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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 27.09.2022, Az.: 5 StR 328/22
Gewährung von Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Frist zur Einlegung der Revision; Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 27.09.2022
Referenz: JurionRS 2022, 36746
Aktenzeichen: 5 StR 328/22
ECLI: ECLI:DE:BGH:2022:270922B5STR328.22.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Berlin - 18.05.2022 - AZ: (503 KLs) 273 Js 3002/21 (19/21)

Fundstellen:

MMR 2022, 1114

StRR 2022, 4

VRR 2022, 16

ZAP EN-Nr. 708/2022

ZAP 2022, 1153

Verfahrensgegenstand:

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln u.a.

BGH, 27.09.2022 - 5 StR 328/22

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. September 2022 gemäß § 46 Abs. 1 StPO beschlossen:

Tenor:

Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18. Mai 2022 gewährt.

Der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 6. Juli 2022 ist damit gegenstandslos.

Mit der Zustellung des Beschlusses beginnt die Frist zur Begründung der Revision.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und anderer Delikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Urteil wurde am 18. Mai 2022 in Anwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers verkündet, Rechtsmittelbelehrung wurde erteilt. Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2022, bei Gericht eingegangen am selben Tag, hat der Angeklagte über seinen Verteidiger Revision eingelegt. Mit Beschluss vom 6. Juli 2022 hat das Landgericht Berlin die Revision als unzulässig verworfen, weil die Revisionseinlegung nicht den Formvorschriften des § 32d Satz 2 StPO entspreche, wonach der Verteidiger die Revision als elektronisches Dokument übermitteln müsse. Gegen diesen dem Verteidiger am 14. Juli 2022 zugegangenen Beschluss richtet sich der am 15. Juli 2022 bei Gericht eingegangene „Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Revisionsgerichts“. In diesem trägt der Verteidiger mittels „eidesstattlicher Versicherung“ u.a. vor, im Zeitpunkt der Revisionseinlegung sei er aus technischen Gründen nicht in der Lage gewesen, die Revision über das besondere elektronische Anwaltsfach zu versenden, weil er dieses erst ab dem 4. Juli 2022 nach zeitaufwändiger vollständiger Neuinstallation des Computersystems nebst Konfiguration der Sicherungssoftware abschließend habe installieren können. Aus diesem Grund greife § 32d Satz 3 StPO.

2

Der Senat nimmt das Vorbringen des Verteidigers zum Anlass, dem Angeklagten nach § 45 Abs. 2 Satz 3 StPO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18. Mai 2022 zu gewähren. Das Landgericht hat die Revision des Angeklagten zwar zu Recht als unzulässig verworfen, da die Formvorschrift des § 32d Satz 2 StPO nicht eingehalten wurde (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Juli 2022 – 4 StR 68/22; vom 24. Mai 2022 – 2 StR 110/22). Die vorübergehende Unmöglichkeit aus technischen Gründen wurde entgegen § 32d Satz 4 Halbsatz 1 StPO weder bei der Ersatzeinreichung noch unverzüglich danach glaubhaft gemacht, so dass die Ausnahmevorschrift des § 32d Satz 3 StPO nicht greift. Hinzu kommt, dass ein Rechtsanwalt grundsätzlich für das Vorhalten der entsprechenden einsatzbereiten technischen Infrastruktur zu sorgen hat und eine Verzögerung bei der Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltsfachs regelmäßig keine vorübergehende technische Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung darstellt (vgl. BT-Drucks. 18/9416, S. 51; Radke in Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 4, 2. Aufl., § 32d StPO Rn. 16 mwN).

3

Da der Verteidiger mit Schriftsatz vom 14. Juli 2022 aber die Glaubhaftmachung nach § 32d Satz 4 Halbsatz 1 StPO nachgeholt hat, nicht nach § 32d Satz 4 Halbsatz 2 StPO zur Nachreichung eines elektronischen Dokuments aufgefordert wurde und es sich ersichtlich noch um technische Übergangsprobleme handelt, liegt ein Verschulden des Angeklagten am Fristversäumnis fern.

4

Damit wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 6. Juli 2022 gegenstandslos. Da das Landgericht bereits ein vollständiges (und nicht nach § 267 Abs. 4 StPO nur ein abgekürztes) Urteil abgefasst hat, das zudem wirksam zugestellt worden ist, bedarf es keiner Rückgabe der Akten an das Landgericht zur Ergänzung der Urteilsgründe (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 10. September 2008 – 2 StR 134/08, BGHSt 52, 349) oder zur Zustellung des Urteils. Mit der Zustellung dieses Beschlusses beginnt die Frist zur Begründung der Revision (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2019 – 5 StR 18/19).

Cirener

Gericke

Mosbacher

von Häfen

Werner

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