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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 22.09.2011, Az.: IX ZB 107/10
Bedeutung des vom vorläufigen Insolvenzverwalter in Besitz zu nehmenden oder sonst für die Masse zu reklamierenden Vermögen für die Berechnung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 22.09.2011
Referenz: JurionRS 2011, 25974
Aktenzeichen: IX ZB 107/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Karlsruhe - 29.12.2009 - AZ: 4 IN 1013/04

LG Karlsruhe - 30.04.2010 - AZ: 11 T 42/10

Rechtsgrundlage:

§ 11 Abs. 1 InsVV

Fundstelle:

ZInsO 2011, 2055-2056

BGH, 22.09.2011 - IX ZB 107/10

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser,
die Richter Raebel und Vill,
die Richterin Lohmann und
den Richter Dr. Pape
am 22. September 2011
beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten wird der Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 30. April 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 8.329,26 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der weitere Beteiligte wurde mit Beschluss des Amtsgerichts vom 4. Januar 2005 im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen des K. R. (im Folgenden: Schuldner) zum vorläufigen Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. Das Amt endete durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 13. Juni 2006 unter gleichzeitiger Bestellung des weiteren Beteiligten zum Insolvenzverwalter.

2

Der Schuldner ist Bauingenieur und Inhaber der Einzelfirma R. . Außerdem ist er Alleingesellschafter der B. und R: GmbH i.L. Diese ist zu 50 v.H. Gesellschafterin der R. B. GmbH i.L.; die übrigen 50 v.H. hält der Schuldner persönlich.

3

Während des Insolvenzeröffnungsverfahrens bereitete der Schuldner als Liquidator einen Prozess der A. GmbH i.L. und der R. GmbH i.L. gegen die D. GmbH auf Zahlung von 2,9 Mio. € vor. Der Klagebetrag wurde nebst Zinsen von 8 v.H. über dem Basiszinssatz mit Urteil vom 24. November 2006 zugesprochen. Das Urteil ist nach Zurückweisung der Berufung und der Nichtzulassungsbeschwerde rechtskräftig. Die dortige Beklagte zahlte daraufhin am 2. Oktober 2008 einen Betrag von 4.203.982,55 €. Davon wurden 1.416.105,14 € an das Prozessfinanzierungsunternehmen ausgezahlt. Nach Abzug weiterer Verbindlichkeiten verblieb der A. ein Betrag von ca. 2 Mio. €.

4

Der weitere Beteiligte war auch Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. und R. GmbH i.L. Er hielt die Ansprüche gegen die D. GmbH wegen Verjährung für nicht durchsetzbar.

5

Gegen die B. und R. GmbH i.L. bestanden nach dem Gutachten des weiteren Beteiligten Verbindlichkeiten in Höhe von mindestens 35.000 €, gegen die R. B. GmbH i.L. Forderungen in Höhe von 265.819,30 €, wovon 244.773,93 € vom Insolvenzverwalter anerkannt waren.

6

In seinem Insolvenzgutachten über das Vermögen des Schuldners bejahte der weitere Beteiligte die Zahlungsunfähigkeit, weil innerhalb eines absehbaren Zeitraums nicht mit einem Urteil in dem angesprochenen Prozess und auch nicht mit Zahlungen der Drittschuldnerin zu rechnen sei. Die Gesellschaftsanteile des Schuldners bewertete er mit 0 €.

7

Der Schuldner ist unter anderem Eigentümer eines vermieteten Wohnhauses in O. . Ein Wertgutachten aus dem Jahre 1991 wies einen Verkehrswert von 76.693,78 € aus. Der weitere Beteiligte setzte in seinem Insolvenzgutachten vom 24. April 2006 einen Verkehrswert von 40.000 € an.

8

Mit Antrag vom 28. Dezember 2009 beantragte der weitere Beteiligte die Vergütung seiner Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter auf 17.052,88 € festzusetzen, zuzüglich Auslagen von 4.057,93 € und Umsatzsteuer in Höhe von 16 v.H. von 3.377,73 €, insgesamt 24.488,54 €. Als Berechnungsgrundlage setzte er 2.023.074,95 € an, wovon 1,8 Mio. € auf die genannten Geschäftsanteile und 81.806,30 € auf das Grundstück in O. entfielen. Er beantragte eine Vergütung von 25 v.H. der Regelvergütung des Insolvenzverwalters; nach seiner Auffassung kamen Zuschläge von 30 bis 50 v.H. in Betracht, die er jedoch nicht beantragte.

