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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 06.10.2011, Az.: V ZB 52/11
Anwendbarkeit des § 156 KostO auf Notarkostenrechnungen aus der Zeit vor dem 1. September 2009 bei erst danach erfolgter Beantragung der gerichtlichen Überprüfung
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 06.10.2011
Referenz: JurionRS 2011, 27755
Aktenzeichen: V ZB 52/11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Zwickau - 11.11.2010 - AZ: 5 T 26/09

OLG Dresden - 28.01.2011 - AZ: 7 W 3/11

Rechtsgrundlage:

§ 156 KostO

Fundstellen:

FGPrax 2012, 42-44

JurBüro 2012, 92-94

MDR 2012, 191-192

MittBayNot 2012, 318-321

NJW-RR 2012, 209-211

NotBZ 2012, 26-27

NZM 2012, 478

ZNotP 2012, 38-40

BGH, 06.10.2011 - V ZB 52/11

Amtlicher Leitsatz:

KostO §§ 20 Abs. 2, 156

  1. a)

    § 156 KostO ist auch auf Notarkostenrechnungen aus der Zeit vor dem 1. September 2009 anwendbar, wenn die gerichtliche Überprüfung erst danach beantragt wird.

  2. b)

    Eine Abweichung von dem Regelwert für die Beurkundung eines Vorkaufsrechts für ein Erbbaurecht lässt sich nicht darauf stützen, dass die Veräußerung eines Erbbaurechts nach dessen Inhalt auch von der Zustimmung des Grundstückseigentümers abhängt.

  3. c)

    Eine solche Abweichung kommt nur ausnahmsweise und nur in Betracht, wenn der Eintritt des Vorkaufsfalls und die Ausübung des Vorkaufsrechts auf Grund von anderen für alle Beteiligten erkennbaren eindeutigen und sicher vorhersehbaren Umständen im Zeitpunkt der Beurkundung weniger wahrscheinlich ist als die Nichtausübung.

  4. d)

    Bei der Bemessung der gebotenen Abweichung von dem Regelwert des § 20 Abs. 2 KostO hat der Tatrichter ein Ermessen, dessen Ausübung im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt überprüfbar ist.

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Oktober 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 28. Januar 2011 wird auf Kosten des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Der Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 6.939,58 €.

Gründe

I.

1

Der Beteiligte zu 1 (fortan: Notar) beurkundete am 1. Juli 2009 zwei Erbbaurechtsbestellungsverträge, in welchen eine große kreisangehörige Stadt dem Beteiligten zu 2 (fortan: Landkreis) jeweils ein Erbbaurecht an zwei ihr gehörenden, nahe beieinander liegenden innerstädtischen Grundstücken bestellte, einem mit einem Bürogebäude bebauten und einem von der Grundstückseigentümerin auf ihre Kosten auf einer Teilfläche zur Schaffung von Behördenparkplätzen von der bisherigen Bebauung freizumachenden Grundstück. In beiden Verträgen ist ein dingliches Vorkaufsrecht zugunsten der Stadt für alle Verkaufsfälle und - als Inhalt des jeweiligen Erbbaurechts - vorgesehen, dass der Landkreis zur Veräußerung und Belastung des Erbbaurechts der Zustimmung der Stadt als Grundstückseigentümerin bedarf. In seinen für die Verträge erteilten Kostenrechnungen vom 17. Juli 2009, deren Schuldner der Landkreis ist, berechnete der Notar den Einsatzwert für die Beurkundung der Vorkaufsrechte auf der Grundlage des halben Werts der Sache (§ 20 Abs. 2 KostO). Die Wertansätze von 12.243.900 € für das eine und von 948.131 € für das andere Vorkaufsrecht hält der Landkreis für überhöht. Er meint, es habe nicht die Hälfte, sondern nur ein Zehntel des Werts der jeweiligen Erbbaurechte angesetzt werden dürfen, da diese durch den Zustimmungsvorbehalt weitgehend entwertet seien. Den am 20. Dezember 2009 eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das Landgericht zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Landkreises hat das Oberlandesgericht die Kostenrechnungen in dem beantragten Umfang gekürzt. Dagegen wendet sich der Notar mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, die der Landkreis für unbegründet hält.

II.

