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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 02.05.2012, Az.: 1 StR 152/11
Zeitliche Beschränkung eines Ablehnungsgesuchs bei Ablehnung der Richter wegen Besorgnis der Befangenheit i.R. einer Entscheidung auf dem Beschlussweg; Voraussetzungen für einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 02.05.2012
Referenz: JurionRS 2012, 15645
Aktenzeichen: 1 StR 152/11
ECLI: [keine Angabe]

Fundstellen:

NStZ-RR 2012, 5

NStZ-RR 2012, 314

Verfahrensgegenstand:

Steuerhinterziehung u.a.

BGH, 02.05.2012 - 1 StR 152/11

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Entscheidet das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung im Beschlusswege (hier gemäß § 349 Abs. 2 StPO), so kann ein Ablehnungsgesuch in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO nur so lange statthaft vorgebracht werden, bis die Entscheidung ergangen ist.

  2. 2.

    § 24 Abs. 3 Satz 2 StPO findet keine Anwendung, wenn das Ablehnungsgesuch ohne Ausscheiden der abgelehnten Richter als unzulässig zu verwerfen ist.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Mai 2012 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Das Ablehnungsgesuch des Verurteilten gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Nack und die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Wahl, Hebenstreit, Prof. Dr. Jäger und Prof. Dr. Sander wegen der Besorgnis der Befangenheit wird als unzulässig verworfen.

  2. 2.

    Der Antrag des Verurteilten auf Nachholung rechtlichen Gehörs gegen den Beschluss des Senats vom 9. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

  3. 3.

    Der Verurteilte hat die Kosten der Anhörungsrüge zu tragen.

Gründe

1

1. Das Ablehnungsgesuch des Verurteilten ist verspätet und daher unzulässig. Entscheidet das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung im Beschlusswege (hier gemäß § 349 Abs. 2 StPO), so kann ein Ablehnungsgesuch in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO nur so lange statthaft vorgebracht werden, bis die Entscheidung ergangen ist (BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - 3 StR 425/06, BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 17; BGH, Beschluss vom 7. August 2007 - 4 StR 142/07, NStZ 2008, 55; BGH, Beschluss vom 19. August 2010 - 4 StR 657/09). Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn die Ablehnung mit einem Antrag nach § 356a StPO verbunden wird, der sich, wie auch im vorliegenden Fall (s. unten 2.), deswegen als unbegründet erweist, weil die gerügte Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nicht vorliegt, so dass insoweit nicht mehr in eine erneute Sachprüfung einzutreten ist. Denn § 356a StPO verfolgt allein den Zweck, dem Revisionsgericht, das in der Sache entschieden hat, Gelegenheit zu geben, im Falle des Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör diesem Mangel durch erneute Sachprüfung selbst abzuhelfen, um hierdurch ein Verfassungsbeschwerdeverfahren zu vermeiden. Dieser Rechtsbehelf dient hingegen nicht dazu, einem unzulässigen Ablehnungsgesuch durch die unzutreffende Behauptung einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG doch noch Geltung zu verschaffen (BGH aaO).

2

Dem Antrag des Verurteilten, ihm die zur Entscheidung über sein Ablehnungsgesuch berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen, war nicht nachzukommen. § 24 Abs. 3 Satz 2 StPO findet keine Anwendung, wenn das Ablehnungsgesuch ohne Ausscheiden der abgelehnten Richter (§ 26a Abs. 2 Satz 1 StPO) als unzulässig zu verwerfen ist (BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - 3 StR 425/06, BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 17; BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2005 - 5 StR 269/05, BGHR StPO § 24 Abs. 3 Satz 2 Besetzungsmitteilung 1). Der beantragten Einholung dienstlicher Äußerungen der abgelehnten Richter bedurfte es daher ebenfalls nicht.

3

2. Die Anhörungsrüge ist unbegründet. Der Senat hat bei seiner Entscheidung keine Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen der Antragsteller zuvor nicht gehört wurde, kein zu berücksichtigendes Vorbringen übergangen und auch sonst den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Insbesondere hat der Senat auch zu dem im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbK durchgeführten Freibeweisverfahren keinen Verfahrensstoff berücksichtigt, zu dem der Antragsteller nicht hätte Stellung nehmen können.

4

Mit Antrag vom 20. Oktober 2010 hat der Generalbundesanwalt "im Hinblick auf die nachträglich erlangten Erkenntnisse zum Aufenthaltsort des Angeklagten" die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbK als gegeben angesehen und deswegen beantragt, die Revision des Angeklagten durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Er hat dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er das in seiner ursprünglichen Antragsschrift hinsichtlich einzelner Taten aufgezeigte "vorläufige Verfahrenshindernis" nicht mehr für gegeben hält. Auf seinen hierauf gestellten Antrag vom 9. November 2011 wurde dem Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt S. , Akteneinsicht gewährt. Am 27. November 2011 hat Rechtsanwalt S. dann in einem umfangreichen Schriftsatz zum Antrag des Generalbundesanwalts vom 20. Oktober 2011, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO durch Beschluss zu verwerfen, Stellung genommen.

5

Der Senat hat über die Revision des Angeklagten - unter Berücksichtigung auch der in der Stellungnahme der Verteidigung vom 27. November 2011 neu vorgetragenen Argumente - eingehend beraten und dann dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 StPO entschieden. Der Umstand, dass er der Rechtsauffassung der Revision nicht gefolgt ist, begründet keinen Gehörsverstoß. Art. 103 Abs. 1 GG zwingt die Gerichte nicht dazu, jedes Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2007 - 2 BvR 746/07; BGH, Beschluss vom 7. November 2011 - 1 StR 452/11).

Nack

Wahl

Hebenstreit

Graf

Jäger

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