Bundessozialgericht
Urt. v. 14.05.1991, Az.: 5 RJ 82/89
Berufsunfähigkeit; Berufsgruppenschema; Facharbeiter
Bibliographie
- Gericht
- BSG
- Datum
- 14.05.1991
- Aktenzeichen
- 5 RJ 82/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1991, 11263
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Landshut 05.11.1986 - S 3 Ar 79/86
- LSG München 08.12.1988 - L 5 Ar 11/87
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- BSGE 68, 277 - 283
- NZA 1992, 85-87 (Volltext mit amtl. LS)
- SGb 1991, 354-355 (Kurzinformation)
Amtlicher Leitsatz
1. Bei der Frage der Verweisbarkeit i. S. § 1246 II RVO ist der einem gelernten Facharbeiterberuf tarifvertraglich gleichgestellte bisherige Beruf eines Versicherten im Rahmen des Berufsgruppenschemas der Berufsgruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters zuzuordnen.
2. Die qualitative Bewertung des bisherigen Berufs folgt im Fall der tarifvertraglichen Gleichstellung mit einem gelernten Facharbeiter nicht aus der Dauer der Ausbildung, sondern unmittelbar aus der Einschätzung durch die Tarifpartner.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Der 1940 geborene Kläger durchlief in den Jahren 1954 bis 1957 eine Lehre als Karosserieschlosser, die er mit der Gehilfenprüfung abschloß. Er war sodann in seinem Beruf tätig und arbeitete seit 1958 als Kraftfahrer und von 1973 bis 1983 als Busfahrer. Ein Antrag auf Rente vom Mai 1984 blieb erfolglos. Er begann eine Umschulung zum Bürokaufmann, die er nicht abschloß.
Im November 1985 beantragte er erneut Rente. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 5. Februar 1986). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 5. November 1986). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 8. Dezember 1988). Es hat im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger könne die Tätigkeit eines Busfahrers nicht mehr ausüben. Er sei als Busfahrer angelernter Arbeiter - oberer Bereich - gewesen. Von seinem früheren Beruf als Karosserieschlosser habe er sich gelöst. Als angelernter Arbeiter sei er auf die Tätigkeit eines Kassierers in einer Selbstbedienungstankstelle zu verweisen, ebenso auf die Beschäftigung eines Ersatzteillagerverwalters in einem Kraftfahrzeugreparaturbetrieb. Diese Tätigkeiten könne er nach dem Ergebnis der eingeholten Sachverständigengutachten noch vollschichtig ausüben.
Der Kläger hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts (§ 1246 Reichsversicherungsordnung -RVO-).
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 5. November 1986 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Februar 1986 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 1. Dezember 1985 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu leisten.
Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II.
Die Revision des Klägers ist iS der Zurückverweisung begründet. Das Landessozialgericht (LSG) hat bei seiner Entscheidung § 1246 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht richtig angewandt.
Zutreffend hat das Landessozialgericht (LSG) als bisherigen Beruf des Klägers den des Busfahrers angesehen, den der Kläger nach den unangegriffenen und deshalb für das Revisionsgericht gemäß § 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bindenden Feststellungen des Landessozialgericht (LSG) nicht mehr ausüben kann.
Nach § 1246 Abs 2 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) ist ein Versicherter berufsunfähig, dessen Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr die Hälfte derjenigen eines vergleichbaren gesunden Versicherten beträgt. Gemäß Satz 2 der Vorschrift beurteilt sich dabei die Erwerbsfähigkeit des Versicherten nach allen (objektiv) seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechenden Tätigkeiten, die ihm (subjektiv) unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Somit stehen die sog Verweisungstätigkeiten in einer Beziehung zum bisherigen Beruf (Hauptberuf). Von diesem aus bestimmt sich, welche Verweisungstätigkeiten als zumutbar in Betracht kommen. Deshalb muß der bisherige Beruf zunächst ermittelt und - da die Verweisbarkeit davon abhängt - nach den vorgenannten Kriterien bewertet werden. Hierzu hat die Rechtspr des BSG ein Mehrstufenschema entwickelt, das die Arbeiterberufe in verschiedene "Leitberufe" untergliedert, nämlich diejenigen des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters, des "Angelernten" und schließlich des ungelernten Arbeiters; grundsätzlich darf der Versicherte nur auf die seinem bisherigen Beruf folgende niedrigere Gruppe verwiesen werden.
