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Bundesgerichtshof
Urt. v. 15.10.2018, Az.: AnwZ (Brfg) 58/17
Zulassung eines Rechtsanwalts als Syndikusrechtsanwalt i.R.d. Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 15.10.2018
Referenz: JurionRS 2018, 40465
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 58/17
ECLI: ECLI:DE:BGH:2018:151018UANWZ.BRFG.58.17.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AGH Rheinland-Pfalz - 21.09.2017 - AZ: 1 AGH 17/16

Verfahrensgegenstand:

Zulassung als Syndikusrechtsanwältin

BGH, 15.10.2018 - AnwZ (Brfg) 58/17

Redaktioneller Leitsatz:

Für eine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin kann es dahinstehen, ob die erforderliche fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung der Anwältin vertraglich und tatsächlich gewährleistet ist, wenn es an der Voraussetzung fehlt, dass die Tätigkeit der Anwältin als Syndikusrechtsanwältin sich auf die Rechtsangelegenheiten ihrer Arbeitgeberin zu beschränken hat. Die Zulassung ist zu versagen, wenn die Anwältin nicht in den Rechtsangelegenheiten ihrer Arbeitgeberin, sondern in den Rechtsangelegenheiten von deren Kunden tätig ist.

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2018 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, den Richter Bellay sowie die Rechtsanwältin Schäfer und den Rechtsanwalt Dr. Wolf
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten an Verkündungs statt am 21. September 2017 zugestellte Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs Rheinland-Pfalz wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist seit Juni 1997 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Sie ist bei ihrer Arbeitgeberin, der Beigeladenen zu 2, seit dem 19. Juni 2000 beschäftigt. Die Beigeladene zu 2 ist u.a. (gewerbliche) Rentenberaterin im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RDG. Sie berät Kunden aus dem Unternehmensbereich in sämtlichen Rechtsfragen, die im Bereich der betrieblichen Altersversorgung und bei Entgeltsystemen auftreten.

2

Die Klägerin ist derzeit als angestellte Rechtsanwältin in der Rechtsabteilung der "L. (betriebliche Altersversorgung)" tätig. Nach der dem Dienstvertrag zugrundeliegenden Tätigkeitsbeschreibung agiert sie fachlich unabhängig und eigenverantwortlich unter Berücksichtigung der internen Abstimmungsprozesse und der üblichen Qualitätssicherungsmaßnahmen (Vier-Augen-Prinzip). Sie ist dabei gegenüber den Kunden ihrer Arbeitgeberin rechtsberatend, rechtsentscheidend, rechtsgestaltend und rechtsvermittelnd tätig und aufgrund einer Handlungsvollmacht befugt, nach außen verantwortlich aufzutreten. Die Klägerin erbringt danach ihre Dienstleistung nicht gegenüber ihrer Arbeitgeberin, sondern vielmehr gegenüber deren Kunden. Dabei beinhaltet ihr Tätigkeitsgebiet insbesondere die Gestaltung von vertraglichen Grundlagen der betrieblichen Altersversorgung unter Berücksichtigung der spezifischen Situation des beauftragenden Unternehmens, die Unterstützung des Unternehmens bei Verhandlungen mit Betriebsräten oder Gewerkschaften sowie die Beratung im Rahmen von Unternehmenstransaktionen, soweit betriebliche Versorgungsleistungen betroffen sind.

3

Mit Schreiben vom 17. März 2016 beantragte die Klägerin bei der Beklagten zusätzlich zu der bestehenden Rechtsanwaltszulassung die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin gemäß §§ 46 f. BRAO hinsichtlich des Dienstverhältnisses bei ihrer Arbeitgeberin.

4

Die Beklagte wies mit Bescheid vom 23. August 2016 den Antrag der Klägerin auf Zulassung als Syndikusrechtsanwältin zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass die von der Klägerin bei ihrer Arbeitgeberin ausgeübte Tätigkeit nicht den Anforderungen des § 46 Abs. 5 BRAO entspreche. § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BRAO setze voraus, dass sich die Befugnisse des Syndikusrechtsanwalts auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beschränken. Das sei bei der Klägerin aber nicht der Fall, weil sie im Rahmen ihrer Tätigkeit Drittunternehmen berate und vertrete. Darüber hinaus lägen die Voraussetzungen der Ausnahmeregelungen nach § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bis 3 BRAO bei der Arbeitgeberin der Klägerin nicht vor.

5

Die von der Klägerin hiergegen erhobene Klage, mit der sie die Aufhebung des Versagungsbescheids der Beklagten und - im Hauptantrag - die Verpflichtung der Beklagten begehrt hat, sie als Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) für ihre Tätigkeit bei ihrer Arbeitgeberin zuzulassen, hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klage zwar zulässig sei, die Beklagte aber zu Recht den Antrag der Klägerin zurückgewiesen habe, weil die Tätigkeit der Klägerin nicht den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspreche. Nach den arbeitsvertraglichen Unterlagen und Informationen sei davon auszugehen, dass die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit durch die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO genannten Merkmale geprägt sei. Auch sei "zugunsten" der Klägerin davon auszugehen, dass sie im Sinne von § 46 Abs. 4 BRAO eigenverantwortlich tätig ist, obwohl sie unter Berücksichtigung der Abstimmungsprozesse und der üblichen Qualitätssicherungsmaßnahmen ihrer Arbeitgeberin handele. Die Frage, ob eine fachlich unabhängige Tätigkeit vorliege, könne jedoch offen bleiben, denn die Tätigkeit der Klägerin entspreche nicht den Anforderungen des § 46 Abs. 5 BRAO. Sie vertrete auch nach eigenem Vortrag nicht die Angelegenheiten ihres Arbeitgebers, sondern sei in den Rechtsangelegenheiten zwischen den Kunden ihres Arbeitgebers und Dritten tätig. Der Rechtsansicht der Klägerin, dass alle Angelegenheiten der Kunden auch Rechtsangelegenheiten ihres Arbeitgebers seien, da sich dieser vertraglich gegenüber seinen Kunden zur Erbringung der jeweiligen Rechtsberatung verpflichtet habe, sei nicht zu folgen.