2

Das Beschwerdegericht geht davon aus, dass sich der Rechtsschutz gegen die vor dem Inkrafttreten von § 156 KostO am 1. September 2009 erteilten Kostenrechnungen dennoch nach dieser Vorschrift richtet, weil der Antrag auf Entscheidung des Landgerichts erst nach dem 1. September 2009 gestellt worden ist. Den Antrag hält es für begründet. Die Vereinbarung eines Zustimmungsvorbehalts senke die Wahrscheinlichkeit, dass ein dem Grundstückseigentümer eingeräumtes Vorkaufsrecht praktische Bedeutung erlange, auf ein sehr geringes Maß herab. Der Zustimmungsvorbehalt bringe ein ausgeprägtes Interesse an Kontinuität zum Ausdruck und wirke abschreckend. Hier handele es sich zudem um Erbbaurechtsbestellungsverträge zwischen Kommunen, die langfristig planten. Die Bauwerke sprächen nur einen kleinen Kreis von Nutzern an. Schließlich sei die Durchführung der Verträge von der Bewilligung von Fördermitteln abhängig. Das zwinge die Stadt als Grundstückeigentümerin, an der Nutzung festzuhalten, um eine Rückforderung von Subventionen zu vermeiden. Diese Zweckbindung ergebe sich auch aus der nach dem Inhalt der Rechte zulässigen Nutzung. Deshalb sei der Wert der Vorkaufsrechte in den beiden angegriffenen Kostenrechnungen nicht mit der Hälfte, sondern mit 10% des Werts der Sache anzusetzen.

III.

3

Diese Erwägungen halten im Ergebnis einer rechtlichen Prüfung stand. Das Rechtsmittel des Notars bleibt deshalb ohne Erfolg.

4

1. Die Rechtsbeschwerde ist allerdings nach § 156 Abs. 4 Satz 1 KostO i.V.m. § 70 Abs. 1 FamFG statthaft, weil sie von dem Beschwerdegericht zugelassen worden ist. Sie ist nach §§ 71 f. FamFG auch sonst zulässig. Diese Vorschriften sind, was das Beschwerdegericht nicht anders sieht, nach dem hierfür allein maßgeblichen (Begründung des FGG-RG in BT-Drucks 16/6308 S. 359) Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG auf den vorliegenden Altfall anwendbar. Die angegriffenen Kostenrechnungen sind zwar vor dem Inkrafttreten der Änderung des § 156 KostO erteilt, der Antrag auf gerichtliche Nachprüfung ist aber erst danach gestellt worden. Darauf kommt es für die Bestimmung des in zeitlicher Hinsicht anwendbaren Verfahrensrechts an; die hierfür nicht gedachte Vorschrift des § 161 KostO ist auf diesen Fall nicht anwendbar (aM OLG München, ZNotP 2010, 359, 360).

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2. Die Rechtsbeschwerde ist indessen im Ergebnis nicht begründet.

6

a) Der Geschäftswert eines Vorkaufsrechts für ein Erbbaurecht bemisst sich nach § 20 Abs. 2 KostO in der Regel nach dem "halben Wert der Sache". Ob das auch dann gilt, wenn sich der Grundstückseigentümer die Zustimmung zu dessen Verkauf vorbehalten hat, ist umstritten. Der Streitstand stellt sich, wie die Ländernotarkasse in ihrer durch das Landgericht eingeholten Stellungnahme im Einzelnen und zutreffend dargelegt hat, wie folgt dar: Nach einer Ansicht entwertet ein solcher Zustimmungsvorbehalt den Wert des Vorkaufsrechts erheblich. Dieser könne nur noch mit 10% bis 20% des Werts nach Bebauung angesetzt werden (BayObLG, DNotZ 1968, 760, 764; 1984, 113, 115; KG, FGPrax 1999, 72, 74 [OLG Düsseldorf 26.10.1998 - 3 Wx 391/98]; KGR 1994, 96 [Ls]; DNotZ 1969, 437, 438; OLG Braunschweig, KostRspr § 20 Abs. 2 KostO Nr. 18; OLG Frankfurt/Main, JurBüro 1960, 214, 216; 1974, 629; 1976, 1364; OLG Hamm, Rpfleger 1960, 65; OLG Neustadt/Weinstraße, DNotZ 1964, 242; Assenmacher/Mathias, KostO, 16. Aufl., Stichwort Erbbaurecht unter Nr. 1.2.7; Schwarz in Korinthenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 18. Aufl., § 21 Rn. 25; Rohs/Wedewer, KostO [Stand Dezember 2007] § 21 Rn. 5; v. Oefele/Winkler, Handbuch des Erbbaurechts, 4. Aufl., Rn. 9.3; Waldner, Beck'sches Notarhandbuch, 5. Aufl., Teil J Rn. 78; Mümmler, JurBüro 1983, 1150, 1155). Zur Begründung wird auf die geringe Bedeutung eines Vorkaufsrechts neben einem Zustimmungsvorbehalt sowie darauf verwiesen, dass die Bestellung des Vorkaufsrechts wegen der Einbeziehung des Werts der Bebauung andernfalls eine höhere Gebühr auslöse als die Bestellung des Erbbaurechts an sich. Nach der Gegenmeinung mindert die Vereinbarung eines Zustimmungsvorbehalts für den Grundstückseigentümer die wirtschaftliche Bedeutung eines ihm eingeräumten Vorkaufsrechts nicht. Das Vorkaufsrecht einerseits und der Zustimmungsvorbehalt andererseits hätten eine unterschiedliche Funktion. Auch komme es für die Bewertung der Beurkundungstätigkeit nicht darauf an, in welchem Umfang von den eingeräumten Rechten und Befugnissen Gebrauch gemacht werde (OLG Celle, DNotZ 1960, 51, 52; OLG Hamburg, DNotZ 1961, 434, 435; OLG Karlsruhe, DNotZ 1963, 569, 570; OLG München, FGPrax 2006, 134, 135 [OLG München 08.02.2006 - 32 Wx 10/06]; OLG Schleswig, Jur-Büro 1976, 354; 1982, 1867 f.; OLG Stuttgart, Rpfleger 1964, 131; Filzek, KostO, 4. Aufl., § 21 Rn. 8; Hartmann, Kostengesetze, 41. Aufl., § 20 KostO Rn. 36; Notarkasse München, Streifzug durch die Kostenordnung, 7. Aufl., Rn. 456 unter Abweichung von der gegenteiligen Ansicht in 6. Aufl., Rn. 384, 391; Hügel/Otto in Kersten/Bühling, Formularbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 23. Aufl., § 57 Rn. 59 M Kostenanmerkung 1 a cc).

