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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 30.04.2014, Az.: III ZB 37/12
Fortsetzung des Schiedsgerichtsverfahrens hinsichtlich Schiedsvereinbarungen und Schiedssprüche bei Ablehnung eines Schiedsrichters wegen Befangenheit
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 30.04.2014
Referenz: JurionRS 2014, 16107
Aktenzeichen: III ZB 37/12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OLG Frankfurt am Main - 10.05.2012 - AZ: 26 SchH 11/10

BGH - 19.09.2013 - AZ: III ZB 37/12

nachgehend:

OLG Frankfurt am Main - 18.12.2014 - AZ: 26 Sch 3/13

BGH - 03.03.2016 - AZ: I ZB 2/15

EuGH - 06.03.2018 - AZ: C-284/16

BGH - 31.10.2018 - AZ: I ZB 2/15

BGH - 24.01.2019 - AZ: I ZB 2/15

BVerfG - 23.03.2020 - AZ: 2 BvQ 6/20

Fundstelle:

SchiedsVZ 2014, 200-202

BGH, 30.04.2014 - III ZB 37/12

Redaktioneller Leitsatz:

Das Rechtsschutzinteresse für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen einen seine Zuständigkeit bejahenden Zwischenentscheid des Schiedsgerichts entfällt mit dem Erlass des Schiedsspruchs, da die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts aufgrund unwirksamer Schiedsvereinbarung dann im Verfahren auf Aufhebung oder Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs zu prüfen ist.

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. April 2014 durch den Vizepräsidenten Schlick sowie die Richter Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und Reiter

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main - 26. Zivilsenat - vom 10. Mai 2012 - 26 SchH 11/10 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Anträge als unzulässig zurückgewiesen werden.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin der Antragsgegnerin, hat die Antragstellerin zu tragen.

Gegenstandswert: 13.000.000 €

Gründe

I.

1

Zum Sach- und Streitstand nimmt der Senat Bezug auf seinen Beschluss vom 19. September 2013 (SchiedsVZ 2013, 333 [BGH 19.09.2013 - III ZB 37/12]), mit dem er den Parteien den Hinweis erteilt hat, dass das Rechtsschutzbedürfnis für den gegen den Zwischenentscheid über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung entfallen sein dürfte, nachdem zwischenzeitlich ein Schiedsspruch über die Hauptsache ergangen ist.

2

Die Antragstellerin ist der Auffassung des Senats entgegen getreten und hält ihren Antrag aufrecht. Hilfsweise beantragt sie festzustellen, dass ihr gegen den Zwischenentscheid gerichteter Antrag auf gerichtliche Entscheidung bis zum Erlass des Schiedsspruchs über die Hauptsache zulässig und begründet gewesen sei.

II.

3

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie ist zurückzuweisen, weil der Haupt- und der Hilfsantrag unzulässig (geworden) sind.

4

1. Der Senat hält auch unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin in ihrer Erwiderung auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 19. September 2013 geäußerten Bedenken an seiner Auffassung fest, dass das Rechtsschutzinteresse für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen einen seine Zuständigkeit bejahenden Zwischenentscheid des Schiedsgerichts mit dem Erlass des Schiedsspruchs entfällt, da die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts aufgrund unwirksamer Schiedsvereinbarung dann im Verfahren auf Aufhebung (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a ZPO) oder Vollstreckbarerklärung (§ 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO) des Schiedsspruchs zu prüfen ist.

5

Die Antragstellerin verweist in ihrer Entgegnung unter anderem darauf, dass nach dem Urteil des vormals für Rechtsstreitigkeiten über Schiedsvereinbarungen und Schiedssprüche zuständigen VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 12. Dezember 1963 (VII ZR 23/62, BGHZ 40, 342; dem folgend: OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 2008, 801 [OLG Frankfurt am Main 04.10.2007 - 26 Sch 8/07]; Beschluss vom 12. Juli 2007 - 26 Sch 9/07, [...] Rn. 13, insoweit nicht in OLGR 2008, 195 abgedruckt; OLG München, Beschluss vom 17. August 2010 - 34 SchH 8/10, [...] Rn. 34; vgl. aus dem Schrifttum auch MüKoZPO/Münch, 4. Aufl., § 1037 Rn. 37; Musielak/Voit, ZPO, 11. Aufl., § 1037 Rn. 7; Nacimiento/Abt in Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbritation in Germany, § 1037 Rn. 23; Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl., § 1037 Rn. 4) ein über die Ablehnung eines Schiedsrichters anhängiges gerichtliches Verfahren auch dann fortzusetzen sei, wenn zwischenzeitlich ein Schiedsspruch zur Hauptsache ergangen ist.