9

Mit Beschluss vom 29. Dezember 2009 hat das Amtsgericht die Vergütung wie beantragt festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht die Vergütung auf 9.882,48 €, die Auslagenpauschale unverändert auf 4.057,93 €, die Umsatzsteuer auf 2.228,87 €, zusammen 16.159,28 € festgesetzt.

10

Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der weitere Beklagte die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Vergütungsfestsetzung.

II.

11

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 6, 7, 64 Abs. 3 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie ist zum Teil begründet und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).

12

1.

Das Beschwerdegericht hat den Wert der Unternehmensbeteiligungen des Schuldners mit 1.630.914 € berechnet und ihren Wert zum Stichtag 13. Juni 2006 auf 25 v.H. dieser Summe, mithin auf 407.728,50 € geschätzt. Den Wert des Grundstücks in O. hat es entsprechend der Bewertung des weiteren Beteiligten in seinem Insolvenzgutachten auf 40.000 € geschätzt. Bei einer Berechnungsgrundlage von insgesamt 588.996,75 € hat es eine Regelvergütung gemäß § 2 Abs. 1 InsVV in Höhe von 39.529,94 € errechnet und dem Rechtsbeschwerdeführer die Regelvergütung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV von 25 v.H. hieraus, also 9.882,48 € zugebilligt, die Auslagen - da unbeanstandet - unverändert mit 4.047,93 € und 16 v.H. Umsatzsteuer von 2.228,87 € festgesetzt. Zuschläge wurden nicht geprüft und zugebilligt.

13

2.

Die Ausführungen des Beschwerdegerichts halten rechtlicher Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.

14

a)

Für die Festsetzung der Vergütung des weiteren Beteiligten als vorläufiger Insolvenzverwalter ist § 11 Abs. 1 InsVV in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung vom 4. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2569) anwendbar. Die Änderungen der zweiten Verordnung zur Änderung der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3389) sind dagegen unbeachtlich, weil sie auf Vergütungen aus vorläufigen Insolvenzverwaltungen, die vor dem 29. Dezember 2006 begonnen und geendet haben, keine Anwendung finden (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 - IX ZB 35/05, ZIP 2008, 2323 Rn. 5 ff).

15

b)

Eingang in die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters finden gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV a.F. solche Vermögenswerte, auf die sich seine Tätigkeit während des Eröffnungsverfahrens erstreckt hat. Entscheidend ist die Zugehörigkeit zu dem vom vorläufigen Insolvenzverwalter in Besitz zu nehmenden oder sonst für die Masse zu reklamierenden Vermögen (BGH, Beschluss vom 29. April 2004 - IX ZB 225/03, ZIP 2004, 1653, 1654; vom 23. September 2010 - IX ZB 204/09, ZIP 2010, 2107 Rn. 10). Zutreffend hat deshalb das Beschwerdegericht sowohl den Wert der Geschäftsanteile wie den Wert des Grundstücks in O. bei der Berechnungsgrundlage berücksichtigt. Das wird von den Beteiligten auch nicht in Frage gestellt.

16

c)

Bei der Bewertung dieser Vermögensgegenstände hat das Beschwerdegericht schon deshalb zutreffend auf den Zeitpunkt der Beendigung des Eröffnungsverfahrens abgestellt, weil diese Vermögensgegenstände zu diesem Zeitpunkt noch zu dem verwalteten Vermögen gehört haben (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2006 - IX ZB 127/04, ZPO 2006, 672 Rn. 6; vom 12. Mai 2011 - IX ZB 125/08, ZInsO 2011, 1128 Rn. 3 mwN).

17

d)

Das Beschwerdegericht hat jedoch verkannt, dass von dem Wertermittlungsstichtag die Erkenntnisquellen zu unterscheiden sind, welche die stichtagsbezogene Bewertung tragen. Diese Erkenntnisquellen sind bis zum letzten tatrichterlichen Entscheidungszeitunkt, an dem der Vergütungsanspruch zu beurteilen ist, zu nutzen (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 - IX ZB 23/07, ZIP 2010, 1504 Rn. 9; vom 12. Mai 2011, aaO Rn. 3, je mwN).