7

b) Den Senat überzeugt die zweite Ansicht.

8

aa) Mit der Einräumung eines Vorkaufsrechts wird ein durch den Abschluss des Kaufvertrags mit dem Dritten und die Ausübung des Vorkaufsrechts bedingter Kaufvertrag geschlossen. Der Wert des Vorkaufsrechts entspricht aber nicht dem vollen Wert dieses Kaufvertrags, weil unsicher ist, ob es zu dem Eintritt der Bedingungen kommt. Der Gesetzgeber hält deren Eintritt oder Nichteintritt, wie auch das Beschwerdegericht nicht verkennt, für gleich wahrscheinlich und hat deshalb als Regel den halben Wert der Sache vorgegeben.

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bb) Eine Abweichung von der gesetzlichen Regel kommt nur in Betracht, wenn sich die Erwartung des Gesetzgebers, der Eintritt des Vorkaufsfalls und die Ausübung des Vorkaufsrechts seien gleich wahrscheinlich oder unwahrscheinlich, als unzutreffend erweist. Dafür kann es allerdings nicht darauf ankommen, ob das beurkundete Vorkaufsrecht von dem einzelnen Vorkaufsberechtigten tatsächlich ausgeübt werden wird. Denn das lässt sich nicht vorhersehen. Eine solche Spekulation wäre keine taugliche Grundlage für die Bemessung der Gebühren - hier - eines Notars. Von dem Regelwert für die Beurkundung eines Vorkaufsrechts kann deshalb nur abgewichen werden, wenn der Eintritt des Vorkaufsfalls und die Ausübung des Vorkaufsrechts auf Grund von für alle Beteiligten erkennbaren eindeutigen Umständen im Zeitpunkt der Beurkundung sicher weniger wahrscheinlich sind als das Nichteintreten dieser Umstände.

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cc) Das kann, anders als das Beschwerdegericht meint, nicht schon auf Grund des Umstands angenommen werden, dass die Veräußerung eines Erbbaurechts nach dessen Inhalt auch von der Zustimmung des Grundstückseigentümers abhängt. Welchen Einfluss ein solcher Vorbehalt auf den für die Bemessung der Gebühr maßgeblichen Eintritt oder Nichteintritt der Bedingungen des Vorkaufs hat, bleibt letztlich Spekulation und ist damit keine taugliche Grundlage für eine Abweichung von dem Regelwert des § 20 Abs. 2 KostO.

