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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 26.03.2024, Az.: VIa ZB 15/23
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 26.03.2024
Referenz: JurionRS 2024, 14215
Aktenzeichen: VIa ZB 15/23
ECLI: ECLI:DE:BGH:2024:260324BVIAZB15.23.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Berlin - 16.12.2022 - AZ: 42 O 178/21

KG Berlin - 02.05.2023 - AZ: 4 U 8/23

BGH, 26.03.2024 - VIa ZB 15/23

Der VIa. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. März 2024 durch die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. C. Fischer als Vorsitzende, die Richterin Dr. Krüger, den Richter Dr. Götz, die Richterin Dr. Vogt-Beheim und den Richter Dr. Katzenstein
beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des Kammergerichts vom 2. Mai 2023 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf bis 30.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger wendet sich gegen die Verwerfung seiner Berufung.

2

Er erwarb im November 2019 von einem Dritten einen Nissan Qashqai mit Dieselmotor. Unter Behauptung unzulässiger Abschalteinrichtungen hat der Kläger von der Beklagten im Wesentlichen verlangt, ihn im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Das Landgericht hat seine Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht als unzulässig verworfen, weil die Berufungsbegründung den gesetzlichen Voraussetzungen des § 520 Abs. 3 ZPO nicht gerecht werde. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

3

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde (zur Umdeutung der zunächst eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2014 - XII ZR 136/12, NJW-RR 2015, 433 Rn. 9) ist unzulässig. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt der angefochtene Beschluss nicht den Anspruch des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip).

4

Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Berufung sei nicht ordnungsgemäß begründet und deshalb zu verwerfen, hält rechtlicher Nachprüfung stand.

5

1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO muss sie konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Darlegung, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger als unzutreffend bekämpft und welche rechtlichen oder tatsächlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen zwar nicht; auch ist es für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen, ein anderes Verfahren betreffenden Textbausteinen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020 - VI ZB 68/19, NJW-RR 2020, 1187 Rn. 10 f.; Beschluss vom 16. Januar 2023 - VIa ZB 19/22, juris Rn. 8; Beschluss vom 22. Mai 2023 - VIa ZR 56/23, juris Rn. 5, jeweils mwN).

6

2. Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des Klägers nicht gerecht.

7

a) Das Landgericht hat die Klageabweisung - soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung - selbständig tragend auf das Fehlen der Passivlegitimation der Beklagten gestützt. Diese sei nicht Herstellerin des Fahrzeugs, sondern eine Vertriebsgesellschaft mit Sitz in und Zuständigkeitsbereich für Frankreich. Für jedes Land in Europa gebe es rechtlich selbständige Gesellschaften mit einem räumlich beschränkten Tätigkeitsbereich. Die Behauptung des Klägers, die Beklagte sei für den Vertrieb in Deutschland zuständig, erfolge "ins Blaue hinein". Zuständig für Deutschland sei eine andere Gesellschaft. Zudem werde nicht dargelegt, wie die Beklagte als Vertriebsgesellschaft Einfluss auf die Entscheidung zur Verwendung einer Abschalteinrichtung hätte nehmen können.

8

b) Mit diesen Ausführungen des Landgerichts setzt sich die Berufungsbegründung des Klägers nicht hinreichend auseinander. Auf Seite 3 der insgesamt 120 Seiten umfassenden Berufungsbegründung (GA III 10) wiederholt der Kläger zwar wörtlich den bereits auf Seite 17 seiner Replik (GA I 171) gehaltenen Vortrag, die Beklagte sei für den Vertrieb der Fahrzeuge zuständig, wozu auch der Import nach Deutschland und die Erlangung der EG-Typgenehmigung gehöre, so dass die Beklagte über die Abläufe und Genehmigungserfordernisse des Fahrzeugs in Kenntnis gesetzt gewesen sei. Diesen Vortrag hat das Landgericht aber erörtert und für unzureichend erachtet, um die Passivlegitimation der Beklagten zu begründen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde liegt kein Fall der grundsätzlich zulässigen Wiederholung bereits erstinstanzlich vorgetragener rechtlicher Argumente in der Berufungsbegründung vor (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 7. Juni 2018 - I ZB 57/17, NJW 2018, 2894 Rn. 10). Bei der Frage nach dem sachlichen und räumlichen Tätigkeitsbereich der Beklagten geht es nicht um eine Rechtsansicht, sondern um vom Landgericht festgestellte Tatsachen. Da das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen grundsätzlich gebunden ist (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), muss die Berufung, die den festgestellten Sachverhalt angreifen will, eine Begründung dahin enthalten, warum die Bindung an die festgestellten Tatsachen ausnahmsweise nicht bestehen soll (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO; vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2022 - VI ZB 4/20, NJW-RR 2022, 998 Rn. 6 mwN). Daran fehlt es. Der Kläger hat nicht deutlich gemacht, aus welchen Gründen er die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil für unrichtig und deshalb eine erneute Feststellung durch das Berufungsgericht für geboten hält.

9

c) Die von der Rechtsbeschwerde zitierten Ausführungen des Klägers in seiner Stellungnahme auf den Hinweis des Berufungsgerichts (GA III 158) konnten - unabhängig davon, dass der Kläger auch insoweit lediglich wiederholt und einen tauglichen Berufungsangriff nicht formuliert hat - schon deshalb nicht nachträglich zur Zulässigkeit der Berufung führen, weil eine unzulängliche Berufungsbegründung nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nicht mehr geheilt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2021 - III ZB 50/20, MDR 2022, 267 Rn. 28; Beschluss vom 16. Januar 2023 - VIa ZB 19/22, juris Rn. 11).

C. Fischer

Krüger

Götz

Vogt-Beheim

Katzenstein

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