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Bundesgerichtshof
Urt. v. 20.06.2013, Az.: IX ZR 310/12
Pfändbarkeit eines Erstattungsanspruchs des Mieters aus einer Betriebskostenabrechnung und Heizkostenabrechnung des Vermieters bei Beziehen von Leistungen nach dem SGB II durch den Mieter
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 20.06.2013
Referenz: JurionRS 2013, 39368
Aktenzeichen: IX ZR 310/12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Dresden - 25.05.2012 - AZ: 141 C 84/12

LG Dresden - 08.11.2012 - AZ: 4 S 370/12

Fundstellen:

DGVZ 2013, 237

FoVo 2014, 31-32

FStBW 2014, 127-128

FStHe 2014, 124-125

FStNds 2014, 224-225

InsbürO 2013, 463

InsbürO 2014, 209

JZ 2013, 508

KomVerw/LSA 2014, 112-113

KomVerw/S 2014, 113-114

KomVerw/T 2014, 112-113

MDR 2013, 898-899

MietRB 2013, 301-302

MK 2013, 207-208

NJW 2013, 2819

NZM 2013, 692-693

NZS 2013, 903-904

RdW 2013, 607-608

Rpfleger 2013, 630-631

VE 2013, 162-163

WM 2013, 1365-1366

ZAP 2013, 813

ZAP EN-Nr. 403/2013

ZfIR 2013, 566

ZInsO 2013, 1408-1409

ZIP 2013, 2428

ZMR 2013, 870-871

ZVI 2013, 361

BGH, 20.06.2013 - IX ZR 310/12

Amtlicher Leitsatz:

SGB II § 19 Abs. 1, § 20 Abs. 1, § 22 Abs. 3; BGB § 556 Abs. 3

Der Erstattungsanspruch des Mieters aus einer Betriebs- und Heizkostenabrechnung des Vermieters ist unpfändbar, wenn der Mieter Arbeitslosengeld II bezieht und die Erstattung deshalb im Folgemonat die Leistungen der Agentur für Arbeit für Unterkunft und Heizung des Hilfeempfängers mindert (im Anschluss an BSG, NZS 2013, 273 [BSG 16.10.2012 - B 14 AS 188/11 R]).

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter Grupp und die Richterin Möhring für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 8. November 2012 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien führen einen Drittschuldnerprozess, in welchem die Klägerin die Forderung ihres Vollstreckungsschuldners auf Auszahlung eines Betriebskostenguthabens gegen die Beklagte geltend macht. Der Vollstreckungsschuldner ist seit 2008 Wohnungsmieter der Beklagten. Mieten einschließlich Betriebskostenvorauszahlungen werden von der Agentur für Arbeit direkt an die Beklagte überwiesen, weil der Vollstreckungsschuldner Arbeitslosengeld II bezieht.

2

Im September 2010 rechnete die Beklagte gegenüber dem Vollstreckungsschuldner die Betriebskosten für den Zeitraum vom 1. Oktober 2008 bis zum 30. September 2009 ab. Um das in der Abrechnung ausgewiesene Guthaben von 131,68 ? minderte die Agentur für Arbeit die Mietzahlung an die Beklagte für den Monat November 2010. Am 26. April 2011 erwirkte die Klägerin einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem auch die rückständigen, gegenwärtigen und künftigen Ansprüche des Vollstreckungsschuldners gegen die Beklagte auf Auszahlung von Überschüssen aus Nebenkostenabrechnungen gepfändet und der Klägerin zur Einziehung überwiesen wurden. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde der Beklagten am 23. Juni 2011 zugestellt. Im Oktober 2011 rechnete die Beklagte gegenüber dem Vollstreckungsschuldner über die Betriebskosten für den Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis zum 30. September 2010 ab. Um das in der Abrechnung ausgewiesene Guthaben von 33,76 ? minderte die Agentur für Arbeit die Mietzahlung an die Beklagte für den Monat November 2011.