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(1) Die Vereinbarung eines Vorkaufsrechts wäre sinnlos, wenn der Grundstückseigentümer mit einem gleichzeitig vereinbarten Zustimmungsvorbehalt die Absicht verfolgte, den Eintritt der Bedingungen für das Wirksamwerden des ihm selbst eingeräumten Vorkaufsrechts durch die Verweigerung der Zustimmung von vorneherein zu verhindern. Ein Grundstückseigentümer, der dieses Ziel anstrebt, wird gewöhnlich davon absehen, sich ein Vorkaufsrecht einräumen zu lassen. Soll ihm aber nach dem Vertrag - wie hier - ein dingliches Vorkaufsrecht, noch dazu für alle Verkaufsfälle, eingeräumt werden, liegt dem regelmäßig die Vorstellung zugrunde, dass dieses Vorkaufsrecht tatsächlich auch einmal zur Ausübung kommen kann, dass es also auch zustimmungsfähige Verkäufe gibt, die dennoch zur Ausübung des Vorkaufsrechts führen.

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(2) Eine andere Gestaltung wäre auch nicht zulässig. Der Zustimmungsvorbehalt gibt dem Grundstückseigentümer nämlich nicht das Recht, das Wirksamwerden des Kaufvertrags mit dem Dritten nach eigenem Gutdünken zu verhindern. Dem Erbbauberechtigten steht vielmehr nach § 7 Abs. 1 und 3 ErbbauRG ein gesetzlicher Anspruch auf Zustimmung des Grundstückseigentümers zu der beabsichtigten Veräußerung zu. Danach kann die verweigerte Zustimmung des Grundstückseigentümers durch das Gericht ersetzt werden, wenn anzunehmen ist, dass durch die Veräußerung der mit der Bestellung des Erbbaurechts verfolgte Zweck nicht wesentlich beeinträchtigt oder gefährdet wird und dass die Persönlichkeit des Erwerbers Gewähr für eine ordnungsmäßige Erfüllung der sich aus dem Erbbaurechtsinhalt ergebenden Verpflichtungen bietet. Dieses Verfahren muss entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts auch nicht abschrecken. Ein Grundstückseigentümer, der seine Zustimmung pflichtwidrig und schuldhaft verweigert, haftet dem Erbbauberechtigten nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB auf Ersatz des daraus entstehenden Schadens (vgl. Senat, Urteil vom 16. Dezember 1994 - V ZR 163/93, WM 1995, 770, 771 [BGH 16.12.1994 - V ZR 163/93]), es sei denn, der Erbbauberechtigte hätte den Schaden im Wege eines Antrages nach § 7 Abs. 3 ErbbauRG auf gerichtliche Ersetzung der Zustimmung verhindern können (vgl. auch OLG Frankfurt/Main, OLGR 1998, 205, 207).

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(3) Damit hängt das Wirksamwerden des Kaufvertrags mit dem Dritten, aber auch des durch den Vorkaufsfall und die Ausübung des Vorkaufsfall bedingten Kaufvertrags über das Erbbaurecht mit dem Grundstückseigentümer selbst auch bei einem Zustimmungsvorbehalt letztlich davon ab, welches Interesse der Grundstückseigentümer bei Eintritt des Vorkaufsfalls konkret hat und wie er seine rechtlichen Möglichkeiten einschätzt, dieses Interesse auch durch Verweigerung der Zustimmung zu verwirklichen. Diese Situation lässt sich bei der Beurkundung nicht sicher abschätzen und rechtfertigt deshalb eine Herabsetzung des Regelwerts eines Vorkaufsrechts nicht.

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(4) Eine solche Herabsetzung ist auch nicht, wie teilweise geltend gemacht wird, damit zu rechtfertigen, dass die Gebühr für die Beurkundung des Vorkaufsrechts höher ausfallen könne als die für die Bestellung des Erbbaurechts selbst. Das ist zwar möglich, hat seinen Grund aber in der Wahl des Werts der Sache als Anknüpfungspunkt für die Bemessung der Gebühr und besagt nichts darüber, mit welcher Wahrscheinlichkeit es zur Ausübung des Vorkaufsrechts und/oder des Zustimmungsvorbehalts kommt.

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c) Dass der Eintritt des Vorkaufsfalls und die Ausübung des Vorkaufsrechts weniger wahrscheinlich sind als das Nichteintreten dieser Umstände, kann sich indes auch aus anderen für alle Beteiligten erkennbaren eindeutigen und sicher vorherzusehenden Umständen im Zeitpunkt der Beurkundung ergeben. Solche Umstände liegen hier, wie das Beschwerdegericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat, vor.

