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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 11.02.2016, Az.: V ZB 182/14
Rechtsbeschwerde gegen die Neuanordnung einer Zwangsverwaltung; Beschlagnahme von Grundstücken vor der Insolvenzeröffnung; Ausschluss neuer Sachanträge im Rechtsbeschwerdeverfahren
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 11.02.2016
Referenz: JurionRS 2016, 14788
Aktenzeichen: V ZB 182/14
ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:110216BVZB182.14.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Kiel - 10.06.2014 - AZ: 22 L 5/14

LG Kiel - 28.08.2014 - AZ: 13 T 59/14

BGH, 11.02.2016 - V ZB 182/14

Redaktioneller Leitsatz:

1.

Nach § 577 Abs. 2 S. 1, § 559 Abs. 1 ZPO sind neue Sachanträge im Rechtsbeschwerdeverfahren ausgeschlossen.

2.

Eine aufgehobene Vollstreckungsmaßnahme ist grundsätzlich endgültig beseitigt und lebt auch bei Wegfall des Aufhebungsbeschlusses nicht wieder auf.

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Februar 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richter Dr. Czub, Dr. Kazele und Dr. Göbel
beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 28. August 2014 wird auf Kosten der Gläubigerin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 50.000 € für die Gerichtskosten und für die anwaltliche Vertretung der Beteiligten zu 3 sowie 925.118,74 € für die anwaltliche Vertretung der Gläubigerin und der Schuldnerin.

Gründe

I.

1

Die Schuldnerin ist Eigentümerin der in dem Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundstücke. Diese sind mit einer am 26. Oktober 1990 in die Grundbücher jeweils in Abteilung III Nr. 2 eingetragenen Gesamtgrundschuld über 100.000 DM und mit einer im Jahr 1995 jeweils in Abteilung III Nr. 15 eingetragenen Gesamtgrundschuld über 1.000.000 DM belastet. Inhaberin der Grundschulden ist nunmehr die Gläubigerin. Im Jahr 2002 wurde zugunsten der Beteiligten zu 3 ein Nießbrauch in die Grundbücher eingetragen.

2

Mit Beschluss vom 5. August 2010 ließ das Amtsgericht den Beitritt der Gläubigerin aus dem jeweils in Abteilung III Nr. 15 der Grundbücher eingetragenen Gesamtrecht zu einem aus dem jeweils in Abteilung III Nr. 2 eingetragenen Gesamtrecht betriebenen Zwangsverwaltungsverfahren zu. Ferner ließ das Amtsgericht am 15. April 2011 den Beitritt der Gläubigerin aus dem jeweils in Abteilung III Nr. 2 der Grundbücher eingetragenen Gesamtrecht zu dem aus dem jeweils in Abteilung III Nr. 15 eingetragenen Recht betriebenen Zwangsverwaltungsverfahren zu. Das Landgericht hob diese Beschlüsse am 4. September 2013 auf und wies die Anträge der Gläubigerin auf Zulassung des Beitritts zurück. Mit Beschluss vom 26. März 2014 (V ZB 140/13, NJW 2014, 1740) hob der Senat die Entscheidung des Landgerichts auf und wies die sofortigen Beschwerden der Schuldnerin und der Beteiligten zu 3 gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts zurück.

3

Die Gläubigerin hat daraufhin die Fortsetzung der ursprünglichen Zwangsverwaltungsverfahren verlangt. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 10. Juni 2014 auf einen hilfsweise gestellten Antrag der Gläubigerin die Zwangsverwaltung in das im Rubrum bezeichnete Grundvermögen (neu) angeordnet und einen Zwangsverwalter bestellt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist von dem Landgericht zurückgewiesen worden.

4

Nachdem das Eigentum an den Grundstücken durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung auf einen Dritten übergegangen und die Zwangsverwaltung aufgehoben worden ist, will die Gläubigerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde die Feststellung erreichen, dass die Beschlagnahme der beiden Grundstücke seit dem 5. August 2010 bestanden hat. Die Schuldnerin hat ebenso wie die Beteiligte zu 3 die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt.

5

Über das Vermögen der Beteiligten zu 3 ist am 1. August 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beteiligte zu 4 zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

II.

