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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 21.03.2013, Az.: V ZR 189/12
Prüfung der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 21.03.2013
Referenz: JurionRS 2013, 34696
Aktenzeichen: V ZR 189/12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Oldenburg - 30.06.2010 - AZ: 16 O 3076/09

OLG Oldenburg - 05.10.2010 - AZ: 12 U 61/10

BGH - 28.10.2011 - AZ: V ZR 212/10

OLG Oldenburg - 03.07.2012 - AZ: 12 U 61/10

Fundstelle:

FamFR 2013, 279

BGH, 21.03.2013 - V ZR 189/12

Redaktioneller Leitsatz:

Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG liegt unter anderem vor, wenn ein erhebliches Beweisangebot unberücksichtigt bleibt und die Nichtberücksichtigung im Prozessrecht keine Stütze hat.

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 21. März 2013 durch die Richter Dr. Lemke, Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Czub, die Richterin Dr. Brückner und den Richter Dr. Kazele beschlossen:

Tenor:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 3. Juli 2012 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 107.000 €.

Gründe

I.

1

Mit notariellem Vertrag vom 18. Dezember 2001 verpflichtete sich der Beklagte, "in Vorwegnahme der späteren Erbfolge" ein Grundstück unentgeltlich an seinen Sohn, den Kläger, zu übertragen. In dem Vertrag wurden die Auflassung erklärt sowie die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch bewilligt und beantragt. Hintergrund war ein - inzwischen abgeschlossenes - Scheidungs- und Unterhaltsverfahren zwischen dem Beklagten und seiner Ehefrau, in dem unklar war, ob und inwieweit der Grundbesitz des Beklagten oder Mieteinnahmen hieraus für Zugewinn- und Unterhaltsansprüche von Bedeutung sein würden. Durch schriftliche Vereinbarung vom 20. Dezember 2001 widerriefen die Parteien gegenüber dem Notar den Auftrag zum Vollzug des Vertrages und wiesen ihn an, den Übertragungsvertrag erst auf erneute gemeinsame Weisung hin zu vollziehen.

2

Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Abgabe der zur Durchführung des Vertrages erforderlichen Erklärungen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie im ersten Berufungsverfahren abgewiesen. Diese Entscheidung hat der Senat mit Urteil vom 28. Oktober 2011 (V ZR 212/10, NJW-RR 2012, 18) aufgehoben. Mit dem zweiten Berufungsurteil hat das Oberlandesgericht die Klage erneut abgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Er möchte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erreichen.

II.

3

Das Berufungsgericht geht nunmehr davon aus, dass der Vertrag nur dann nach § 138 Abs. 1 BGB wegen Benachteiligung der geschiedenen Ehefrau des Beklagten und Mutter des Klägers nichtig ist, wenn diese tatsächlich geschädigt worden ist. Das sei nicht der Fall. Der Beklagte habe sich schon im Jahr 2000 mit seiner Ehefrau über den Zugewinn geeinigt und im Scheidungsverfahren erläutert, dass die Einnahmen aus dem veräußerten Grundstück zur Tilgung von Schulden verwandt worden seien. Der Kläger habe aber nicht beweisen können, dass er berechtigt sein sollte, die Erfüllung des Übertragungsvertrags zu verlangen, sobald das Grundstück nicht mehr auf Grund geschäftlicher Risiken verloren zu gehen drohte. Den Nachweis, dass solche Risiken nicht bestünden, habe er ebenfalls nicht erbracht. Der Beklagte sei schließlich wegen der Zahlungsunfähigkeit des Klägers im Jahr 2009 von dem Übertragungsvertrag zurückgetreten.

III.

4

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg. Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

5

1. Ein Verstoß gegen diese Norm liegt unter anderem vor, wenn ein erhebliches Beweisangebot unberücksichtigt bleibt und die Nichtberücksichtigung im Prozessrecht keine Stütze hat (BGH, Beschluss vom 11. Mai 2010 - VIII ZR 212/07, NJW-RR 2010, 1217, 1218 Rn. 10; Senat, Beschluss vom 28. April 2011 V ZR 182/10, [...] Rn. 10). Dieser Fehler ist dem Berufungsgericht unterlaufen.

6

2. Der Senat hat das erste Berufungsurteil unter anderem deswegen aufgehoben, weil das Berufungsgericht die unter Beweisantritt aufgestellte Behauptung des Klägers unberücksichtigt gelassen hat, der Vollzug des Übertragungsvertrags sei nur für einen absehbaren Zeitraum zurückgestellt worden, nämlich so lange, bis abzusehen gewesen sei, dass der neu eingerichtete Betrieb des Klägers gut lief und das Grundstück deshalb nicht auf Grund geschäftlicher Risiken verloren zu gehen drohte (NJW-RR 2012, 18, 19 [BGH 28.10.2011 - V ZR 212/10] Rn. 16). Für diese Behauptung hatte der Kläger den Urkundsnotar als Zeugen benannt. Das Berufungsgericht hat aber nicht diesen Zeugen, sondern nur die Mutter des Beklagten vernommen.