6

Die insoweit von der Antragstellerin gezogene Parallelwertung zur Frage der Befangenheit des Schiedsgerichts überzeugt den Senat allerdings nicht. Nach Auffassung des VII. Zivilsenats (aaO S. 344) ist im Verfahren auf Aufhebung eines Schiedsspruchs nach § 1041 ZPO aF über die vor dem Schiedsgericht erklärte Ablehnung eines Schiedsrichters nicht zu entscheiden, auch wenn es vor dem Erlass des Schiedsspruchs nicht mehr zu einem Beschluss des staatlichen Gerichts nach § 1045 ZPO aF (jetzt § 1037 Abs. 3 ZPO) kommt. Der VII. Zivilsenat hat zur Begründung insoweit ausdrücklich Bezug genommen auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 145, 171; 148, 1). Danach ist die Entscheidung über die Ablehnung eines Schiedsrichters durch § 1045 ZPO aF ausschließlich dem dortigen Beschlussverfahren zugewiesen. Der Klageweg sei insoweit ausgeschlossen und es könne auch nicht als zulässig gelten, mittelbar den Klageweg wieder zu eröffnen, indem die Ablehnung eines Schiedsrichters als Aufhebungsgrund geltend gemacht werde. Von einem "unzulässigen Verfahren" des Schiedsgerichts (§ 1041 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aF), das (anders als der staatliche Richter; § 47 Abs. 1 ZPO) im Rahmen des § 1037 ZPO aF trotz der Ablehnung das Verfahren fortsetzen und einen Schiedsspruch erlassen dürfe, könne nicht die Rede sein, solange nicht das staatliche Gericht im Verfahren nach § 1045 ZPO aF die Ablehnung als berechtigt erklärt habe. Nur der Richter des Verfahrens nach § 1045 ZPO aF sei zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch befugt, nicht der Richter des Aufhebungsverfahrens nach § 1041 ZPO aF. Deshalb müsse letzterer sein Verfahren aussetzen und ersterer sein Verfahren - auch nach Erlass des Schiedsspruchs - fortsetzen. Das Verfahren nach § 1045 ZPO aF sei insoweit die einzige Möglichkeit, die Ablehnung von Schiedsrichtern durchzuführen, und im Aufhebungsverfahren sei die Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens wegen Befangenheit der Schiedsrichter nur zu berücksichtigen, wenn das nach § 1045 ZPO aF berufene Gericht die Ablehnung für berechtigt erklärt habe (RGZ 148, 1, 2 f).

7

Eine Vergleichbarkeit mit der Situation bezüglich der Einrede der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens wegen Unwirksamkeit der Schiedsabrede scheidet aber schon deshalb aus, weil es sich hierbei um einen ausdrücklich im Gesetz (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a ZPO) geregelten Aufhebungsgrund handelt, der dementsprechend - anders als es der VII. Zivilsenat und das Reichsgericht für die Geltendmachung der Befangenheit eines Schiedsrichters angenommen haben - auch in diesem Verfahren geltend gemacht und geprüft werden kann.

8

Auch die weiteren Einwände der Antragstellerin gegen die Rechtsauffassung des Senats greifen im Ergebnis nicht durch; auf eine Begründung wird insoweit nach § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO verzichtet.

9

2. Auch der Hilfsantrag, der auf die Feststellung der ursprünglichen Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags auf Aufhebung des die Zuständigkeit des Schiedsgerichts aussprechenden Zwischenentscheids und der Unzuständigkeit dieses Gerichts gerichtet ist, ist unzulässig. Der Sache nach handelt es sich um eine einseitige Erledigungserklärung der Antragstellerin im Verfahren nach § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

10

Zwar kann eine einseitige Erledigungserklärung grundsätzlich auch im Rechtsbeschwerdeverfahren abgegeben werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das erledigende Ereignis unstreitig ist (BGH, Urteil vom 8. Februar 1989 - IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359, 368 zum Revisionsverfahren). Das ist hier der Fall, da der Erlass des Schiedsspruchs in der Hauptsache, der zum Fortfall des Rechtsschutzbedürfnisses für das vorliegende Verfahren nach § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO geführt hat, unstreitig ist.

11

Eine hilfsweise Erledigungserklärung ist jedoch in der Regel unzulässig (z.B. BGH, Urteil vom 8. Februar 2011 - II ZR 206/08, NJW-RR 2011, 618 Rn. 22; Beschluss vom 16. August 2010 - II ZR 105/09, [...] Rn. 4; Urteile vom 27. Februar 2007 - XI ZR 55/06, [...] Rn. 36; vom 16. März 2006 - I ZR 92/03, NJW-RR 2006, 1378 Rn. 20 und vom 8. Februar 1989 aaO S. 368 f). Für den Feststellungsantrag, der in einer einseitigen hilfsweisen Erledigungserklärung enthalten ist, fehlt grundsätzlich das erforderliche rechtliche Interesse (ZPO§ 256 Abs. 1 ZPO), das regelmäßig in einer günstigen Kostenfolge liegt (BGH, Urteile vom 8. Februar 2011 und vom 16. März 2006 jew. aaO). Eine solche Kostenfolge analog § 91a ZPO ist mit einem entsprechenden Hilfsantrag regelmäßig nicht zu erreichen, weil im Rahmen der Kostenentscheidung stets zu berücksichtigen ist, dass die Klage mit dem Hauptantrag abgewiesen worden ist (BGH, Urteile vom 8. Februar 2011; vom 27. Februar 2007 und vom 16. März 2006 jew. aaO). Außerdem wäre es widersprüchlich, nach einer Abweisung des Hauptantrags als unbegründet auf den Hilfsantrag die Erledigung festzustellen (BGH, Urteile vom 8. Februar 2011 und 8. Februar 1989; Beschluss vom 16. August 2010 jew. aaO). Das Ziel des Hilfsantrags, statt der Abweisung des Hauptantrags die Erledigungsfeststellung zu erreichen, ist gerade nicht erreichbar (Zöller/Vollkommer aaO § 91a Rn. 35).

12

Dem von der Antragstellerin angeführten Urteil des I. Zivilsenats vom 19. März 1998 (I ZR 264/95, NJW-RR 1998, 1571; siehe auch Urteil vom 8. Februar 2011, aaO Rn. 23), in dem die Zulässigkeit einer hilfsweisen Erledigungserklärung ausnahmsweise bejaht worden ist (aaO, S. 1572 f, liegt eine nicht vergleichbare Fallkonstellation zugrunde.

Schlick

Herrmann

Wöstmann

Seiters

Reiter

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