Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Urt. v. 06.04.2016, Az.: VIII ZR 324/12
Preisänderungsrecht des Gasversorgers in der Grundversorgung von Haushaltskunden bei auf unbestimmte Dauer angelegten Lieferungsverträgen; Ergänzende Auslegung eines Energielieferungsvertrages; Berücksichtigung von Kostensenkungen und Kostenerhöhungen bei einer Tarifanpassung durch den Grundversorger
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 06.04.2016
Referenz: JurionRS 2016, 14515
Aktenzeichen: VIII ZR 324/12
ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:060416UVIIIZR324.12.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Delmenhorst - 10.01.2012 - AZ: 46 C 6089/11 (XI)

LG Oldenburg - 13.09.2012 - AZ: 9 S 99/12

BGH, 06.04.2016 - VIII ZR 324/12

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Dem Gasversorger steht in der Grundversorgung von Haushaltskunden bei auf unbestimmte Dauer angelegten Lieferungsverträgen ein Preisänderungsrecht (nur) in engen Grenzen zu. Der Grundversorger ist berechtigt, Steigerungen seiner (Bezugs-)Kosten, soweit diese nicht durch Kostensenkungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden, während der Vertragslaufzeit an seine Kunden weiterzugeben, und er ist verpflichtet, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der nach dieser Maßgabe berechtigterweise erhöhte Preis wird zum vereinbarten Preis. Von dem Preisänderungsrecht werden Preiserhöhungen, die über die bloße Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen hinausgehen und der Erzielung eines (zusätzlichen) Gewinns dienen, nicht erfasst.

  2. 2.

    Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Kunde die Preiserhöhung nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat. Dies gilt sowohl im Falle der Rückforderung als auch im Falle der Restforderung von Entgelt für Energielieferungen und hat zur Folge, dass an die Stelle des wegen der Unwirksamkeit oder der unwirksamen Einbeziehung der Preisanpassungsklausel auf dem Niveau bei Vertragsschluss verharrenden (Anfangs-) Preises nun die letzte Preiserhöhung des Versorgungsunternehmens tritt, der der Kunde nicht rechtzeitig widersprochen hat, mithin der danach maßgebliche Preis endgültig an die Stelle des Anfangspreises tritt. Dies gilt auch für den Tarifkundenbereich.

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 14. März 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider, die Richterin Dr. Fetzer und den Richter Dr. Bünger
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 13. September 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin, ein regionales Energieversorgungsunternehmen, lieferte an die Beklagten im Rahmen der Grundversorgung für zwei in D. gelegene Immobilien von 1985 (Objekt 1) beziehungsweise 1992 (Objekt 2) bis zum Vertragsende am 28. Februar 2010 leitungsgebunden Erdgas.

2

Mit Schreiben vom 12. September 2008 widersprachen die Beklagten den von der Klägerin verlangten Preisen und beanstandeten insbesondere die von der Klägerin bis dahin vorgenommenen und künftig noch vorzunehmenden Preiserhöhungen als unbillig.

3

Für den Zeitraum vom 15. August 2007 bis zum 28. Februar 2010 errechnete die Klägerin für die beiden versorgten Objekte unter Berücksichtigung der von ihr in diesem Zeitraum vorgenommenen Preiserhöhungen Zahlungsrückstände der Beklagten von 1.607,82 € (Objekt 1) und von 1.863,19 € (Objekt 2).

4

Von diesen Zahlungsrückständen nimmt die Klägerin die Beklagten im Wege der (Teil-)Klage auf Zahlung von 1.212,01 € (Objekt 1) und 1.398,58 € (Objekt 2), jeweils nebst Zinsen, in Anspruch. Bei der Berechnung dieser Forderungen legt sie den bis zum 30. September 2007 geltenden Arbeitspreis von 4,47 Cent/kWh netto und nicht die danach erfolgten Preiserhöhungen zugrunde. Sie vertritt hierzu die Auffassung, jedenfalls dieser Arbeitspreis sei zum vereinbarten Preis geworden, weil die Beklagten dieser Preisbemessung nicht zeitnah, sondern erst mit Schreiben vom 12. September 2008 widersprochen hätten.

