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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 13.11.2012, Az.: II ZR 23/12
Vorliegen eines Schadens eines nicht pflichtgemäß aufgeklärten Anlegers in der bei pflichtgemäßer Aufklärung nicht erworbenen Beteiligung
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 13.11.2012
Referenz: JurionRS 2012, 28043
Aktenzeichen: II ZR 23/12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Berlin - 14.03.2011 - AZ: 40 O 24/10

KG Berlin - 06.12.2011 - AZ: 14 U 111/11

BGH, 13.11.2012 - II ZR 23/12

Redaktioneller Leitsatz:

1.

Der Schaden eines nicht pflichtgemäß aufgeklärten Anlegers besteht in der bei pflichtgemäßer Aufklärung nicht erworbenen Beteiligung. Der Grund für die Haftung des Aufklärungspflichtigen liegt darin, dass durch unzutreffende oder unvollständige Informationen eines Prospekts in das Recht des mit dem Prospekt geworbenen Anlegers eingegriffen wird, zutreffend informiert in eigener Entscheidung über die Verwendung seines Vermögens zu bestimmen und sich für oder gegen die Anlage zu entscheiden. Dementsprechend erschöpft sich der Sinn der Aufklärungspflicht nicht darin, den Anleger davor zu schützen, dass der Prospekt unrichtige oder unvollständige Angaben über solche Umstände enthält, die sich später tatsächlich negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung der Anlage ausgewirkt haben. Ob sich ein im Prospekt unzutreffend dargestelltes Risiko verwirklicht hat, ist für die Feststellung eines auf dem Prospektfehler beruhenden Schadens ohne Belang. Deshalb kann derjenige, der durch unzutreffende Aufklärung zum Beitritt zu einem Fonds veranlasst worden ist, regelmäßig verlangen, im Wege der Naturalrestitution so gestellt zu werden, wie wenn er sich nicht beteiligt hätte. Es verstößt daher weder gegen § 242 BGB noch gegen die gesellschafterliche Treuepflicht, diesen Schadensersatzanspruch gegenüber einem Gründungsgesellschafter geltend zu machen, der eine unrichtige Prospektdarstellung nicht richtig gestellt hat, auch wenn sich der Prospektfehler tatsächlich nicht ausgewirkt hat.

2.

Ein Prospektfehler liegt aber nicht vor, wenn wenn es im Prospekt heißt: "Soweit Gläubiger durch Grundpfandrechte gesichert sind, haftet zunächst das Grundstück wie auch für öffentliche Lasten insgesamt. Darüber hinaus haften die Gesellschafter nur quotal entsprechend ihrer Beteiligung." Dieser Formulierung kann ein Anleger nicht entnehmen, dass die Gläubigerbank die Gesellschafter erst nach Verwertung des Fondsgrundstücks in Anspruch nehmen dürfe und die aus der Verwertung des Grundstücks erzielten Erlöse auf ihre quotale Haftung angerechnet würden. Diese Formulierung ruft unter Berücksichtigung des sprachlichen Zusammenhangs, der Systematik der Prospektdarstellung und des vom Prospekt vermittelten Gesamtbildes bei einem Anlageinteressenten nicht die unzutreffende Vorstellung hervor, dass er von den durch ein Grundpfandrecht gesicherten, finanzierenden Banken erst nach Verwertung des Gesellschaftsgrundstücks aus seiner persönlichen Haftung in Anspruch genommen werden kann.

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. November 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, die Richterin Dr. Reichart sowie die Richter Dr. Drescher, Born und Sunder

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 14. Zivilsenats des Kammergerichts vom 6. Dezember 2011 wird zurückgewiesen, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Der Senat hat die Verfahrensrügen geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.