Zu unterscheiden ist zwischen den Feststellungen des bisherigen Berufs als Tatsachenfeststellung, dh welche Tätigkeit der Versicherte bisher tatsächlich ausgeübt hat einerseits und der qualitativen Bewertung des bisherigen Berufs (Einordnung in das Mehrstufenschema) andererseits. Maßstab für die qualitative Bewertung eines Berufes ist zunächst die Dauer der Ausbildung. Man geht von der Regelannahme aus, daß sich an der Dauer der Ausbildung zeigt, welches Maß an Wissen, Können und Fertigkeiten vermittelt werden muß. Unter den Merkmalen, die das Gesetz in § 1246 Abs 2 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) als Hinweis auf die Qualität des Berufes zu beachten vorschreibt, findet sich das der Dauer der Ausbildung. Diese liefert einen kommensurablen Maßstab, also einen Maßstab, der verschiedene Berufe überhaupt miteinander vergleichbar macht. Die Rechtspr des BSG hat daher den "gelernten" Facharbeiter dahin bestimmt, daß er eine mehr als zweijährige Ausbildung voraussetzt (vgl BSG in BSGE 55, 45 = SozR 2200 § 1246 Nr 107; SozR aaO Nr 109, BSGE 59, 201 = SozR aaO Nr 132; SozR aaO Nr 140). Wer einen Beruf dieser Art ausgeübt und die für den Beruf vorgeschriebene (mehr als zweijährige) Ausbildung durchlaufen hat, ist deshalb nach der genannten Rechtspr "a priori" Facharbeiter.
Seit Inkrafttreten des Berufsbildungsgesetz (BBiG) vom 14. August 1969 (BGBl I 1112) werden die ehemaligen Lehrberufe bzw Anlernberufe allerdings einheitlich als Ausbildungsberufe iS des § 25 Abs 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG) bezeichnet (vgl § 108 Berufsbildungsgesetz (BBiG) und Herbert, Komm zum Berufshildungsgesetz, § 108, II). Gemäß § 25 Abs 2 Nr 2 Berufsbildungsgesetz (BBiG) haben die aufgrund der Ermächtigung in § 25 Abs 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG) für Ausbildungsberufe erlassenen Ausbildungsordnungen die Ausbildungsdauer festzulegen; diese soll nicht mehr als drei und nicht weniger als zwei Jahre betragen. Die Festlegung der Ausbildungsdauer hat davon auszugehen, in welchem Zeitraum ein durchschnittlich begabter und hauptschulisch vorgebildeter Auszubildender in einem durchschnittlich geeigneten Betrieb bei Vollzeitausbildung das Ausbildungsziel normalerweise erreicht (vgl Wohlgemuth/Salge, Komm zum Berufsbildungsgesetz, § 25, RdNr 6). Die Vorschrift des § 25 Abs 2 Berufsbildungsgesetz (BBiG) ist Bezugspunkt für die zwischenzeitliche Auffassung des BSG gewesen, wonach bereits eine zweijährige Ausbildungsdauer die Zuordnung zu der Gruppe mit dem Leitberuf des Gelernten (Facharbeiter) rechtfertigt. Andererseits kann nicht übersehen werden, daß die aufgrund des § 25 Abs 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG) staatlich anerkannten Ausbildungsberufe sowohl anerkannte Lehrberufe als auch anerkannte Anlernberufe iS der vor dem Inkrafttreten des Berufsbildungsgesetz (BBiG) geltenden Terminologie umfassen. Das Mehrstufenschema ist aber gerade vor dem Hintergrund der Unterscheidung von ungelernten, angelernten und gelernten Tätigkeiten entwickelt worden, wie sie auch heute noch in Tarifverträgen üblich ist, so daß die zuletzt festgelegte Abgrenzung zwischen dem Facharbeiter und dem Angelernten iS der von der Rechtspr des BSG entwickelten Kriterien nicht nochmals in Zweifel gezogen werden soll, zumal sich für diese Abgrenzung sachgemäße Gründe anführen lassen und der 1., 4. und 5. Senat des BSG zuletzt einheitlich diese Abgrenzung vertreten haben (vgl BSG in SozR aaO).