5

Die Klage hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

6

Der Senat hat das vorliegende Verfahren mit Beschluss vom 23. April 2013 gemäß § 148 ZPO analog im Hinblick auf das beim Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) damals aufgrund des Vorlagebeschlusses des Senats gemäß Art. 267 AEUV im Verfahren VIII ZR 71/10 anhängige Verfahren C-359/11 ausgesetzt. In diesem Verfahren ist am 23. Oktober 2014 die Entscheidung des Gerichtshofs ergangen (C-359/11 und C-400/11, NJW 2015, 849 [EuGH 23.10.2014 - C-359/11; C-400/11] - Schulz und Egbringhoff).

Entscheidungsgründe

7

Die Revision hat Erfolg.

I.

8

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

9

Der Klägerin habe auf der Grundlage von § 4 AVBGasV beziehungsweise von § 5 Abs. 2 GasGVV das Recht zugestanden, den Grundversorgungstarif einseitig zu ändern. Sollten sich die genannten Vorschriften in Folge mangelnder Transparenz als unionsrechtswidrig erweisen, hätte die Klägerin dennoch Anspruch auf die klageweise geltend gemachten Beträge. Denn in diesem Fall bestünde - ebenso wie es der Bundesgerichtshof bereits im (Norm-) Sonderkundenbereich angenommen habe - auch im Grundversorgungsverhältnis, in dem sich der Versorger seiner Lieferverpflichtung nach § 36 Abs. 1 EnWG nicht durch Kündigung entziehen könne, eine Regelungslücke im Energielieferungsvertrag, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) dahingehend geschlossen werden müsste, dass die Parteien vereinbart hätten, dem Grundversorger ein nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) bestehendes einseitiges Preisänderungsrecht einzuräumen.

10

Der zum 30. September 2007 geltende Arbeitspreis, den die Klägerin ihren Forderungen zugrunde lege, könne indes nicht mehr auf seine Billigkeit hin überprüft werden, da die Beklagten den danach erfolgten Preisänderungen der Klägerin erstmals mit Schreiben vom 12. September 2008 widersprochen und dort die Unbilligkeit der Preisbemessung gerügt hätten. Aufgrund dessen sei der zum 30. September 2007 geltende Preis von 4,47 Cent/kWh netto zum vereinbarten Preis geworden, der einer gerichtlichen Überprüfung nicht mehr zugänglich sei.

II.

11

Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung nicht geleisteter Entgelte für Gaslieferungen im Zeitraum vom 15. August 2007 bis zum 28. Februar 2010 nicht bejaht werden.

12

Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, die Beklagten könnten deswegen eine gerichtliche Billigkeitskontrolle des zum 30. September 2007 geltenden Arbeitspreises von 4,47 Cent/kWh netto - auf dessen Grundlage die Klägerin die Klageforderungen berechnet - nicht (mehr) verlangen, weil dieser von der Klägerin in Ausübung eines ihr zustehenden einseitigen Preisänderungsrechts bestimmte Preis zum vereinbarten Preis geworden sei. Denn das Berufungsgericht ist auf der Grundlage der bisher von ihm getroffenen Feststellungen zu Unrecht davon ausgegangen, die Klägerin habe den ihrer Berechnung zugrundliegenden Arbeitspreis von 4,47 Cent/kWh netto aufgrund eines ihr zustehenden einseitigen Preisänderungsrechts bestimmt.

