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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 08.02.2018, Az.: IX ZB 10/18
Antrag auf Aussetzung des Verfahrens der Vollstreckbarkeitserklärung; Beschränkung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Appellationsgerichts Krakau bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde auf Maßregeln zur Sicherung auf Antrag
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 08.02.2018
Referenz: JurionRS 2018, 10498
Aktenzeichen: IX ZB 10/18
ECLI: ECLI:DE:BGH:2018:080218BIXZB10.18.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Mainz - 27.01.2017 - AZ: 3 O 35/17

OLG Koblenz - 11.01.2018 - AZ: 2 U 138/17 AVAG

Rechtsgrundlagen:

Art. 46 VO Nr. 44/2001/EG a.F.

Art. 66 Abs. 2 VO Nr. 1215/2012/EU

§ 22 Abs. 3 AVAG

BGH, 08.02.2018 - IX ZB 10/18

Redaktioneller Leitsatz:

Nach Art.46EuGVVO aF kann auf Antrag des Schuldners das Verfahren der Vollstreckbarkeitserklärung ausgesetzt werden, wenn gegen die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt worden ist. Hat der Schuldner gegen das Urteil des Appellationsgerichts Krakau eine Kassationsbeschwerde erhoben, so hat der Senat nunmehr nach pflichtgemäßem Ermessen über den Aussetzungsantrag zu entscheiden. Eine Aussetzung kommt allerdings nur in Betracht, wenn der Rechtsbehelf im Ursprungsmitgliedstaat Aussicht auf Erfolg verspricht.

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, die Richter Prof. Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring
am 8. Februar 2018 beschlossen:

Tenor:

Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Appellationsgerichts Krakau vom 22. Dezember 2016 (I Aca 1080/16) darf bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 11. Januar 2018 nicht über Maßregeln zur Sicherung hinausgehen.

Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens der Klauselerteilung hinsichtlich des vorbezeichneten Urteils des Appellationsgerichts Krakau vom 22. Dezember 2016 wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

Durch Urteil des Appellationsgerichts Krakau (Polen) vom 22. Dezember 2016 ist die Antragsgegnerin zur Abgabe einer auf ihrer Internetseite zu veröffentlichenden Entschuldigung verurteilt worden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Nach Darstellung der Antragsgegnerin hat das Polnische Oberste Gericht die von ihr, der Antragsgegnerin, eingelegte Kassationsbeschwerde zugelassen und zur Untersuchung in einer mündlichen Verhandlung überwiesen.

2

Der Antragsteller hat beantragt, das genannte Urteil des Appellationsgerichts Krakau im Inland für vollstreckbar zu erklären. Das Landgericht hat antragsgemäß entschieden. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist erfolglos geblieben. Das Beschwerdegericht hat die Zwangsvollstreckung bis zum Ablauf der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde auf Sicherungsmaßregeln beschränkt. Eine Aussetzung des Verfahrens wegen der Kassationsbeschwerde hat das Beschwerdegericht abgelehnt. Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerde will die Antragsgegnerin die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Abweisung des Antrags auf Vollstreckbarkeitserklärung erreichen. Sie beantragt vorab, das Verfahren der Klauselerteilung auszusetzen sowie anzuordnen, dass bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil nicht über Maßregeln zur Sicherung hinausgehen darf.

II.

3

Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens der Vollstreckbarkeitserklärung bleibt ohne Erfolg.

4

1. Grundlage der Entscheidung über den Aussetzungsantrag ist Art. 46 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (EuGVVO aF). Die Klage des Antragstellers ist im Jahr 2014 eingereicht worden. Gemäß Art. 66 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) gilt deshalb noch die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000. Daneben sind die Vorschriften des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes vom 19. Februar 2001 in der Fassung vom 30. November 2015 (BGBl. I S. 2146, AVAG) anzuwenden. Zwar verweist § 1 AVAG nicht mehr auf die EuGVVO aF. Die dadurch entstandene unbeabsichtigte Regelungslücke - es gibt keine Ausführungsvorschriften mehr für Verfahren alten Rechts - ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch eine analoge Anwendung der Vorschriften des AVAG zu schließen (BGH, Beschluss vom 17. Mai 2017 - VII ZB 64/15, WM 2017, 1261 Rn. 13; vom 31. Mai 2017 - VII ZB 2/17, WM 2017, 1422 Rn. 5; jeweils mwN).