Zwar hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft die Klage mit der Begründung abgewiesen, dem Schadensersatzverlangen des Klägers stünden § 242 BGB und die gesellschafterliche Treuepflicht entgegen, weil sich das mit dem unterstellten Prospektfehler verbundene Risiko des Klägers, von den finanzierenden Banken vor Verwertung des Fondsgrundstücks in Anspruch genommen zu werden, nicht verwirklicht habe. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung besteht der Schaden des nicht pflichtgemäß aufgeklärten Anlegers in der bei pflichtgemäßer Aufklärung nicht erworbenen Beteiligung. Der Grund für die Haftung des Aufklärungspflichtigen liegt darin, dass durch unzutreffende oder unvollständige Informationen eines Prospekts in das Recht

des mit dem Prospekt geworbenen Anlegers eingegriffen wird, zutreffend informiert in eigener Entscheidung über die Verwendung seines Vermögens zu bestimmen und sich für oder gegen die Anlage zu entscheiden (BGH, Urteil vom 5. Juni 1993 II ZR 194/92, BGHZ 123, 106, 112 ff.; Urteil vom 2. März 2009 II ZR 266/07, ZIP 2009, 764 Rn. 4; Urteil vom 23. April 2012 II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342 Rn. 24 [BGH 23.04.2012 - II ZR 75/10]). Dementsprechend erschöpft sich der Sinn der Aufklärungspflicht anders als das Berufungsgericht angenommen hat nicht darin, den Anleger davor zu schützen, dass der Prospekt unrichtige oder unvollständige Angaben über solche Umstände enthält, die sich später tatsächlich negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung der Anlage ausgewirkt haben (BGH, Urteil vom 5. Juni 1993 II ZR 194/92, BGHZ 123, 106, 112). Ob sich ein im Prospekt unzutreffend dargestelltes Risiko verwirklicht hat, ist für die Feststellung eines auf dem Prospektfehler beruhenden Schadens ohne Belang (BGH, Urteil vom 5. Juni 1993 II ZR 194/92, BGHZ 123, 106, 114; vgl. auch BGH, Urteil vom 3. Dezember 1991 XI ZR 300/90, BGHZ 116, 209, 212 f.). Deshalb kann derjenige, der durch unzutreffende Aufklärung zum Beitritt zu einem Fonds veranlasst worden ist, regelmäßig verlangen, im Wege der Naturalrestitution so gestellt zu werden, wie wenn er sich nicht beteiligt hätte. Es verstößt daher entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts weder gegen § 242 BGB noch gegen die gesellschafterliche Treuepflicht, diesen Schadensersatzanspruch gegenüber einem Gründungsgesellschafter geltend zu machen, der eine unrichtige Prospektdarstellung nicht richtig gestellt hat, auch wenn sich der Prospektfehler tatsächlich nicht ausgewirkt hat.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist aber im Ergebnis richtig, weil der vom Berufungsgericht unterstellte Prospektfehler nicht vorliegt. Ein Anleger konnte der Formulierung

Soweit Gläubiger durch Grundpfandrechte gesichert sind, haftet zunächst das Grundstück wie auch für öffentliche Lasten insgesamt. Darüber hinaus haften die Gesellschafter nur quotal entsprechend ihrer Beteiligung.

nicht entnehmen, dass die Gläubigerbank die Gesellschafter erst nach Verwertung des Fondsgrundstücks in Anspruch nehmen dürfe und die aus der Verwertung des Grundstücks erzielten Erlöse auf ihre quotale Haftung angerechnet würden (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 2011 II ZR 263/09, BGHZ 188, 233 Rn. 42 ff.; Beschluss vom 10. Juli 2012 II ZR 246/10, [...] Rn. 3, 5; Beschluss vom 21. August 2012 II ZR 99/11, [...] 3, 5). Die vom Kläger beanstandete Formulierung ruft unter Berücksichtigung des sprachlichen Zusammenhangs, der Systematik der Prospektdarstellung und des vom Prospekt vermittelten Gesamtbildes (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1982 II ZR 175/81, ZIP 1982, 923, 924 [BGH 12.07.1982 - II ZR 175/81]) bei einem Anlageinteressenten nicht die unzutreffende Vorstellung hervor, dass er von den durch ein Grundpfandrecht gesicherten, finanzierenden Banken erst nach Verwertung des Gesellschaftsgrundstücks aus seiner persönlichen Haftung in Anspruch genommen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2012 II ZR 246/10, [...] Rn. 5; Beschluss vom 21. August 2012 II ZR 99/11, [...] 5).

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO abgesehen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 ZPO).

Streitwert: 27.798,43 €

Bergmann

Reichart

Drescher

Born

Sunder

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