13

1. Soweit das Berufungsgericht in seiner Hauptbegründung das Recht der Klägerin auf einseitige Änderung des Grundversorgungstarifs § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV beziehungsweise § 5 Abs. 2 GasGVV (in der bis zum 29. Oktober 2014 geltenden Fassung vom 26. Oktober 2006 [BGBl. I S. 2391], im Folgenden GasGVV aF) entnimmt, trifft dies nicht zu. Denn die dahingehende Auslegung der genannten Vorschriften der nationalen Gasversorgungsverordnungen kann für die - auch hier in Rede stehende - Zeit ab dem Ablauf der Umsetzungsfrist der Gas-Richtlinie 2003/55/EG (1. Juli 2004) nicht mehr aufrecht erhalten werden, weil eine solche Auslegung nicht mit den Transparenzanforderungen der genannten Richtlinie vereinbar wäre.

14

a) Der Senat hat allerdings in seiner früheren ständigen Rechtsprechung § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV beziehungsweise § 5 Abs. 2 GasGVV aF ein nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) bestehendes Preisänderungsrecht des Gasgrundversorgers entnommen (vgl. nur Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 14 ff.; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 26; ebenso BGH, Urteil vom 29. April 2008 - KZR 2/07, BGHZ 176, 244 Rn. 26, 29).

15

b) Indes hat der Senat nunmehr im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2014 (C-359/11 und C-400/11, aaO) entschieden, dass § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV beziehungsweise § 5 Abs. 2 GasGVV aF ein Preisänderungsrecht nicht entnommen werden kann, weil eine solche Annahme nicht mit den Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie 2003/55/EG (aufgehoben zum 3. März 2011 durch Art. 53 der Gas-Richtlinie 2009/73/EG) zu vereinbaren ist (Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, ZIP 2015, 2226 Rn. 33, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen, und VIII ZR 13/12, Rn. 35).

16

c) Darüber hinaus hat der Senat in diesen Urteilen die Möglichkeit einer richtlinienkonformen Auslegung von § 4 Abs.1, 2 AVBGasV beziehungsweise § 5 Abs. 2 GasGVV aF verneint, weil eine solche Auslegung dem Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers des Jahres 2006 nicht entspräche (Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 34 ff., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 36 ff.; ebenso Senatsurteile vom 9. Dezember 2015 - VIII ZR 236/12, und VIII ZR 208/12, [...]; jeweils Rn. 20).

17

d) Auch eine unmittelbare Anwendung der Gas-Richtlinie 2003/55/EG kommt im Streitfall nicht in Betracht. Wie der Senat in den Urteilen vom 28. Oktober 2015 (VIII ZR 158/11, aaO Rn. 62 ff., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 64 ff.; ebenso Senatsurteile vom 9. Dezember 2015 - VIII ZR 236/12, aaO, und VIII ZR 208/12, aaO; jeweils Rn. 21) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgeführt hat, kann sich der Einzelne im privatrechtlichen Vertragsverhältnis nur in den Fällen unmittelbar auf die Bestimmungen einer - wie hier - nicht oder unzulänglich in nationales Recht umgesetzten Richtlinie berufen, in denen sein Vertragspartner eine Organisation oder Einrichtung ist, die dem Staat oder dessen Aufsicht untersteht oder mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten. Das Berufungsgericht hat im Streitfall jedoch weder festgestellt noch ist es sonst ersichtlich, dass es sich bei der Beklagten um eine derartige - dem Staat zuzurechnende (vgl. Senatsurteile vom 9. Dezember 2015 - VIII ZR 236/12, aaO, und VIII ZR 208/12, aaO; jeweils mwN) - Organisation oder Einrichtung handelt. Übergangenen Sachvortrag zeigt die Revision nicht auf.

18

2. Soweit das Berufungsgericht in seiner Hilfsbegründung ausführt, dem Energieversorger, der - wie die Klägerin - nach § 36 Abs. 1 EnWG verpflichtet sei, Gas in der Grundversorgung zu liefern, stehe ein einseitiges Preisänderungsrecht jedenfalls in ergänzender Auslegung des Energielieferungsvertrags zu, trifft dies zwar im gedanklichen Ansatz, nicht jedoch in dem vom Berufungsgericht angenommenen Umfang des Preisänderungsrechts zu.