6

Das Beschwerdegericht meint, das Amtsgericht habe zu Recht die Zwangsverwaltung neu angeordnet. Die frühere Beschlagnahme sei durch die Aufhebung der Beitrittsbeschlüsse seitens des Landgerichts beendet worden. Dessen Entscheidung sei sofort wirksam geworden, da einer Rechtsbeschwerde keine aufschiebende Wirkung zukomme. Die einmal erloschene Beschlagnahme lebe nicht wieder auf, auch wenn die aufhebende Entscheidung ihrerseits aufgehoben werde. Das Verfahren sei vielmehr neu anzuordnen oder der Beitritt des Gläubigers erneut zuzulassen.

III.

7

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§ 575 ZPO). Sie hat keinen Erfolg.

8

1. Seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beteiligten zu 3 ist der Beteiligte zu 4 als Insolvenzverwalter an ihrer Stelle Verfahrensbeteiligter kraft Amtes (vgl. BGH, Beschluss vom 28. März 2007 - VII ZB 25/05, BGHZ 172, 16 Rn. 7; Beschluss vom 12. Dezember 2007 - VII ZB 108/06, NJW 2008, 918 Rn. 7; Urteil vom 16. Januar 1997 - IX ZR 220/96, NJW 1997, 1445). Das Verfahren ist nicht nach § 240 ZPO unterbrochen. Erfolgt die Beschlagnahme - wie hier - vor der Insolvenzeröffnung, wird das laufende Verfahren - wie § 80 Abs. 2 Satz 2 InsO, aber auch § 153b ZVG zu entnehmen ist - gegen den Insolvenzverwalter fortgesetzt (Braun/Diethmar/Schneider, InsO, 6. Aufl., § 165 Rn. 12; Jaeger/Windel, InsO, 2001, § 85 Rn. 69; MüKoInsO/Tetzlaff, 3. Aufl., § 165 Rn. 46; Uhlenbruck/Brinkmann, InsO, 14. Aufl., 2015, § 165 Rn. 30; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, 5. Aufl., Einl. Rn. 26; vgl. auch Mohrbutter, KTS 1956, 107, 108 sowie allgemein zu Zwangsvollstreckungsverfahren BGH, Beschluss vom 28. März 2007 - VII ZB 25/05, BGHZ 172, 16 Rn. 8 ff.; Beschluss vom 12. Dezember 2007 - VII ZB 108/06, NJW 2008, 918 Rn. 7). Eines entsprechenden Hinweises an den Beteiligten zu 4 und der Einräumung einer Stellungnahmefrist bedurfte es vorliegend nicht, da er durch die Entscheidung des Senats nicht beschwert wird.

9

2. Der im Rahmen der Rechtsbeschwerde neu formulierte Antrag der Gläubigerin auf Feststellung, dass die Beschlagnahme der beiden Grundstücke seit dem 5. August 2010 bestanden hat, ist unzulässig.

10

a) Aus § 577 Abs. 2 Satz 1, § 559 Abs. 1 ZPO ergibt sich der Ausschluss neuer Sachanträge im Rechtsbeschwerdeverfahren. Zwar gilt eine Ausnahme für die Fälle, in denen die Änderung nur eine Beschränkung oder Modifikation des früheren Antrags darstellt und sich auf einen Sachverhalt stützt, der vom Tatrichter bereits gewürdigt worden ist (vgl. zur Revision Senat, Urteil vom 19. Juni 1998 - V ZR 356/96, VIZ 1998, 519; BGH, Urteil vom 18. Juni 1998 - IX ZR 311/95, NJW 1998, 2969, 2970). Um einen solchen Ausnahmefall handelt es sich vorliegend aber nicht.

