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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 19.10.2011, Az.: XII ZB 250/11
Ausreichen der Zustellung der Entscheidung oder Notwendigkeit der Verkündung für den Beginn der Rechtsmittelfristen bei Familienrechtsstreitigkeiten
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 19.10.2011
Referenz: JurionRS 2011, 28842
Aktenzeichen: XII ZB 250/11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Hagen - 24.11.2010 - AZ: 134 F 233/09

OLG Hamm - 18.04.2011 - AZ: II-5 UF 201/10

Fundstellen:

FamRB 2012, 50

FamRZ 2012, 106

FamRZ 2012, 206

FF 2012, 42

FPR 2011, 5

FuR 2012, 90-91

MDR 2011, 1495-1496

NJW-RR 2012, 1-2

BGH, 19.10.2011 - XII ZB 250/11

Amtlicher Leitsatz:

FamFG § 113 Abs. 1 Satz 1 und 2; ZPO §§ 233 Fc, 311 Abs. 2 Satz 1, 329 Abs. 1 Satz 1

In Familienstreitsachen findet nach § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG die Regelung des § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG keine Anwendung. Daher sind Entscheidungen in Familienstreitsachen nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i. V. m. §§ 311 Abs. 2 Satz 1, 329 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu verkünden.

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Oktober 2011 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke und die Richter Dose, Schilling und Dr. Günter beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. April 2011 wird auf Kosten des Antragstellers verworfen.

Beschwerdewert: 5.116 €

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt die Abänderung eines Unterhaltsurteils.

2

Das Amtsgericht hat dem Antrag nur teilweise stattgegeben. Der am 24. November 2010 verkündete Beschluss ist dem Antragsteller am 26. November 2010 zugestellt worden. Am 2. Dezember 2010 ist seine Beschwerde beim Amtsgericht eingegangen.

3

Mit einem am 27. Januar 2011 per Fax beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz begründete der Antragsteller seine Beschwerde. Nach einem Hinweis des Oberlandesgerichts vom 4. März 2011, dass die Beschwerdebegründung nicht fristgerecht eingegangen sei, hat der Antragsteller am 15. März 2011 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist beantragt.

4

Das Oberlandesgericht hat dem Antragsteller die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und seine Beschwerde als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i. V. m. §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, weil es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

6

Das Oberlandesgericht hat zu Recht dem Antragsteller die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und seine Beschwerde als unzulässig verworfen. Die Beschwerdebegründung ist verspätet bei dem zuständigen Oberlandesgericht eingegangen und die Säumnis ist auf ein dem Antragsteller zurechenbares Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten zurückzuführen.

7

1.

Die Beschwerde war gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i. V. m. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil der Antragsteller sie entgegen § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG nicht innerhalb von zwei Monaten nach der schriftlichen Bekanntgabe des amtsgerichtlichen Beschlusses begründet hat. Dem Antragsteller wurde der Beschluss am 26. November 2010 zugestellt. Die Beschwerdebegründung ist jedoch erst am 27. Januar 2011 und damit nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist des § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG beim Oberlandesgericht eingegangen.

8

2.

Ebenfalls zu Recht hat das Oberlandesgericht dem Antragsteller die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt, weil auf der Grundlage seines Vortrags ein ihm nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Anwaltsverschulden nicht ausgeräumt ist.

9

a)

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein Rechtsanwalt den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden (Senatsbeschlüsse vom 11. Februar 2004 - XII ZB 263/03- FamRZ 2004, 696 und vom 1. Dezember 2004 - XII ZB 164/03 - FamRZ 2005, 435, 436 jeweils mwN; zuletzt Senatsbeschluss vom 6. Juli 2011 - XII ZB 88/11 - [...] Rn. 9). In diesem Fall muss der Rechtsanwalt eigenverantwortlich stets auch alle weiteren unerledigten Fristen einschließlich ihrer Notierung in den Handakten prüfen. Für die Beschwerdebegründungsfrist nach § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG ist ihm das schon ab der Zustellung des Beschlusses möglich und zumutbar, weil die zweimonatige Begründungsfrist mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses beginnt.