19

a) Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils in den Urteilen vom 28. Oktober 2015 (VIII ZR 158/11, aaO Rn. 66 ff., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 68 ff.) für Gaslieferungsverträge entschieden hat, steht dem Gasversorger in der Grundversorgung von Haushaltskunden bei - wie hier - auf unbestimmte Dauer angelegten Lieferungsverträgen ein Preisänderungsrecht (nur) in engen Grenzen zu. Denn aus der gebotenen und an dem objektiv zu ermittelnden hypothetischen Willen der Vertragsparteien auszurichtenden ergänzenden Auslegung (§§ 157, 133 BGB) eines auf unbestimmte Dauer angelegten Energielieferungsvertrags ergibt sich, dass der Grundversorger berechtigt ist, Steigerungen seiner (Bezugs-)Kosten, soweit diese nicht durch Kostensenkungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden, während der Vertragslaufzeit an seine Kunden weiterzugeben, und er verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der nach dieser Maßgabe berechtigterweise erhöhte Preis wird zum vereinbarten Preis (Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 84, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 86; vom 9. Dezember 2015 - VIII ZR 236/12, aaO, und VIII ZR 208/12, aaO; jeweils Rn. 22 f.). Anders als es das Berufungsgericht offenbar annimmt, werden von dem Preisänderungsrecht Preiserhöhungen, die über die bloße Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen hinausgehen und der Erzielung eines (zusätzlichen) Gewinns dienen, nicht erfasst (Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 85, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 87).

20

b) Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Kunde die Preiserhöhung nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat (Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO, und VIII ZR 13/12, aaO; jeweils mwN). Der Senat hat bereits früher für den Bereich langjährig bestehender (Norm-)Sonderkundenverträge entschieden, dass in den Fällen, in denen der Kunde (unwirksamen) Preiserhöhungen über einen längeren Zeitraum hinweg nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht, die durch die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel oder deren unwirksame Einbeziehung entstandene Regelungslücke regelmäßig im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahin zu füllen ist, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat (Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372 Rn. 21, 25, und VIII ZR 93/11, ZNER 2012, 265 Rn. 30; vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, BGHZ 205, 43 Rn. 37 mwN).

21

Dies gilt sowohl im Falle der Rückforderung als auch im Falle der Restforderung von Entgelt für Energielieferungen (Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 93/11, aaO Rn. 29; vom 25. März 2015 - VIII ZR 360/13, Rn. 33, und VIII ZR 109/14, [...] Rn. 34) und hat zur Folge, dass an die Stelle des wegen der Unwirksamkeit oder der unwirksamen Einbeziehung der Preisanpassungsklausel auf dem Niveau bei Vertragsschluss verharrenden (Anfangs-) Preises nun die letzte Preiserhöhung des Versorgungsunternehmens tritt, der der Kunde nicht rechtzeitig widersprochen hat, mithin der danach maßgebliche Preis endgültig an die Stelle des Anfangspreises tritt (Senatsurteil vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO). In den Urteilen vom 28. Oktober 2015 (VIII ZR 158/11, aaO Rn. 88, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 90) hat der Senat diese Rechtsprechung auf den Tarifkundenbereich übertragen. Denn es besteht kein sachlicher Grund, den Grundversorger insoweit anders zu behandeln als den Energieversorger im (Norm-)Sonderkundenbereich.

22

c) Ausgehend hiervon kommt es im Streitfall darauf an, ob die Klägerin den der Klageforderung zugrundeliegenden und bis zum 30. September 2007 geltenden Preis von 4,47 Cent/kWh netto in Ausübung eines den oben (unter II 2 a, b) dargelegten Maßstäben gerecht werdenden einseitigen Preisänderungsrechts bestimmt hat. Dies kann auf der Grundlage der bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden. Für eine zusätzliche Billigkeitsprüfung nach § 315 Abs. 3 BGB ist kein Raum (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 89, 100, 105, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 100, 102, 107).