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aa) Der Umstand, dass der Grundstückseigentümer hier eine Gemeinde ist, genügt dafür allerdings nicht. Eine Gemeinde kann zwar von einem Vorkaufsrecht nicht nach Belieben Gebrauch machen. Sie müsste dazu die kommunalrechtlichen Vorgaben beachten und dürfte das Vorkaufsrecht nur ausüben, wenn sie das Erbbaurecht für ihre Zwecke benötigt. Sie bedürfte der kommunalaufsichtlichen Genehmigung, die hier zudem der beteiligte Landkreis erteilen müsste, der zugleich Inhaber des Erbbaurechts ist. Außerdem müssten im Haushalt der Grundstückseigentümerin die für den Ankauf erforderlichen Mittel bereitgestellt worden sein. Diese Umstände mögen ein nicht zu überwindendes Hindernis für die Ausübung des Vorkaufsrechts im konkreten Verkaufsfall darstellen. Sicher vorhersehen lässt sich das aber nicht. Der Landkreis dürfte die Genehmigung auch nicht von seinen eigenen Interessen abhängig machen, sondern nur von den objektiven Bedürfnissen der Grundstückseigentümerin. Ob Haushaltsmittel bereitstehen, bestimmt sich letztlich nach der durch den Verkaufsfall entstehenden zukünftigen Lage, die sich nicht ansatzweise vorhersehen lässt. Das alles besagt über die geringere Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Vorkaufsfalls und der Ausübung des Vorkaufsrechts nichts.

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bb) Dass der Eintritt des Vorkaufsfalls hier mit der erforderlichen Eindeutigkeit und Sicherheit unwahrscheinlicher ist als von dem Gesetzgeber in § 20 Abs. 2 KostO für den Regelfall vorausgesetzt, ergibt sich aber vor allem aus der nach den Erbbaurechten zulässigen Nutzung der Erbbaugrundstücke und den von dem Landkreis nach den Angaben des Notars in den Kostenrechnungen vorgesehenen erheblichen Investitionen.

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(1) Die Erbbaugrundstücke sollen nach § 7 der Verträge "für Zwecke der öffentlichen Verwaltung vor allem im Bereich der Aufgaben des Landkreises" genutzt werden. Das schränkt den Kreis der denkbaren Verkaufsfälle stark ein. Ohne weiteres verkäuflich wären die beiden Erbbaurechte danach nur an andere Träger öffentlicher Aufgaben. Verkäufe an Dritte müssten dagegen von einer Änderung des Erbbaurechts oder wenigstens einer Zustimmung der Grundstückseigentümerin begleitet werden.

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(2) Eine solche Veränderung der Nutzung ist wenig wahrscheinlich. Auf beiden Erbbaugrundstücken sollten Baumaßnahmen durchgeführt werden, deren Umfang in den Kostenrechnungen mit 2 Mio. € für das für Behördenparkplätze zu nutzende Erbbaugrundstück und mit 28 Mio. € für das mit dem Altbau bebaute Erbbaugrundstück angegeben und von den Beteiligten nicht angezweifelt wird. Diese Investitionen setzen indes, worauf das Beschwerdegericht zu Recht hingewiesen hat, ausweislich der Rücktrittsklauseln in § 19 des Vertrags zu UR-Nr. 1163/2009 und § 20 des Vertrags zu UR-Nr. 1162/2009 die Bewilligung von Fördermitteln voraus. Das zwingt wiederum dazu, deren spätere Rückforderung wegen Verfehlens des Förderzwecks zu vermeiden. Als Erwerbsinteressenten kommen deshalb nur Träger in Betracht, die in den Förderzweck eintreten können.

20

(3) Ob die Grundstückseigentümerin überhaupt Veranlassung haben kann, bei solchen Verkaufsfällen das Vorkaufsrecht auszuüben, ist zweifelhaft. Wenig wahrscheinlich ist aber, dass sie bereit und in der Lage sein wird, in solchen Verkaufsfällen die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts zu schaffen. Angesichts des beschriebenen Investitionsvolumens von etwa 30 Mio. € wird mit entsprechend hohen Verkaufspreisen zu rechnen sein, die auch eine große kreisangehörige Stadt wie die Grundstückseigentümerin nicht ohne weiteres aufbringen kann.

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cc) Bei der Bemessung der hiernach gebotenen Abweichung von dem Regelwert des § 20 Abs. 2 KostO hat der Tatrichter ein Ermessen. Dessen Ausübung durch das Beschwerdegericht ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt überprüfbar und in diesem Rahmen nicht zu beanstanden.

IV.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 156 Abs. 5 Satz 3 und Abs. 6 KostO, § 84 FamFG. Den Geschäftswert hat der Senat gemäß § 30 Abs. 1 KostO nach der Differenz zwischen den abgerechneten und den geänderten Gebühren festgesetzt.

Krüger

Lemke

Schmidt-Räntsch

Stresemann

Czub

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