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Bundesgerichtshof
Urt. v. 22.11.2013, Az.: V ZR 229/12
Rückabwicklung eines Kaufvertrags über eine Eigentumswohnung auf Grundlage der Wirksamkeit einer Fortsetzungsklausel im Kaufvertrag
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Versäumnisurteil
Datum: 22.11.2013
Referenz: JurionRS 2013, 51468
Aktenzeichen: V ZR 229/12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Dresden - 07.03.2012 - AZ: 8 O 750/11

OLG Dresden - 11.09.2012 - AZ: 14 U 591/12

Rechtsgrundlagen:

§ 14 Abs. 3 BNotO

§ 148 BGB

§ 152 S. 1 BGB

§ 308 Nr. 1 Halbs. 1 BGB

§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB

BGH, 22.11.2013 - V ZR 229/12

Redaktioneller Leitsatz:

Unbefristete Fortgeltungsklauseln, die vom Verwender gestellte vorformulierte Vertragsbedingung darstellen, verstoßen gegen § 308 Nr. 1 Halbs. 1 BGB.

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 11. September 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Mit notarieller Erklärung vom 12. Dezember 2007 bot die Klägerin der Beklagten den Kauf einer Eigentumswohnung an. Darin heißt es u.a.:

"An dieses Angebot hält sich Käufer auf die Dauer von vier Wochen von heute an gebunden.

Nach Ablauf dieser Frist erlischt nicht das Angebot, sondern nur die Bindung hieran, die Annahme des Angebots kann so lange erklärt werden, solange dem beurkundenden Notar gegenüber das Angebot nicht schriftlich widerrufen worden ist, der zur Entgegennahme der entsprechenden Erklärungen hiermit bevollmächtigt wird."

2

Die Beklagte nahm das Angebot mit notarieller Erklärung vom 24. Januar 2008 an. Der Vertrag wurde durch Zahlung des Kaufpreises von 60.200 € sowie durch Auflassung und Eigentumsumschreibung im Grundbuch vollzogen.

3

Gestützt auf die Ansicht, dass der Kaufvertrag wegen verspäteter Annahme des Angebots nicht zustande gekommen sei, verlangt die Klägerin die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen lastenfreie Rückübertragung des Wohnungseigentums, die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten sowie die Herausgabe gezogener Nutzungen in Höhe von 7.511,62 € zuzüglich 6,69 € pro Tag ab dem 25. März 2011 nebst Zinsen und den Ersatz außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten von 2.295,63 € nebst Zinsen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Klageanträge weiter. Die Beklagte ist in dem Revisionsverfahren nicht anwaltlich vertreten.

Entscheidungsgründe

I.

4

Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags. Dieser sei wirksam zustande gekommen, obwohl die Beklagte das Vertragsangebot erst nach dem Ablauf der Bindungsfrist angenommen habe. Denn die Klausel über die bindungsfreie Fortgeltung des Angebots halte einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle stand. Verstöße gegen beurkundungsrechtliche Vorschriften lägen nicht vor. Somit bestünden auch keine Zahlungsansprüche.

II.

5

Das hält rechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.

6

1. Die Beklagte ist trotz rechtzeitiger Bekanntmachung in dem Verhandlungstermin nicht erschienen. Deshalb ist über die Revision der Klägerin durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. nur Senat, Urteil vom 4. April 1962 V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 82).

7

2. Zu Recht - und mit der Revision nicht angegriffen - geht das Berufungsgericht davon aus, dass der von der Klägerin gerügte Verstoß des die Angebotserklärung beurkundenden Notars gegen § 14 Abs. 3 BNotO der Klage schon deshalb nicht zum Erfolg verhilft, weil aus ihm - sein Bestehen unterstellt - keine Rechte gegenüber der Beklagten hergeleitet werden können.

8

3. Ebenfalls zu Recht - und wiederum mit der Revision nicht angegriffen verneint das Berufungsgericht einen Verstoß des Urkundsnotars gegen § 17 Abs. 2a Satz 1 BeurkG.

9

4. Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht jedoch einen Anspruch der Klägerin auf Rückabwicklung des Kaufvertrags aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB.

10

a) Der Kaufvertrag ist mit der Beurkundung der Annahmeerklärung der Beklagten nach § 152 Satz 1 BGB nur dann zustande gekommen, wenn die Erklärung der Klägerin wirksam ist, dass ihr Angebot über die Bindungsfrist von vier Wochen hinaus widerruflich fortbesteht. Anderenfalls wäre das Angebot im Zeitpunkt der Annahme bereits erloschen gewesen. Denn soweit der Antragende nichts anderes äußert, deckt sich eine von ihm erklärte Bindungsfrist mit der dem Empfänger für die Annahme seines Angebots eingeräumten Frist (§ 148 BGB) mit der Folge, dass das Angebot mit dem Ablauf der Bindungsfrist erlischt (Senat, Urteil vom 11. Juni 2010 V ZR 85/09, NJW 2010, 2873, 2874 Rn. 15).