23

3. Entgegen der Auffassung der Revision besteht keine Veranlassung, den Rechtsstreit nach Art. 267 Abs. 1 bis 3 AEUV dem Gerichtshof erneut zur Auslegung des Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie 2003/55/EG im Hinblick darauf vorzulegen, ob die darin enthaltenen Transparenzanforderungen dahingehend auszulegen sind, dass die vom Senat im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2014 (C-359/11 und C-400/11, aaO) in den oben genannten Urteilen vom 28. Oktober 2015 (VIII ZR 158/11, aaO Rn. 66 ff., 83, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 68 ff., 85) vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung den Anforderungen an das erforderliche Maß an Transparenz genügt. Die gegenteilige Auffassung der Revision geht aus mehreren Gründen fehl.

24

a) Die Auslegung des Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der GasRichtlinie 2003/55/EG ist, soweit für die Beurteilung des vorliegenden Falles von Bedeutung, durch das genannte Urteil des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2014 sowie durch die ebenfalls auf Vorlage des Senats ergangene Entscheidung des Gerichtshofs vom 21. März 2013 (C-92/11, NJW 2013, 2253 - RWE Vertrieb AG) im Sinne eines acte éclairé geklärt und hier - wie bereits in den beiden vorbezeichneten sowie in den im Anschluss hieran ergangenen weiteren Urteilen des Senats - lediglich auf den Einzelfall anzuwenden (vgl. hierzu etwa EuGH, Urteil vom 15. September 2005 - C-495/03, Slg. I-8151 Rn. 33 - Intermodal Transports; BVerfG, GmbHR 2013, 598, 600 [BVerfG 17.01.2013 - 1 BvR 121/11; 1 BvR 1295/11]; Senatsurteil vom 16. September 2015 - VIII ZR 17/15, WM 2015, 2058 Rn. 33).

25

Der Gerichtshof hat im Urteil vom 23. Oktober 2014 (C-359/11 und C-400/11, aaO Rn. 44) hervorgehoben, dass zum einen die Interessen der Kunden und das aus Art. 3 Abs. 3 der Gas-Richtlinie 2003/55/EG in Bezug auf die Transparenz folgende Erfordernis eines hohen Verbraucherschutzes, zum anderen aber auch die besondere Situation und die wirtschaftlichen Interessen der als Versorger letzter Instanz im Sinne der vorgenannten Richtlinien handelnden Gasgrundversorger insoweit zu berücksichtigen seien, als sie sich die andere Vertragspartei nicht aussuchen und den Vertrag nicht beliebig beenden könnten (vgl. hierzu Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 72 f., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 74 f.). Dementsprechend hatte der Gerichtshof bereits im Urteil vom 21. März 2013 (C-92/11, aaO Rn. 46 - RWE Vertrieb AG) ausgeführt, sowohl aus Nr. 2 Buchst. b Abs. 2 und d des Anhangs der Richtlinie 93/13/EWG [Klausel-Richtlinie] als auch aus Anhang A Buchst. b der Gas-Richtlinie 2003/55/EG ergebe sich, dass der Unionsgesetzgeber im Rahmen von unbefristeten Verträgen wie Gaslieferungsverträgen das Bestehen eines berechtigten Interesses des Versorgungsunternehmens an der Möglichkeit einer Änderung der Entgelte für seine Leistung anerkannt habe (vgl. hierzu Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 76, 79, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 78, 81).