Als weiteres Kriterium nennt § 1246 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) den Umfang der Ausbildung. Dieses Kriterium, das auf den Inhalt und das Niveau der Ausbildung abzielt, hat bislang in der Rechtspr gegenüber dem Kriterium "Dauer der Ausbildung" kaum Bedeutung erlangt. Dies wird von der Revision unter Bezugnahme auf den Aufsatz von Göring "Bundessozialgerichtsrechtsprechung und Ausbildungsberufe", SGb 1989, 117 ff kritisiert. Nach Göring erklärt sich die Vernachlässigung des Faktors "Umfang der Ausbildung" daraus, daß es einerseits äußerst schwierig sei, qualitative Vergleiche für verschiedene Berufe und deren Ausbildung vorzunehmen, andererseits würden auch heute noch im Bildungsbereich Dauer und Umfang bzw Qualität als weitestgehend gleiche Wertmaßstäbe angesehen, weil die - unrichtige - Hypothese zugrunde gelegt werde, daß, wer doppelt so lange lerne, auch doppelt so viel lerne und damit die Qualität seiner Ausbildung verdoppele. Trotz dieser Kritik an der Vernachlässigung des Begriffs "Umfang der Ausbildung" ist auch Göring nicht in der Lage, handhabbare Regeln aufzustellen, in welcher Weise das Tatbestandsmerkmal "Umfang der Ausbildung" für die Feststellung des Wertes der Qualität des bisherigen Berufes nutzbar gemacht werden könnte. Jedenfalls kann es nicht Aufgabe der Verwaltung und der Gerichte sein, die Ausbildung zu den einzelnen Berufen unterschiedlich zu bewerten.
Im übrigen hat der erkennende Senat der Kritik an der "Bevorzugung" der Dauer der Ausbildung bereits dadurch Rechnung getragen, daß diese lediglich für den "gelernten" Facharbeiter gilt. Innerhalb des von der Rechtspr des BSG für die Zumutbarkeit eines Verweisungsberufs entwickelten Mehrstufenschemas gehört indes zur Gruppe mit dem "Leitberuf" des Facharbeiters nicht nur der "Gelernte" mit Absolvierung der vorgeschriebenen Ausbildung, sondern auch derjenige, der sich ohne eine solche durch die praktische Berufsausübung die Kenntnisse angeeignet hat, die ihn befähigen, sich unter gelernten Facharbeitern auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig und damit vollwertig zu behaupten (vgl Urteile des erkennenden Senats vom 28. und 29. Juni 1989 in BSGE 65, 169 = SozR 2200 § 1246 Nr 167; SozR aaO Nr 168 mwN).
In § 1246 Abs 2 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) wird indes für die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit nicht nur auf Dauer und Umfang der Ausbildung, sondern auch auf die besonderen Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit abgestellt, also erkennbar vom Wert des bisherigen Berufs ausgegangen, ohne daß dabei einem der genannten Zumutbarkeitskriterien eine Dominanz eingeräumt ist. Da außerdem die Wirklichkeit des Arbeitslebens sich nicht starr an eine Gleichwertigkeit der im Gesetz genannten Zumutbarkeitskriterien hält, hat der erkennende Senat in ständiger Rechtspr auch Versicherte, die in Tätigkeitsbereichen ohne anerkannte Ausbildung oder mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren gearbeitet haben, der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters zugeordnet, wenn diese Tätigkeiten den anerkannten Ausbildungsberufen mit einer mehr als zweijährigen Ausbildung - insbesondere wegen ihrer Bedeutung für den Betrieb - tarifvertraglich qualitativ gleichgestellt sind (vgl die Urteile in BSGE 43, 243 = SozR 2200 § 1246 Nr 16; BSGE 56, 72 = SozR aaO Nr 111; SozR aaO Nrn 116, 122, 123; BSGE 58, 239 = SozR aaO Nr 129 und SozR aaO Nr 164).