5

2. Nach Art. 46 EuGVVO aF kann auf Antrag des Schuldners das Verfahren der Vollstreckbarkeitserklärung ausgesetzt werden, wenn gegen die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt worden ist. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Antragsgegnerin hat gegen das Urteil des Appellationsgerichts Krakau eine Kassationsbeschwerde erhoben. Der Senat hat nunmehr nach pflichtgemäßem Ermessen über den Aussetzungsantrag zu entscheiden. Der Umstand, dass ein Rechtsbehelf eingelegt worden ist, rechtfertigt für sich genommen noch nicht die Aussetzung des Verfahrens über die Vollstreckbarkeitserklärung; denn Art. 38 Abs. 1 EuGVVO aF lässt ebenso wie Art. 39 EuGVVO und wie früher Art. 31 des Brüsseler Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) eine Vollstreckbarkeitserklärung nicht rechtskräftiger Entscheidungen grundsätzlich zu (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 1991 - C - 183/90, juris, Rn. 28 f zu Art. 38 EuGVÜ; vgl. auch MünchKomm-ZPO/Gottwald, 5. Aufl., Art. 51 VO (EU) 1215/2012 Rn. 1). Eine Aussetzung kommt deshalb nur in Ausnahmefällen in Betracht, insbesondere dann, wenn der Rechtsbehelf im Ursprungsmitgliedstaat Aussicht auf Erfolg verspricht. Da die Entscheidung, die vollstreckt werden soll, vom Gericht des Vollstreckungsstaates aber keinesfalls in der Sache nachgeprüft werden darf (Art. 36 EuGVVO aF, Art. 52 EuGVVO, Art. 34 Abs. 3 EuGVÜ), kann die Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs nicht mit Umständen begründet werden, die schon Gegenstand der Verhandlung vor dem Gericht des Ausgangsstaates waren (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 1991 - C - 183/90, juris, Rn. 32 zu Art. 38 EuGVÜ; BGH, Beschluss vom 21. April 1994 - IX ZB 8/94, NJW 1994, 2156, 2157 zu Art. 38 Abs. 1 EuGVÜ; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 46 EuGVO Rn. 5; Saenger/Dörner, ZPO, 7. Aufl., Art. 51 EuGVVO Rn. 5; krit. Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 46 EuGVVO Rn. 18 ff; Stein/Jonas/Oberhammer, ZPO, 22. Aufl., Art. 46 EuGVVO Rn. 9). Neue, im bisherigen Rechtsstreit vor den polnischen Gerichten noch nicht vorgetragene Umstände, die nach polnischem Recht eine Aufhebung des Urteils des Appellationsgerichts Krakau erwarten lassen, weist die Begründung der Rechtsbeschwerde und des Aussetzungsantrags nicht nach.

III.

6

Auf Antrag der Antragsgegnerin wird die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Appellationsgerichts Krakau vom 22. Dezember 2016 bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde gemäß § 22 Abs. 3 AVAG auf Maßregeln zur Sicherung beschränkt. Die Antragsgegnerin hat dargelegt, dass eine weitergehende Vollstreckung für sie einen nicht zu ersetzenden Nachteil mit sich bringen würde. Die Verurteilung ist auf die Veröffentlichung einer vorformulierten Entschuldigung gerichtet. Eine Vollstreckung würde bedeuten, dass die Antragsgegnerin diese Erklärung veröffentlichen müsste, bevor der Senat über die Frage der Vollstreckbarkeit im Inland entschieden hat. Die nach § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte sowie fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin ist nicht offensichtlich aussichtslos (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 17. Juni 2009 - XII ZB 82/09, FamRZ 2009, 1402 Rn. 8 mwN).

Kayser

Lohmann

Pape

Grupp

Möhring

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