26

Die vorbezeichneten rechtlich geschützten Interessen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen, ist - wovon ersichtlich auch der Gerichtshof ausgeht - Aufgabe des nationalen Rechts. Die vom Senat auf dieser Grundlage in den Urteilen vom 28. Oktober 2015 für die Gasgrundversorgung vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung nimmt diesen Ausgleich vor und trägt zugleich dem Ziel sowohl des nationalen als auch des europäischen Energiewirtschaftsrechts Rechnung, eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten (siehe hierzu Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 76 ff., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 78 ff.; jeweils mwN). Sowohl das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung bei unbefristeten Energielieferungsverträgen der Grundversorgung als auch die Sicherheit der Energieversorgung, bei der es sich um ein Gemeinschaftsinteresse höchsten Ranges handelt (BVerfGE 30, 292, 323 f. [BVerfG 16.03.1971 - 1 BvR 52, 665, 667, 754/66] mwN; Busche in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1, Halbband 2, 3. Aufl., § 36 EnWG Rn. 1), wären gefährdet, wenn der Grundversorger nicht berechtigt wäre, Steigerungen der eigenen (Bezugs-)Kosten während der Vertragslaufzeit an den Kunden weiterzugeben (siehe hierzu Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 72 ff., 79, 82, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 74 ff., 81, 84; jeweils mwN).

27

b) Einer erneuten Vorlage an den Gerichtshof bedarf es zudem auch deshalb nicht, weil nach den vom Senat in den Urteilen vom 28. Oktober 2015 (VIII ZR 158/11, aaO Rn. 34 ff., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 36 ff.) aufgezeigten Grundsätzen eine richtlinienkonforme Auslegung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV und des § 5 Abs. 2 GasGVV aF nicht in Betracht kommt.

28

Aufgrund dieses - ausschließlich der Beurteilung des nationalen Gerichts unterliegenden (vgl. nur EuGH, Urteil vom 27. Februar 2014 - C-351/12, GRUR 2014, 473 Rn. 35 mwN - OSA, sowie die Schlussanträge der Generalanwältin im Vorabentscheidungsverfahren C-135/10, Rn. 153 - SCF Consorzio Fonografici) - Umstands ist der Senat angesichts der durch das nationale Recht gezogenen Grenzen schon mangels Entscheidungserheblichkeit der (weiteren) Auslegung des Unionsrechts nicht zu einer (erneuten) Vorlage an den Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 1 bis 3 AEUV gehalten (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juni 2011 - C-65/09 und C-87/09, Slg. 2011 I-5257 - Gebr. Weber und Putz; BVerfG, GmbHR 2013, 598, 601 [BVerfG 17.01.2013 - 1 BvR 121/11; 1 BvR 1295/11]; BGH, Urteil vom 6. Oktober 2015 - KZR 17/14, GRUR 2016, 304 Rn. 68; Schlussanträge der Generalanwältin in den Vorabentscheidungsverfahren C-510/10, Rn. 26 - DR und TV2 Danmark, und C-135/10, aaO - SCF Consorzio Fonografici), zumal - wie der Senat ebenfalls entschieden hat - auch eine unmittelbare Anwendung der Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie 2003/55/EG auf den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 62 ff., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 64 ff.).

III.

29

Nach allem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.

30

Aufgrund des Widerspruchs der Beklagten vom 12. September 2008 gegen die bis dahin von der Klägerin vorgenommenen Preisänderungen wird das Berufungsgericht - gegebenenfalls unter Berücksichtigung ergänzenden Sachvortrags der Parteien hierzu - zu prüfen haben, ob sämtliche vom Widerspruch erfassten Preisbestimmungen der Klägerin bis hin zu dem der Klageforderung zugrundliegenden Arbeitspreis von 4,47 Cent/kWh netto unter Beachtung der oben (unter II 2, a, b) dargestellten Grundsätze erfolgt sind. Dabei sind alle einseitigen Preisbestimmungen der Klägerin in den Blick zu nehmen, die von Jahresrechnungen erfasst werden, die den Beklagten im Zeitraum vom 12. September 2005 bis zum 30. September 2007 zugegangen sind.

Dr. Milger

Dr. Achilles

Dr. Schneider

Dr. Fetzer

Dr. Bünger

Von Rechts wegen

Verkündet am: 6. April 2016

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.