründung jedoch nicht erwähnt; es findet sich lediglich der pauschale Hinweis auf den auch vom LSG zitierten Beschluss vom 29.9.1997 - 6 BKa 54/96 -, der sich mit der disziplinarischen Ahndung von Beleidigungen eines Vertragszahnarztes gegenüber Mitarbeitern der KZÄV und der Prüfgremien befasst. An der vom LSG - anders als vom Kläger - genau zitierten Stelle (RdNr 5 der Veröffentlichung bei Juris) hat der Senat ausgeführt, der Vertragsarzt müsse es unterlassen, in Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit gegen strafrechtliche oder berufsrechtliche Vorschriften zu verstoßen; beachte der (Zahn)Arzt das nicht, könne (auch) die KZÄV disziplinarrechtlich gegen ihn vorgehen.

10

Soweit der Kläger rügen will, er habe beim Schreiben des Briefs an die Vorsitzende der 6. Kammer des SG nicht in Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit gehandelt, wird nicht deutlich, welche über die Rechtsanwendung im Einzelfall hinausweisende Klärung begehrt wird. Der Senat hat die verbalen und schriftlichen Beleidigungen von Mitarbeitern und Funktionsträgern der KÄV durch einen Vertragsarzt als Pflichtverletzung von solchem Ausmaß und Gewicht beurteilt, dass gegebenenfalls sogar eine Zulassungsentziehung darauf gestützt werden kann (SozR 4-2500 § 95 Nr 9 RdNr 20). Das gilt auch für verbale Attacken auf Mitarbeiter von Krankenkassen (BSG vom 5.11.2003 - B 6 KA 54/03 B - RdNr 18; Juris). Der Kläger hätte zumindest darlegen müssen, weshalb auf der Grundlage dieser Rechtsprechung noch nicht hinreichend geklärt sein könnte, dass auch das Verhalten eines Vertragsarztes im Kontext von Gerichtsverfahren aus der vertragsärztlichen Tätigkeit den erforderlichen Zusammenhang zur "Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten" iS des § 81 Abs 5 Satz 1 SGB V aufweist. Das gilt insbesondere dann, wenn der Vertragsarzt die Kritik an einem gegen ihn in einer vertragsärztlichen Angelegenheit ergangenen Urteil ("Fehlurteil", "Unvermögen") mit einem "Fluch" über die zuständige Kammervorsitzende verbindet, dabei ausdrücklich auf seine berufliche Befähigung als Psychiater und Hypnotherapeut Bezug nimmt und der Richterin prophezeit, sie werde an "den Folgen einer Krebserkrankung jämmerlich verenden". Der Bezug zwischen dem vom Kläger in seiner Eigenschaft als Vertragsarzt geführten Streitverfahren vor dem SG Mainz und dem brieflichen Angriff auf die in diesem Verfahren tätig gewordene Richterin ist so eng, dass die vom Kläger beiläufig aufgeworfene Frage nach der disziplinarrechtlichen Relevanz etwa von Verkehrsverstößen eines Vertragsarztes neben der Sache liegt. Da der Senat bereits geklärt hat, dass die "Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit" im Sinne des Disziplinarrechts nicht allein die konkrete Behandlung eines bestimmten Patienten erfasst und auch Beleidigungen von Personen, die mit der Organisation der vertragsärztlichen Tätigkeit beruflich befasst sind, pflichtwidrig sind, hätte der Kläger näher darlegen müssen, inwiefern Zweifel daran bestehen können, dass ein verbaler Angriff auf eine im Vertragsarztrecht tätige Richterin mit konkretem Bezug zu einer Entscheidung auf diesem Rechtsgebiet auch von § 81 Abs 5 Satz 1 SGB V erfasst wird. Dazu enthält die Beschwerdebegründung keine näheren Ausführungen.

11

Schließlich hätte sich der Kläger damit auseinandersetzen müssen, dass er nach Auffassung des LSG durch den Angriff auf die Richterin auch seine Pflichten nach der Berufsordnung verletzt hat. Es unterliegt keinem Zweifel, dass ein "Fluch" und die Vorhersage eines "jämmerlichen Verendens" unter ausdrücklichem Hinweis auf die spezifisch ärztliche Fachkunde des Verfassers eine schwerwiegende Verletzung berufsrechtlicher Pflichten darstellen. Dass weiterhin ein Verstoß gegen ärztliches Berufsrecht grundsätzlich auch die vertragsärztliche Tätigkeit iS des § 81 Abs 5 Satz 1 SGB V erfassen kann, ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt. Was jenseits einer immer erforderlichen Wertung aller Umstände im Einzelfall in dem vom Kläger angestrebten Revisionsverfahren in diesem Zusammenhang geklärt werden müsste oder auch nur könnte, lässt sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen.

12

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO; danach hat der Kläger die Kosten des von ihm ohne Erfolg geführten Rechtsmittels zu tragen.

13

Die Entscheidung über die Höhe des Streitwertes entspricht der Rechtsprechung des Senats, in vertragsärztlichen Streitverfahren im Disziplinarrecht den Auffangwert in Höhe von 5000 Euro für die Ahndung als solche und den Wert der verhängten Geldbuße - hier 7000 Euro - zu addieren (BSG SozR 4-1935 § 33 Nr 1 RdNr 8).

Prof. Dr. Wenner
Engelhard
Rademacker

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