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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 06.12.2012, Az.: V ZB 142/12
Notwendigkeit der Aushändigung eines Haftantrags zu Beginn der Anhörung durch das Amtsgericht für die Rechtmäßigkeit einer Haftanordnung
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 06.12.2012
Referenz: JurionRS 2012, 30945
Aktenzeichen: V ZB 142/12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Hamburg - 16.07.2012 - AZ: 219f XIV 179/12

LG Hamburg - 23.07.2012 - AZ: 329 T 37/12

BGH - 24.07.2012 - AZ: V ZB 142/12

Rechtsgrundlage:

§ 62 FamFG analog

Fundstelle:

InfAuslR 2013, 157

BGH, 06.12.2012 - V ZB 142/12

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Dezember 2012 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Lemke, Prof. Dr. Schmidt Räntsch, Dr. Czub und Dr. Kazele

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 16. Juli 2012 und der Beschluss des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 29 vom 23. Juli 2012 ihn in seinen Rechten verletzt haben.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Land Mecklenburg-Vorpommern auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe

I.

1

Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 16. Juli 2012 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung seiner Abschiebung bis längstens 30. Juli 2012 angeordnet. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 24. Juli 2012 hat der Senat die Vollziehung der Abschiebungshaft einstweilen ausgesetzt. Der Betroffene ist an demselben Tag aus der Haft entlassen worden.

2

Mit der Rechtsbeschwerde will er die Feststellung erreichen, dass die Haftanordnung und ihre Aufrechterhaltung ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

3

Nach Auffassung des Beschwerdegerichts ist die Anordnung der Sicherungshaft rechtmäßig gewesen. Der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig gewesen, und es habe der begründete Verdacht bestanden, dass er sich der Abschiebung habe entziehen wollen.

III.

4

Die Rechtsbeschwerde ist nach Erledigung der Hauptsache mit dem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG ohne Zulassung nach § 70 Abs. 3 Nr. 3 FamFG statthaft (vgl. nur Senat, Beschluss vom 29. April 2010 V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360), form- und fristgerecht gemäß § 71 FamFG eingelegt und hat Erfolg.

5

1. Der Betroffene ist durch die Haftanordnung jedenfalls deshalb in seinen Rechten verletzt worden, weil ihm der Haftantrag nicht zu Beginn der Anhörung durch das Amtsgericht ausgehändigt worden ist. Zwar kann der Antrag einem Betroffenen erst zu Beginn der Anhörung eröffnet werden, wenn er einen einfachen, überschaubaren Sachverhalt betrifft, zu welchem der Betroffene auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Überraschung ohne weiteres auskunftsfähig ist. Daraus folgt jedoch nicht, dass sich der Haftrichter in einem solchen Fall darauf beschränken darf, den Inhalt des Haftantrags mündlich vorzutragen. Vielmehr muss dem Betroffenen in jedem Fall eine Ablichtung des Antrags ausgehändigt, erforderlichenfalls (mündlich) übersetzt und dies in dem Anhörungsprotokoll oder an einer anderen Aktenstelle schriftlich dokumentiert werden (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 V ZB 284/11, InfAuslR 2012, 369 Rn. 9). Dies gilt auch dann, wenn wie hier der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen an dem Anhörungstermin teilnimmt. Denn sowohl der Betroffene als auch sein Verfahrensbevollmächtigter müssen im weiteren Verlauf der Anhörung in ein Exemplar des Haftantrags einsehen können, damit sie sich zu den Angaben der Behörde äußern können.

6

An der Aushändigung einer Ablichtung des Haftantrags fehlte es hier. Dem Protokoll über die Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht ist nur zu entnehmen, dass der Antrag dem Betroffenen bekannt gegeben wurde.

7

2. Die Aufrechterhaltung der Haftanordnung durch das Beschwerdegericht hat den Betroffenen ebenfalls in seinen Rechten verletzt, jedenfalls deshalb, weil die verfahrensfehlerhafte Anhörung durch das Amtsgericht nicht für die Zukunft geheilt worden ist. Dies wäre nur dann möglich gewesen, wenn dem Betroffenen oder seinem Verfahrensbevollmächtigten eine Ablichtung des Haftantrags ausgehändigt worden wäre oder der Verfahrensbevollmächtigte durch eine Akteneinsicht Kenntnis von dem vollständigen Haftantrag erlangt hätte oder hätte erlangen können, und wenn der Betroffene von dem Beschwerdegericht angehört worden wäre (Senat, Beschluss vom 30. März 2012 V ZB 59/12, [...] Rn. 12). Von einer erneuten Anhörung des Betroffenen hat das Beschwerdegericht jedoch abgesehen.

IV.

8

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 EMRK, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO.

Stresemann

Lemke

Schmidt-Räntsch

Czub

Kazele

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