11

b) Entgegen der Ansicht der Gläubigerin verkörpert der Feststellungsantrag keinen Teilausschnitt des ursprünglichen Antrages auf Fortsetzung der Zwangsverwaltungsverfahren. Das mit dem ursprünglichen Antrag verfolgte Rechtsschutzziel kann nach der Aufhebung des Zwangsverwaltungsverfahrens mit Beschluss des Amtsgerichts vom 7. November 2014 wegen des Zuschlags an einen Dritten nicht mehr erreicht werden. Dieser Antrag hat sich in vollem Umfang erledigt. Dass der Zwangsverwalter in dem amtsgerichtlichen Beschluss ermächtigt wird, seine Tätigkeit u. a. zur Geltendmachung von Forderungen, die der Beschlagnahme unterliegen, fortzusetzen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Diese Ermächtigung betrifft nicht Forderungen, deren Beschlagnahme infolge der Beitrittsbeschlüsse vom 5. August 2010 und vom 15. April 2011 nach Ansicht der Gläubigerin fortbesteht. Vielmehr bezieht sich diese Ermächtigung nur auf die Geltendmachung von Forderungen, deren Beschlagnahme mit der (neuen) Anordnung des Zwangsverwaltungsverfahrens durch Beschluss vom 10. Juni 2014 erfolgt ist. Dieses Verfahren soll durch den Zwangsverwalter vollständig abgewickelt werden. Mit dem neu formulierten Antrag auf Feststellung, dass die Beschlagnahme der Grundstücke seit dem 5. August 2010 bestand, wird letztlich die Klärung der Frage angestrebt, welchem Gläubiger die im Rahmen der Zwangsverwaltung erwirtschafteten Erträge zustehen. Dies ist eine Veränderung des Streitgegenstands, für die im Rahmen der Rechtsbeschwerde kein Raum ist.

12

3. Die Rechtsbeschwerde bleibt auch ohne Erfolg, wenn der Feststellungsantrag als Erledigungserklärung der Gläubigerin verstanden wird. Die Erledigung der Hauptsache kann nicht festgestellt werden, da die Rechtsbeschwerde von Anfang an unbegründet war.

13

a) Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßnahme nicht von der formellen Rechtskraft der sie aussprechenden Entscheidung abhängt. Diese wird vielmehr sofort wirksam. Eine aufgehobene Vollstreckungsmaßnahme ist grundsätzlich endgültig beseitigt und lebt auch bei Wegfall des Aufhebungsbeschlusses nicht wieder auf. Sie kann nur neu angeordnet und vollzogen werden (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 1976 - VIII ZR 19/75, BGHZ 66, 394, 395; Beschluss vom 5. Mai 2011 - VII ZB 25/10, Rn. 4; Beschluss vom 21. Februar 2013 - VII ZB 9/11, NJW-RR 2013, 765 Rn. 7; Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 15 Rn. 5.5; Alff, ZfIR 2014, 489, 490). Etwas anderes gilt nur dann, wenn - was hier nicht geschehen ist das die Vollstreckungsmaßnahme aufhebende Gericht zugleich die Anordnung trifft, dass der Aufhebungsbeschluss erst mit seiner Rechtskraft wirksam wird (Stöber, aaO, § 15 Rn. 5.6).

14

b) Soweit die Rechtsbeschwerde darauf verweist, dass der Senat mit seinem Beschluss vom 26. März 2014 (V ZB 140/13) den Beitritt der Gläubigerin zu dem Zwangsverwaltungsverfahren erneut zugelassen habe, wodurch eine erneute Beschlagnahme des Grundstücks erfolgt sei (§ 27 Abs. 2, § 20 Abs. 1 ZVG), geht dies fehl. Der Senat hat die sofortigen Beschwerden der Schuldnerin und der Nießbrauchsberechtigten gegen die den Beitritt der Gläubigerin zulassenden Beschlüsse des Amtsgerichts zwar zurückgewiesen. Die Zulassung eines neuen Beitritts und die neue Anordnung der Zwangsverwaltung, die im Hinblick auf die damals bereits erfolgte Aufhebung eines der Zwangsverwaltungsverfahren erforderlich gewesen wäre, ist aber nicht ausgesprochen worden. Die Aufnahme dieser Anordnungen in die Entscheidungsformel ist im Hinblick auf die Förmlichkeit der Zwangsvollstreckung unabdingbar, um für die Vollstreckungsorgane und Beteiligten Klarheit und Rechtssicherheit zu schaffen. Fehlt sie, kann einem Beschluss nicht im Wege der Auslegung entnommen werden, dass das Rechtsmittelgericht eine entsprechende Anordnung treffen wollte.

IV.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Diese Vorschrift ist hier anwendbar, weil sich die Parteien bei dem Streit um die Anordnung der Zwangsverwaltung wie in einem kontradiktorischen Verfahren gegenüberstehen (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378, 381 Rn. 8; Beschluss vom 9. Februar 2011 - V ZB 85/10, Rn. 22).

16

Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die Gerichtskosten bestimmt sich nach § 47 Abs. 1 Satz 1, § 55 GKG. Die Wertfestsetzung für die anwaltliche Vertretung der Beteiligten folgt aus § 27 RVG.

Stresemann

Schmidt-Räntsch

Czub

Kazele

Göbel

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