Der Senat sieht es insoweit als maßgebend an, ob der für den Kläger geltende Tarifvertrag eine entsprechend hohe Einordnung vornimmt. Aus der in § 1246 Abs 2 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) genannten Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen der bisherigen Tätigkeit folgt, daß der qualitative Wert des Hauptberufes und des Verweisungsberufes zu vergleichen ist. Der erkennende Senat sieht jedoch diesen qualitativen Wert in der Lebenswirklichkeit durch das Ergebnis der Verhandlungen der Tarifvertragsparteien als vorgegeben an, so daß für den Richter in der Regel kein Raum bleibt, selbst eine Bewertung von Berufen vorzunehmen. Diese "maßgebenden Kreise" haben nicht nur die höhere Sachkunde, sondern sie bestimmen auch durch ihr Verhalten - insbesondere durch die von ihnen bestimmte tarifliche Einstufung - das Ansehen des Berufs. Hierzu hat der erkennende Senat bereits in seinen beiden Entscheidungen vom 3. Oktober 1984 (SozR 2200 aaO Nrn 122 und 123) darauf hingewiesen, daß diese Bewertung durch die Tarifvertragsparteien zu akzeptieren ist und sie nicht durch eine eigene - abweichende - Bewertung durch die Gerichte ersetzt werden kann. Wie bereits dort betont, bedeutet dies nicht eine Verlagerung der Entscheidung über gesetzliche Voraussetzungen von den Gerichten auf gerichtsferne Instanzen, die verfassungsrechtlich bedenklich wäre. Indem das Gesetz in § 1246 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) von der Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit spricht, nimmt es eine Verweisung auf die in der Gesellschaft vorhandenen Wertvorstellungen vor. Das Mehrstufenschema iS der Rechtspr des BSG ist deshalb nicht unmittelbar dem Gesetz zu entnehmen, sondern ergibt sich daraus, daß die soziale Wirklichkeit insbesondere durch die Tarifvertragsparteien geschaffen wird. Die tariflich orientierte Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen des § 1246 Abs 2 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) bietet damit einen flexiblen Rahmen, der es erlaubt, gesellschaftliche Entwicklungsprozesse und einen Wandel der sie begleitenden Wertungen auch ohne entsprechende Gesetzesänderung zu berücksichtigen (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 59, 70), was nicht zuletzt für die Bestätigung der Verfassungsmäßigkeit der Rechtspr des BSG über die Voraussetzungen einer Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) im Beschluß des Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 10. November 1981 - 1 BvL 18/77 - (SozR 2200 § 1246 Nr 83) mit entscheidend war. Der Senat hat daher auch in den Urteilen vom 1. Dezember 1983 (SozR 2200 § 1246 Nr 111) und 1. Februar 1984 (SozR 2200 § 1246 Nr 116) ausgeführt, daß die tarifliche Einstufung nicht nur ein verläßliches Indiz für die Qualität der Tätigkeit bei Berufen ist, die nach einer ordnungsgemäßen Ausbildung ausgeübt worden sind; vielmehr ist die Bewertung durch die Tarifpartner auch dann zu akzeptieren, wenn diese den anerkannten Ausbildungsberufen andere Tätigkeiten - insbesondere wegen ihrer Bedeutung für den Betrieb - qualitativ gleichgestellt haben.
An dieser durch das Gesetz vorgesehenen Maßgeblichkeit der in der Gesellschaft vorhandenen Wertungen, die das Gericht lediglich erforscht, ist auch deshalb festzuhalten, weil sie eine von der Massenverwaltung der gesetzlichen Rentenversicherung nicht zu bewältigende Kasuistik vermeidet und durch die Einführung des für alle Versicherten geltenden objektiven Maßstabes der tarifvertraglichen Einstufung des bisherigen Berufs eine revisionsrechtlich überprüfbare Entscheidung und damit eine zur Rechtssicherheit beitragende Gleichbehandlung der Versicherten durch Verwaltung und Gerichte im ganzen Bundesgebiet gewährleistet (vgl so bereits Urteil des Senats vom 3. Oktober 1984 in SozR aaO Nr 122 mwN).
