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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 24.09.2015, Az.: V ZB 56/15
Beseitigungsbegehren eines Eigentümers eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks bzgl. eines verlegten Stromkabels; Bestimmung der Wertminderung eines Grundstücks in Anlehnung an die Rechtsprechung zu der Bemessung der Beschwer für eine Klage auf Löschung einer Grunddienstbarkeit
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 24.09.2015
Referenz: JurionRS 2015, 29020
Aktenzeichen: V ZB 56/15
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Sigmaringen - 05.12.2014 - AZ: 3 C 75/14

LG Hechingen - 30.03.2015 - AZ: 3 S 5/15

BGH, 24.09.2015 - V ZB 56/15

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. September 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. SchmidtRäntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Hechingen - 3. Zivilkammer - vom 30. März 2015 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 300 €.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist Eigentümer eines landwirtschaftlich genutzten, 4.000 qm großen Grundstücks. Die beklagte Stadt ließ im Herbst 2010 ein 20-KVStromkabel verlegen, wobei die ausführende Firma entgegen der Trassenplanung, die eine Verlegung im Bereich von städtischen Wegeflächen vorsah, eine Reihe fremder Grundstücke in Anspruch nahm. Auf dem Grundstück des Klägers ist das Kabel auf eine Länge von ca. 36 m im Abstand von bis zu zwei Metern zu dem angrenzenden städtischen Weg verlegt worden. Schon im Jahr 2008 war ein LWL-Kabel u.a. im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland ebenfalls unter nicht beabsichtigter Inanspruchnahme des Grundstücks des Klägers auf einer Länge von etwa 23 m mit einem Grenzabstand von 0,5 m verlegt worden. Die Stadtwerke der Beklagten nutzen inzwischen das für sie damals mitverlegte Leerrohr. Mit der Klage verlangt der Kläger die Beseitigung der auf seinem Grundstück verlegten Stromkabel. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Den Streitwert hat es auf 599 € festgesetzt. Das Landgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.

2

Nach Ansicht des Berufungsgerichts übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Maßgeblich für die Bemessung der Beschwer sei das nach § 3 ZPO zu ermittelnde Interesse des Klägers an der Beseitigung der Kabel. Dies entspreche der Wertminderung, die sein Grundstück durch die Kabelverlegung erleide. Als Schätzgrundlage komme - entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung für den Fall eines Wegerechts - entweder ein hälftiger Abschlag von dem Wert der betroffenen Fläche oder ein Abschlag vom Wert der Gesamtfläche zwischen 5 % und 30 % in Betracht. Im vorliegenden Fall erscheine es verfehlt, auf das gesamte, 4.000 qm große Grundstück abzustellen, da es lediglich auf einer Teilfläche von 38,12 qm betroffen sei. Dies entspreche weniger als 1 % der Gesamtfläche; außerdem befinde sich die betroffene Fläche vollständig im Grenzbereich zum angrenzenden öffentlichen Weg, an der breitesten Stelle zwei Meter von der Grenze entfernt. Das Grundstück des Klägers habe als landwirtschaftliche Nutzfläche derzeit höchstens einen Verkehrswert von 2 € je qm. Ein höherer Wert sei nicht glaubhaft gemacht worden. Damit betrage die Wertminderung 38,12 €. Dies entspreche 50 % des Wertes der betroffenen Fläche.

III.

3

Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

4

1. Sie ist zwar statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Zulässig ist sie aber nur, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.

5

2. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert, anders als der Kläger meint, eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht. Eine solche Entscheidung ist auch nicht deshalb geboten, weil das Berufungsgericht überzogene Anforderungen an die Darlegung der Beschwer gestellt und dem Kläger den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschwert hätte (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Juni 2015 - V ZB 78/14, ZWE 2015, 337 Rn. 5).

6

a) Voraussetzung dafür wäre, dass das Berufungsgericht die Grenzen seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hätte. Denn die Bemessung der Beschwer kann auch in dem Verfahren über eine aus anderen Gründen zulässige Rechtsbeschwerde nur in dieser Hinsicht überprüft werden (Senat, Beschluss vom 11. Juni 2015 - V ZB 78/14, ZWE 2015, 337 Rn. 7).

7

b) Dieser Prüfung hält die angefochtene Entscheidung stand.