6

Gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs richtet sich die Klägerin mit ihrer wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Berufung, mit der sie im Hauptantrag die Aufhebung des angefochtenen Urteils erstrebt und ihr Klagebegehren weiterverfolgt. Hilfsweise beantragt sie, dass über ihren Antrag auf Zulassung als Syndikusrechtsanwältin nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts neu entschieden wird. Zur Begründung führt die Klägerin aus, dass der Anwaltsgerichtshof von einem nicht zutreffenden Verständnis des § 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO ausgehe. Ihre Arbeitgeberin verfüge als Unternehmen über die Erlaubnis gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RDG, Rechtsdienstleistungen im Bereich der Rentenberatung zu erbringen. Bei der Erbringung dieser Rechtsdienstleistungen handele es sich um eine eigene Rechtsangelegenheit der Arbeitgeberin. Wenn eine Rechtsdienstleistung durch den Arbeitgeber erbracht werden darf, dann sei es nicht verständlich, warum eine solche nicht durch einen Syndikusrechtsanwalt erbracht werden dürfe.

7

Die Beklagte und die Beigeladene zu 1 verteidigen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

Entscheidungsgründe

8

Die Berufung ist nach § 112e Satz 1 BRAO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 2, 3 VwGO). In der Sache hat sie jedoch insgesamt keinen Erfolg.

9

1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

10

2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Ablehnung des von der Klägerin begehrten Verwaltungsakts, nämlich ihre Zulassung als Syndikusrechtsanwältin gemäß §§ 46, 46a BRAO, ist nicht rechtswidrig und verletzt sie nicht in ihren Rechten (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erlass des von ihr erstrebten Verwaltungsakts nicht zu, weil nicht alle Voraussetzungen für eine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin (§ 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3, § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO) vorliegen. Entsprechend den Ausführungen des Anwaltsgerichtshofs kann dabei dahinstehen, ob die erforderliche fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung der Klägerin vertraglich und tatsächlich gewährleistet ist (§ 46 Abs. 3, 4 Satz 2 BRAO). Denn es fehlt jedenfalls an der Voraussetzung, dass die Tätigkeit der Klägerin als Syndikusrechtsanwältin sich auf die Rechtsangelegenheiten ihrer Arbeitgeberin zu beschränken hat (§ 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BRAO). Dies ist bei der Tätigkeit der Klägerin nicht der Fall, da sie nicht in den Rechtsangelegenheiten ihrer Arbeitgeberin, sondern in den Rechtsangelegenheiten von deren Kunden tätig ist.

11

a) Bei dem Merkmal der Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers (§ 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 BRAO) handelt es sich nicht lediglich um eine Beschränkung der Rechtsdienstleistungsbefugnis des Syndikusrechtsanwalts, sondern - ebenso wie bei den Bestimmungen in § 46 Abs. 2 bis 4 BRAO um eine tatbestandliche Voraussetzung für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt (vgl. grundlegend zur Auslegung von § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 BRAO und dessen Verfassungsgemäßheit: Senatsurteil vom 2. Juli 2018 - AnwZ (Brfg) 49/17 Rn. 37 ff. und Rn. 74 ff. mwN). Weder nach dem Wortlaut der Norm noch nach dem in der Norm zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers ist eine Auslegung dahin möglich, dass auch derjenige in Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers anwaltlich tätig ist, der - wie vorliegend die Klägerin - zur Erbringung einer Dienstleistung für die Kunden des Arbeitgebers eingesetzt wird. Demnach ist es für den Antrag der Klägerin auf Zulassung als Syndikusrechtsanwältin rechtlich unerheblich, dass ihre Arbeitgeberin über die Erlaubnis verfügt, nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RDG Rechtsdienstleistungen im Bereich der Rentenberatung zu erbringen.

12

b) Die Tätigkeit der Klägerin erfüllt - ohne dass sie dies geltend macht auch nicht die Voraussetzungen eines der in § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bis 3 BRAO genannten besonderen Fälle der Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers. Erlaubte Rechtsdienstleistungen des Arbeitgebers nach § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 und 3 BRAO gegenüber seinen Mitgliedern, sofern es sich bei dem Arbeitgeber um eine Vereinigung oder Gewerkschaft nach § 7 RDG oder nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 RDG handelt, oder gegenüber Dritten, sofern es sich bei dem Arbeitgeber um einen Angehörigen der in § 59a BRAO genannten sozietätsfähigen Berufe oder um eine Berufsausübungsgesellschaft solcher Berufe handelt, werden von der Arbeitgeberin der Klägerin nicht erbracht. Bei der Arbeitgeberin handelt es sich weder um einen Verband im Sinne von § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BRAO noch um einen Angehörigen der in § 59a BRAO genannten sozietätsfähigen Berufe oder um eine Berufsausübungsgesellschaft solcher Berufe. Bei den in § 46 Abs. 5 Satz 2 BRAO normierten besonderen Fällen handelt es sich zudem nicht lediglich um Regelbeispiele weiterer Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers. Vielmehr konkretisiert die Norm die Vorschrift des § 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO als abschließend zu verstehende Regelung (vgl. Senatsurteil vom 2. Juli 2018, aaO Rn. 53 ff.).

13

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 BRAO.

Kayser

Lohmann

Bellay

Schäfer

Wolf

Verkündet am: 15. Oktober 2018

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