Um diese richterliche Gleichbehandlung zu erreichen, ist - wie der erkennende Senat bereits in seinem weiteren Urteil vom 3. Oktober 1984 (SozR aaO Nr 123) ausgeführt hat - bei einem grundsätzlich nach Qualitätsstufen geordneten Tarifvertrag davon auszugehen, daß die tarifliche Einstufung auf der Qualität der Tätigkeit beruht. Nur bei hinreichenden konkreten Anhaltspunkten, die im Einzelfall für eine tarifliche Einstufung aufgrund von qualitätsfremden Merkmalen sprechen, können sich die Tatsachengerichte zu Ermittlungen über die Qualität einer vom Versicherten ausgeübten Tätigkeit gedrängt fühlen. Ist eine Tätigkeit tariflich erfaßt, so ist eine von dieser Einstufung abweichende Bestimmung des qualitativen Wertes nur zulässig, wenn feststeht, daß die tarifliche Einstufung dem qualitativen Wert nicht entspricht. Dies ist dann anzunehmen, wenn die Einstufung im wesentlichen auf die mit der Tätigkeit verbundenen Nachteile und Erschwernisse (zB Akkord-, Nacht-, Schmutzarbeit uä) oder auf sozialen Gründen wegen in der Person des Versicherten liegender Umstände beruht ("Bewährungsaufstieg"). Weitere Ausnahmefälle hat die Rechtspr des 1. Senats des BSG und des erkennenden Senats nicht zugelassen (vgl SozR 2200 § 1246 Nrn 69, 71, 77, 98, 101, 102, 106, 123). Auch daran wird weiterhin festgehalten.
Der Bewertung der maßgebenden Wirtschaftskreise, also insbesondere der Tarifvertragsparteien, ist nach alledem auch dann zu folgen, wenn sie Unterscheidungen nach Tätigkeitssparten (Kraftfahrer für bestimmte Produktionsbereiche etwa) oder nach Regionen trifft. Auch dies folgt aus dem Vorrang, der den Tarifvertragsparteien einzuräumen ist, soweit sie für ihren Bereich den Wert einer Tätigkeit bestimmen.
Soweit der 4. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 21. Juli 1987 (SozR 2200 § 1246 Nr 143 bestätigt durch Urteil vom 7. Oktober 1987 in SozR aaO Nr 149) der tariflichen Einstufung keine Beachtung geschenkt und den Berufskraftfahrer allein wegen der nur zweijährigen Ausbildungsdauer der Gruppe mit dem Leitberuf des oberen Angelernten zugeordnet hat, folgt der erkennende Senat dem nicht. Da der 4. Senat nicht mehr für Streitsachen auf dem Gebiet der ArV zuständig ist, ist diesbezüglich eine Anfrage beim 4. Senat und gegebenenfalls eine Vorlage an den GrS des BSG nicht erforderlich.
Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung vom 21. September 1988 (SozR 2200 § 1246 Nr 159) allerdings bei der Frage der Verweisbarkeit eines Fernfahrers auch auf die Ausbildungsdauer abgestellt und die Möglichkeit erwogen, daß der Kraftfahrer deshalb ein Facharbeiterberuf sei, weil es sich um einen sog "Erwachsenenberuf" handeln könne. Er hat dabei an einer Rechtspr angeknüpft, die zum Beruf des Hauers im Steinkohlenbergbau entwickelt worden ist. Damit ist jedoch der schon bisher in der Rechtspr zum Ausdruck gebrachte Gedanke, daß die tarifliche Einstufung als solche die Qualität einer Tätigkeit weitgehend bestimmt, nicht aufgegeben worden. Bei dem Kraftfahrer, der Anlaß zum Urteil vom 21. September 1988 (aaO) gab, handelte es sich um einen Versicherten, der ausschließlich in Dänemark berufstätig war, so daß er von einem deutschen Tarifvertrag nicht erfaßt wurde. Ob derartige Fallgestaltungen, die sich durch die zunehmende europäische Verflechtung öfter stellen können, möglicherweise auch durch Heranziehung vergleichbarer inländischer Tarifverträge zu lösen wären, kann hier dahinstehen.
Der Kläger hat sich darauf berufen, daß gerade die Berufe des Kraftfahrers und Busfahrers aufgrund ihrer tariflichen Einstufung Facharbeiterberufen gleichstünden. Da das Landessozialgericht (LSG) diese nach alledem für die Frage der Berufsunfähigkeit (BU) iS des § 1246 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) rechtserhebliche Frage bisher nicht geprüft hat und da es insoweit an Feststellungen tatsächlicher Art fehlt, ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.