7

3. Dieses Vorgehen findet im Prozessrecht keine Stütze.

8

a) Der Kläger hatte den Zeugen schon in erster Instanz benannt, diesen Beweisantritt im Berufungsverfahren in Bezug genommen und auf diesen Beweisantritt auch nicht verzichtet. Er hat zwar im zweiten Berufungsverfahren vorgetragen, nach dem Plan seiner Eltern habe ihm das Haus ohnehin zugewandt werden sollen, und dazu seine Mutter als Zeugin benannt. Das ist aber ersichtlich ein Vortrag, der die Plausibilität seiner Behauptung zum Inhalt der Vereinbarung vom 20. Dezember 2001 untermauern soll. Dass zu dem Inhalt der Vereinbarung jetzt nur die Mutter vernommen werden sollte, die die Vereinbarung gar nicht kannte, und nicht mehr der Urkundsnotar, der sie entworfen hatte, ist diesem Vortrag nicht zu entnehmen.

9

b) Von der Vernehmung des Notars konnte das Berufungsgericht auch nicht absehen, weil die Entscheidung des Rechtsstreits von dem Inhalt der Vereinbarung vom 20. Dezember 2001 abhängt.

10

aa) Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass der Übertragungsvertrag nicht wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist und die Klage nicht schon daran scheitert.

11

bb) Sollte die Vereinbarung vom 20. Dezember 2001 den von dem Kläger behaupteten Inhalt haben, ist der Übertragungsvertrag auch nicht, wie das Berufungsgericht meint, durch einen Rücktritt des Beklagten beendet worden. Das von dem Berufungsgericht angenommene Rücktrittsrecht besteht dann nämlich nicht. Grundlage dieses Rücktrittsrechts soll der Umstand sein, dass der Übertragungsvertrag keine Regelung für den Fall enthält, dass er von dem Beklagten in einem - im Jahr 2009 gegebenen - Zeitpunkt zu erfüllen ist, in dem der Kläger zahlungsunfähig oder insolvent ist und das Grundstück auf Grund der in dem Vertrag für solche Fälle vorgesehenen Rückübertragungsverpflichtung gleich wieder zurückzuübertragen hat. Sollte der Vortrag des Klägers zum Inhalt der Vereinbarung vom 20. Dezember 2001 zutreffen, dann hätten die Parteien eben dieses Problem durch diese Vereinbarung geregelt, und zwar nicht durch ein Rücktrittsrecht, sondern durch die Aussetzung der Übertragungsverpflichtung aus dem Übertragungsvertrag bis zu dem Zeitpunkt, in dem ein Grundstücksverlust durch geschäftliche Risiken nicht mehr droht. Der Übertragungsvertrag könnte dann nicht im Sinne des Berufungsgerichts ausgelegt werden.

12

cc) Die Feststellung des Inhalts der Vereinbarung vom 20. Dezember 2001 ist schließlich auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger, wie das Berufungsgericht meint, nicht dargelegt und bewiesen hat, dass das Hausgrundstück jetzt nicht mehr auf Grund geschäftlicher Risiken verloren zu gehen droht. Dafür muss hier nicht geklärt werden, ob der Kläger seine gegenwärtigen Vermögensverhältnisse hinreichend schlüssig dargestellt hat und welche Risiken im gegenwärtigen Zeitpunkt einen Verlust des Grundstücks erwarten lassen könnten. Das Berufungsgericht hat die Klage nicht nur als derzeit unbegründet, sondern endgültig abgewiesen. Dazu konnte es, sollte die Behauptung des Klägers zutreffen, nur kommen, wenn eine Solvenz des Klägers auf Dauer ausgeschlossen werden kann. Das hat es aber nicht festgestellt.

IV.

13

Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht. In der neuen Verhandlung wird zunächst der Urkundsnotar zu dem von dem Kläger behaupteten Inhalt der Vereinbarung vom 20. Dezember 2001 zu vernehmen sein. Sollte sich die Behauptung des Klägers bestätigen, wird zu prüfen sein, ob seine - dann allerdings umfassend und unter Beifügung von Belegen darzulegenden - Vermögensverhältnisse einem Vollzug des Übertragungsvertrags im jetzigen Zeitpunkt noch entgegenstehen.

Lemke

Schmidt-Räntsch

Czub

Brückner

Kazele

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