8

aa) Maßgebend für den Beschwerdewert (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) ist das nach § 3 ZPO zu ermittelnde Interesse des Klägers an der Beseitigung der Kabel. Dieses bemisst sich grundsätzlich an der Wertminderung, die das in Anspruch genommene Grundstück durch die Kabelverlegung erleidet (Senat, Urteil vom 6. November 1998 - V ZR 48/98, Rn. 4). Die Wertminderung kann in Anlehnung an die Rechtsprechung des Senats zu der Bemessung der Beschwer für eine Klage auf Löschung einer Grunddienstbarkeit (Beschluss vom 15. Mai 2014 - V ZB2/14, NJW-RR 2014, 1297 Rn. 9) entweder durch einen hälftigen Abschlag von dem Wert der betroffenen Teilfläche oder durch einen Abschlag vom Wert der Gesamtfläche zwischen 5 % und 30 % bestimmt werden.

9

bb) Hiervon ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen und hat ermessenfehlerfrei eine über 600 € hinausgehende Beschwer des Klägers verneint.

10

(1) Ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen den Ausgangspunkt der von dem Berufungsgericht gewählten Berechnungsmethode. Da sich nach seinen Feststellungen die von den Kabeln betroffene Fläche vollständig im Grenzbereich zu dem angrenzenden öffentlichen Weg befindet und weniger als 1 % der Gesamtfläche ausmacht, ist es nicht ermessensfehlerhaft, auf die Minderung des Werts der Teilfläche und nicht auf eine Wertminderung des gesamten Grundstücks abzustellen. Dass die Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeit der nicht betroffenen Grundstücksfläche durch die Kabel beeinträchtigt wird, ist auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ersichtlich. Der Hinweis des Klägers, der exakte Verlauf der Kabel sowie deren Verlegetiefe lasse sich derzeit nicht feststellen, so dass nicht genau nachvollzogen werden könne, wie sich die Kabelverlegung auf die Nutzbarkeit und den Wert des Grundstücks insgesamt auswirke, veranlasst keine abweichende Beurteilung. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Teil des Grundstücks, in dem sich die Kabel befinden, jedenfalls räumlich durch eine maximale Entfernung von zwei Metern zu dem öffentlichen Weg und auch der Fläche nach (38,12 qm) eindeutig eingrenzbar und insoweit von dem Restgrundstück abgrenzbar. Der Umstand, dass der exakte Verlauf der Stromkabel innerhalb dieses Teilbereichs des Grundstücks möglicherweise nicht feststeht, mag Anlass geben, bei der Bemessung der Beschwer des Klägers von dem Wert der Fläche einen höheren Abschlag als 50 % vorzunehmen oder ihr gar keinen Wert beizumessen. Wird letzteres zu Gunsten des Klägers angenommen, ergäbe sich auf der Grundlage eines Verkehrswerts von 2 € je qm eine Wertminderung in Höhe von lediglich 76,24 € (2 x 38,12). Der Wert des Beschwerdegegenstandes würde auch in diesem Fall 600 € nicht übersteigen.

11

(2) Entgegen der Auffassung des Klägers ist der mögliche Kostenaufwand zur Feststellung der genauen Lage der Kabel bei der Bemessung der Beschwer nicht zusätzlich zu der Minderung der Verkehrswerts der betroffenen Teilfläche des Grundstücks zu berücksichtigen. Die Abweisung der Klage begründet keine Pflicht des Klägers, eine solche Untersuchung mit dem sich hieraus ergebenden Kostenaufwand durchführen zu lassen. Lediglich mittelbare wirtschaftliche Folgen eines Urteils bleiben bei der Bemessung der Beschwer außer Betracht (Senat, Beschluss vom 26. Juni 2008 - V ZR 155/07, ).

12

(3) Rechtlich unerheblich ist die weitere Rüge der Rechtsbeschwerde, das Berufungsgericht sei bei der Bewertung des Grundstückswerts ermessensfehlerhaft ausschließlich von durchschnittlichen Preisen für landwirtschaftliche Grundstücke ausgegangen. Es habe nicht berücksichtigt, dass von Nichtlandwirten höhere Preise gezahlt würden, so dass sich ein durchschnittlicher Wert pro Hektar in Höhe von 30.000 € ergebe. Wäre dies zutreffend, ergäbe sich ein Verkehrswert pro qm in Höhe von 3 € anstelle der vom Berufungsgericht seiner Berechnung zugrunde gelegten 2 €. Selbst bei - unterstellt - völliger Wertlosigkeit der von den Kabeln betroffenen Teilfläche von 38,12 qm führte dies zu einer Wertminderung in Höhe von lediglich 114,36 € (38,12 x 3).

IV.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Stresemann

Schmidt-Räntsch

Brückner

Göbel

Haberkamp

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