10

Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers die Akte jedenfalls mit Ablauf der notierten Vorfrist am 20. Januar 2011 zur Fertigung der Beschwerdebegründung vorgelegt. Er hätte zu diesem Zeitpunkt die Begründungsfrist auf ihre Richtigkeit überprüfen müssen. Wäre der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers dieser Verpflichtung nachgekommen, hätte er den fehlerhaft für den 27. Januar 2011 notierten Fristablauf feststellen und die Beschwerdebegründung fristgemäß bis zum 26. Januar 2011 beim Oberlandesgericht einreichen können. Dieses Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten muss sich der Antragsteller zurechnen lassen.

11

b)

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Beschwerdebegründungsfrist auch mit der schriftlichen Bekanntgabe des amtsgerichtlichen Beschlusses an den Antragsteller in Gang gesetzt worden.

12

Die Rechtsbeschwerde geht zwar im Ansatz zutreffend davon aus, dass bei Fehlen einer wirksamen Verkündung des Beschlusses der Lauf der Rechtsmittelfristen nicht hätte beginnen können (vgl. BGHZ - GSZ - 14, 39, 44; Senatsurteil vom 13. April 2011 - XII ZR 131/09 - NJW 2011, 1741 Rn. 8). Der angegriffene Beschluss ist jedoch am 24. November 2010 ordnungsgemäß verkündet worden.

13

Da nach § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG in Familienstreitsachen die Regelung des § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG, wonach die Bekanntgabe eines Beschlusses mit der Zustellung bewirkt wird, keine Anwendung findet, sind Entscheidungen in Familienstreitsachen nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i. V. m. §§ 311 Abs. 2 Satz 1, 329 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu verkünden (MünchKommZPO/Fischer 3. Aufl. §116 FamFG Rn. 4; Musielak/Borth FamFG 2. Aufl. § 116 Rn. 3). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Ausweislich des Protokolls vom 24. November 2010 ist eine förmliche Verkündung des angegriffenen Beschlusses erfolgt.

14

Soweit die Rechtsbeschwerde die Verkündung des Beschlusses für unwirksam hält, weil die Richterin das Verkündungsprotokoll nur mit einer Paraphe unterzeichnet habe, kann dem nicht gefolgt werden. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt als Unterschrift ein Schriftzug, der individuellen Charakter aufweist und einem Dritten, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, ermöglicht, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauszulesen, der Unterzeichnende also erkennbar bleibt. Die Unterschrift muss zwar nicht unbedingt lesbar sein, mindestens einzelne Buchstaben müssen aber - wenn auch nur andeutungsweise - zu erkennen sein, weil es sonst an dem Merkmal einer Schrift fehlt. Anzulegen ist ein großzügiger Maßstab, wenn im Übrigen an der Autorenschaft und der Absicht, eine volle Unterschrift zu leisten, keine Zweifel bestehen (BGH Beschluss vom 16. September 2010 - IX ZB 13/10 - NZI 2011, 59 Rn. 5 mwN). Dagegen stellt ein Schriftzug, der als bewusste und gewollte Namensabkürzung erscheint (Handzeichen, Paraphe), keine formgültige Unterschrift dar (BGH Urteil vom 10. Juli 1997 -IX ZR 24/97 -NJW 1997, 3380, 3381).

15

Gemessen an diesen Grundsätzen reicht die Unterschrift der Richterin unter dem Verkündungsprotokoll aus, um von einer hinreichenden Individualisierbarkeit auszugehen. Im Gegensatz zu dem angegriffenen Beschluss, der eine gut lesbare Unterschrift trägt, hat die Richterin das Verkündungsprotokoll zwar undeutlicher unterzeichnet. Ein objektiver Betrachter kann den Schriftzug aufgrund des klar erkennbaren Anfangsbuchstabens jedoch als Unterschrift der Richterin identifizieren. Eine Lesbarkeit der Unterschrift ist nicht erforderlich. Das Erscheinungsbild macht auch deutlich, dass eine volle Unterschriftsleistung gewollt war.

16

3.

Weil der Antragsteller die Frist zur Begründung seiner Beschwerde nicht schuldlos versäumt hat, hat das Oberlandesgericht ihm die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 113 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 233 ZPO zu Recht versagt. Auch die Verwerfung der Beschwerde nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i. V. m. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist deswegen nicht zu beanstanden.

Hahne
Weber-Monecke
Dose
Günter
Schilling

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