11

b) Die Wirksamkeit der Erklärung der Klägerin über die Fortgeltung ihres Angebots hängt davon ab, ob - wie es das Berufungsgericht annimmt - eine von der Beklagten vorformulierte Klausel vorliegt, welche den Vorschriften über die richterliche Kontrolle des Inhalts Allgemeiner Geschäftsbedingungen (§§ 307 309 BGB) unterliegt.

12

aa) Wirksam wäre die Erklärung über die Fortgeltung des Angebots, wenn sie von der Klägerin selbst formuliert oder von den Parteien im Einzelfall ausgehandelt worden wäre. Dann hätte die Beklagte das Angebot auch noch nach mehr als vier Wochen nach dessen Abgabe annehmen können. Die gesetzlichen Regelungen in §§ 145, 146 BGB schließen nämlich Modifikationen der Wirksamkeit und der Dauer des Angebots nicht aus. Ein Angebot kann danach auch unbefristet, jedoch widerruflich ausgestaltet werden (Senat, Urteil vom 26. März 2004 V ZR 90/03, NJW RR 2004, 952, 953).

13

bb) Unwirksam wäre die Erklärung in dem Angebot der Klägerin dagegen dann, wenn es sich dabei um eine Fortgeltungsklausel, also um eine von der Beklagten gemäß § 305 Abs. 1 BGB gestellte oder von ihr als Unternehmerin nach § 310 Abs. 3 BGB als gestellt geltende vorformulierte Vertragsbedingung handelte. Denn die Vorschriften der §§ 307 309 BGB erstrecken sich auf sogenannte Vertragsabschlussklauseln, zu denen die von dem Verwender vorformulierten einseitigen Erklärungen des anderen Teils zur Geltung seines Angebots gehören (vgl. Senat, Urteil vom 11. Juni 2010 V ZR 85/09, NJW 2010, 2873 Rn. 8), und - wie hier - unbefristete Fortgeltungsklauseln halten einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle anhand der Verbotsnorm des § 308 Nr. 1 Halbs. 1 BGB nicht stand. Zur Begründung hierfür verweist der Senat - um bloße Wiederholungen zu vermeiden - auf seine Entscheidung vom 7. Juni 2013 (V ZR 10/12, NJW 2013, 3434 f. Rn. 13-26), die eine inhaltsgleiche Erklärung betrifft.

14

c) Der Vertragsschluss wäre danach gescheitert, weil die Beklagte wegen der Unwirksamkeit der Fortsetzungsklausel das mit dem Ablauf der Bindungsfrist erloschene Angebot der Klägerin nicht mehr annehmen konnte. Anhaltspunkte für eine Annahme der nach § 150 Abs. 1 BGB als neues Angebot geltenden verspäteten Annahmeerklärung der Beklagten durch die Klägerin sind nicht ersichtlich. Eine Annahme durch Schweigen kommt bei beurkundungsbedürftigen Grundstücksgeschäften nicht in Betracht, und die von dem anderen Teil zur Erfüllung vorgenommenen Handlungen - insbesondere die Kaufpreiszahlung - sind grundsätzlich nicht als schlüssige Annahmeerklärung anzusehen (Senat, Urteil vom 11. Juni 2010 V ZR 85/09, NJW 2010, 2873, 2874 f. Rn. 14-16).

III.

15

Die Sache ist nicht entscheidungsreif, weil nicht feststeht, dass die Angebotserklärung der Klägerin der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegt. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

16

1. Die Ausführungen in dem Berufungsurteil zu § 310 Abs. 3 BGB sind lücken- und rechtsfehlerhaft. Zur Begründung verweist der Senat wiederum zur Vermeidung bloßer Wiederholungen auf seine Entscheidung vom 7. Juni 2013 (V ZR 10/12, NJW 2013, 3434, 3436 Rn. 30, 31). Gegenstand des dortigen Verfahrens war ein Berufungsurteil desselben Senats des Berufungsgerichts, der das in diesem Verfahren zu überprüfende Berufungsurteil erlassen hat. Die Begründungen zur Anwendung des § 310 Abs. 3 BGB stimmen in beiden Berufungsurteilen wörtlich überein.

17

2. Das Berufungsgericht muss die notwendigen Feststellungen nachholen und auf der Grundlage der Ausführungen des Senats unter vorstehend II. 4.

über das Rückabwicklungsverlangen der Klägerin erneut sowie gegebenenfalls über den Feststellungsantrag und über die Zahlungsanträge entscheiden.

Stresemann

Lemke

Schmidt-Räntsch

Brückner

Weinland

Von Rechts wegen

Verkündet am: 22. November 2013

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