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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 16.03.2016, Az.: XII ZB 685/13
Voraussetzungen für die Bewilligung einer erhöhten Betreuervergütung; Erwerb von nutzbaren Fachkenntnissen für die Betreuung; Bewertung der konkreten Ausbildung des Betreuers im Einzelfall
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 16.03.2016
Referenz: JurionRS 2016, 14501
Aktenzeichen: XII ZB 685/13
ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:160316BXIIZB685.13.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Aue - 19.01.2012 - AZ: 2 XVII 43/11

LG Chemnitz - 14.10.2013 - AZ: 3 T 106/12

Fundstelle:

FamRZ 2016, 1072

BGH, 16.03.2016 - XII ZB 685/13

Redaktioneller Leitsatz:

Die Ausbildung eines Betreuers zum Diplomjurist der DDR rechtfertigt keinen nach § 4 Abs. 1 S. 2 VBVG erhöhten Stundensatz, weil mit dem Studium keine für die Betreuung nutzbaren Fachkenntnisse erworben worden.

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. März 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Guhling
beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 14. Oktober 2013 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

Wert: 624 €

Gründe

1

Die Rechtsbeschwerde, mit der der Beteiligte (im Folgenden: Betreuer) für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2011 die Festsetzung einer Betreuervergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes von 44 € statt der vom Beschwerdegericht zuerkannten 27 € erstrebt, ist unbegründet. Die angegriffene Entscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden.

2

1. Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, der vom Betreuer im Jahr 1989 an der Juristischen Hochschule Potsdam erworbene Studienabschluss als Diplomjurist der DDR sowie sein 1991 erfolgreich abgeschlossenes Umschulungsstudium mit dem erreichten Fachabschluss auf dem Gebiet Unternehmensführung/Management rechtfertigten gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG den höchsten Stundensatz von 44 €.

3

Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, die gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG die Bewilligung einer erhöhten Vergütung rechtfertigen, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (Senatsbeschluss vom 25. März 2015 - XII ZB 558/14 - BtPrax 2015, 155 mwN).

4

Einer solchen Überprüfung hält die tatrichterliche Würdigung des Beschwerdegerichts stand, wonach - unter Berücksichtigung der Ausführungen des Senats, der eine frühere Beschwerdeentscheidung in dieser Sache aufgehoben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückverwiesen hat (Senatsbeschluss vom 10. April 2013 - XII ZB 349/12 - FamRZ 2013, 1029 Rn. 12 ff.) die Ausbildung des Betreuers zum Diplomjurist der DDR zwar ein Hochschulstudium darstellt, der Betreuer hierdurch jedoch keine für die Betreuung nutzbaren Fachkenntnisse erworben hat, und das Umschulungsstudium sowie die Fortbildungsmaßnahmen des Betreuers einem Hochschulstudium nicht vergleichbar sind.

5

Nach Sinn und Zweck des § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG ist ein erhöhter Stundensatz nicht bereits gerechtfertigt, wenn die Ausbildung gleichsam am Rande auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat. Erforderlich ist vielmehr, dass sie in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist. Davon ist auszugehen, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet ist und dadurch das erworbene betreuungsrelevante Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht (Senatsbeschluss vom 25. März 2015 - XII ZB 558/14 - BtPrax 2015, 155 mwN). Bei der Würdigung darf nicht auf die Bezeichnung des Berufs oder der Ausbildung abgestellt werden, sondern es ist jeweils im Einzelfall die konkrete Ausbildung des Betreuers zu bewerten (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Juli 2015 - XII ZB 123/14 - FamRZ 2015, 1794 Rn. 5).

6

Das Beschwerdegericht hat hierzu festgestellt, dass das Studium an der Juristischen Hochschule Potsdam im Wesentlichen aus den Rechtsfächern Staatsrecht, Strafrecht, Strafverfahrensrecht und Völkerrecht sowie weiterhin aus den Fächern Marxistisch-Leninistische Philosophie, Politische Ökonomie, Wissenschaftlicher Sozialismus, Staats- und Rechtsgeschichte, System der Rechtspflege der DDR, Staatsrecht bürgerlicher Staaten, Außen- und Rechtspolitik bürgerlicher Staaten, Kriminalistik sowie pädagogische und psychologische Grundfragen der staatlichen Leitung bestanden habe, die nicht der Vermittlung von Fachkenntnissen gedient hätten, die dem Betreuer seine Tätigkeit erleichterten; eine Ausbildung im Fachbereich Psychologie sei nicht dem Kernbereich des Studiums zuzuordnen.

7

Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zu Unrecht beanstandet die Rechtsbeschwerde die fehlende Berücksichtigung der Inhalte des Umschulungsstudiums durch das Beschwerdegericht. Das Umschulungsstudium stellt eine Zusatzausbildung zum abgeschlossenen Hochschulstudium dar, die gesondert zu betrachten ist; eine Gesamtschau aller Ausbildungen ist gerade nicht vorzunehmen (vgl. Senatsbeschluss vom 10. April 2013 - XII ZB 349/12 FamRZ 2013, 1029 Rn. 19 mwN). Soweit die Rechtsbeschwerde auf die im Studium erworbenen Fähigkeiten wie methodisches Denken und schnelle Einarbeitung in andere Fachgebiete abstellt, handelt es sich um Grundfertigkeiten, die nicht den Kernbereich des Studiums betreffen, sondern gleichsam am Rande der Ausbildung erworben werden (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Juli 2015 - XII ZB 123/14 - FamRZ 2015, 1794 Rn. 5). Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde stellt das Beschwerdegericht auch zu Recht darauf ab, dass gerade Zivilrecht nicht unterrichtet wurde und Verwaltungsrecht nicht Bestandteil der Abschlussprüfung war, also untergeordnete Bedeutung hatte. Vor allem in diesen Rechtsbereichen erfolgt aber ein wesentlicher Teil der Tätigkeit des Betreuers, während Fragen des Staats- und Völkerrechts nicht und des Strafrechts nur im Ausnahmefall für die Betreuung nützlich sind.

8

Ebenfalls ohne Rechtsfehler stellt das Beschwerdegericht - wie vom Senat schon bei der Überprüfung der ersten Beschwerdeentscheidung gebilligt (Senatsbeschluss vom 10. April 2013 - XII ZB 349/12 - FamRZ 2013, 1029 Rn. 19) - fest, dass weder das Umschulungsstudium noch die übrigen Fortbildungen des Betreuers für sich genommen nach Art und Umfang einem Hochschulstudium entsprechen.

9

2. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Dose

Weber-Monecke

Klinkhammer

Günter

Guhling

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