3

Die Klägerin hat zunächst mit ihrer Drittschuldnerklage die Forderung auf Zahlung der beiden Betriebskostenguthaben sowie einen Anspruch auf Erstattung ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 46,41 ? rechtshängig gemacht. Sie hat in erster Instanz den Rechtsstreit wegen des Betriebskostenguthabens aus dem Mietjahr 2008/09 in Höhe von 131,68 ? einseitig für erledigt erklärt.

4

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision, mit welcher die Klägerin ihre bisherigen Sachanträge weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist unbegründet.

I.

6

Das Landgericht hat angenommen, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Auszahlung der Betriebskostenguthaben sowie auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die Klägerin könne aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss die Auszahlung der Betriebskostenguthaben von der Beklagten nicht verlangen, weil die Pfändung der Heiz- und Betriebskostenrückzahlungen hier entsprechend § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I verboten sei. Der Vollstreckungsschuldner sei Bezieher von Arbeitslosengeld II, so dass vom Sozialleistungsträger nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II die Betriebskostenguthaben von den laufenden Mietzahlungen im Folgemonat abgezogen werden, ohne dass es einer Aufrechnung bedürfe. Es bestehe daher die Gefahr für den Mieter, dass ihm ein Teil der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums entzogen werde, wenn einerseits die Sozialleistungen gekürzt würden und andererseits der Vollstreckungsgläubiger auf das Betriebskostenguthaben zugreife, während gleichzeitig für den Kürzungsmonat die laufende Miete in voller Höhe geschuldet sei. Die vorgerichtlich entstandenen Kosten seien der Klägerin nicht zu erstatten. Die Beklagte habe der Klägerin in der Drittschuldnererklärung die Verrechnung des Betriebskostenguthabens aus dem Mietjahr 2008/09 mit der späteren Miete mitgeteilt. Zu weitergehenden Angaben sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, so dass der Klägerin auch kein Schadensersatzanspruch nach § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO zustehe.

II.

7

Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden.

8

1. Erst nach ihrer Verkündung ist das Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. Oktober 2012 (NZS 2013, 273 [BSG 16.10.2012 - B 14 AS 188/11 R] Rn. 19 f [BSG 16.10.2012 - B 14 AS 188/11 R], zVb in BSGE) bekannt geworden, nach welchem Betriebs- und Heizkostenerstattungen des Vermieters nicht der Pfändung und Zwangsvollstreckung gegen einen Bezieher von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Teil II unterliegen. Der Senat schließt sich der Auffassung des Bundessozialgerichts an, weil diese Rückzahlung von öffentlichen Leistungen gemäß § 19 Abs. 1, § 20 Abs. 1 SGB II nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II (früher § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II) die Leistungen des Folgemonats an den Hilfeempfänger mindert. Wäre in diesen Fällen die Pfändung zulässig, würde sie nach dem Gesetz zu Lasten öffentlicher Mittel erfolgen, die dem Leistungsbezieher das Existenzminimum sichern sollen. Solchen Vollstreckungsmaßnahmen ist auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon bisher entgegengetreten (vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 2004 - IXa ZB 321/03, WM 2004, 935, 936 unter 2. a; im Ergebnis ebenso Beschluss vom 16. Juni 2011 - VII ZB 12/09, WM 2011, 1418 Rn. 7 f). Der Senat sieht keinen Anlass, davon abzuweichen. Ob sich dieses Ergebnis mit dem Berufungsgericht hier auch durch eine Analogie zu § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I begründen lässt, kann offenbleiben.

9

2. Wie das Berufungsgericht ebenfalls richtig erkannt hat, steht der Klägerin schon infolge der Unwirksamkeit ihrer Pfändung gegen die Beklagte kein Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO oder aus anderem Rechtsgrund zu.

Kayser

Raebel

Lohmann

Grupp

Möhring

Von Rechts wegen

Verkündet am: 20. Juni 2013

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