18

aa)

Der Wert der Gesellschaftsanteile zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens war deshalb entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht anhand der Erkenntnisquellen zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu schätzen. Abzustellen war vielmehr auf die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts vorhandenen Unterlagen, vor allem auf den Ausgang des von den Gesellschaften gegen die D. GmbH betriebenen streitigen Klageverfahrens. Das Beschwerdegericht hätte deshalb den im Prozess erwirkten Zahlungstitel bei der Bewertung der Geschäftsanteile zugrunde legen, von dem Zahlungsbetrag aber die den Wert der Gesellschaftsanteile mindernden Beträge abziehen müssen. Das Landgericht hat insoweit zutreffend die abzuführende Umsatzsteuer, die Vergütung des Prozessfinanzierers und die Schulden der beiden Gesellschaften in Abzug gebracht.

19

bb)

Hinsichtlich des mit 40.000 € angesetzten Werts des Grundstücks in O. ist die Entscheidung des Beschwerdegerichts dagegen nicht zu beanstanden. Das Beschwerdegericht hat Bezug genommen auf das Insolvenzgutachten des Rechtsbeschwerdeführers vom 24. April 2006. Darin hat dieser den aktuellen Wert der Immobilie trotz einer Wertermittlung im Jahre 1991, die laut Insolvenzgutachten einen Verkehrswert von 76.693,78 € ausgewiesen hatte, für das Jahr 2006 wegen eingetretener Verschlechterungen und nach intensiver Auswertung des aktuellen regionalen Immobilienmarkts für einen im freihändigen Verkauf erzielbaren Erlös mit allenfalls 40.000 € angesetzt.

20

Soweit die Rechtsbeschwerde als Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör und als Willkürverstoß rügt, das Beschwerdegericht habe das mit der Rechtsbeschwerde vorgelegte Wertgutachten des Bausachverständigen Dipl.-Ing. Ro. vom 22. April 1991 nicht herangezogen und seine davon abweichende Schätzung des Verkehrswerts nicht begründet, ist dies nicht nachvollziehbar. Sie legt schon nicht dar, dass dem Beschwerdegericht dieses Gutachten überhaupt zur Verfügung gestanden hätte. Das Landgericht ist der Bewertung des Rechtsbeschwerdeführers für den Fall eines freihändigen Verkaufs gefolgt. Gerade nach den Ausführungen des Rechtsbeschwerdeführers selbst war das Wertgutachten aus dem Jahre 1991 nicht mehr maßgebend. Soweit das Landgericht auf Seite 3 seines Beschlusses den Wert des Grundstücks nach dem genannten Wertgutachten aus dem Jahre 1991 mit 76.693,78 € beziffert, übernimmt es lediglich wörtlich die entsprechenden Angaben des Rechtsbeschwerdeführers in seinem Insolvenzgutachten.

21

cc)

Die Rüge der Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe wegen der von ihm niedriger angesetzten Berechnungsgrundlage von Amts wegen nicht geltend gemachte, lediglich als möglich bezeichnete Zuschläge prüfen und zubilligen müssen, ist unbegründet. Derartige Zuschläge sind vom Rechtsbeschwerdeführer auch nicht hilfsweise geltend gemacht worden. Zuschlagsbegründende Umstände sind zudem bislang nicht ausreichend dargelegt.

III.

22

Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif. Sie ist deshalb an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, § 577 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 ZPO.

23

Bei der erneuten Sachbehandlung wird das Beschwerdegericht bei Zugrundelegung einer höheren als der bisher angenommenen Berechnungsgrundlage unter Wahrung des Verschlechterungsverbots (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2004 - IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122; vom 16. Mai 2005 - IX ZB 264/03, ZIP 2005, 1372 [BGH 16.06.2005 - IX ZB 264/03]; vom 16. Juni 2005 - IX ZB 285/03, ZIP 2005, 1371) auch zu prüfen haben, ob im Hinblick auf den im Verhältnis zum Gesamtbetrag der Berechnungsgrundlage hohen Wert der Gesellschaftsanteile, die der Rechtsbeschwerdeführer selbst als wertlos eingestuft und zu deren Realisierung er nichts beigetragen hat, ein Abschlag nach §§ 10, 3 Abs. 2 Buchst. d InsVV vorzunehmen ist.

24

Das Beschwerdegericht wird außerdem eine Neuberechnung der beantragten Auslagenpauschale nach §§ 10, 8 Abs. 3 InsVV vorzunehmen haben, deren Höhe sich nach der zugebilligten Regelvergütung richtet und deshalb bei deren Absenkung nicht unberührt bleiben kann, soweit nicht weiterhin die Höchstbeträge erreicht sind.

Kayser
Raebel
Vill
Lohmann
Pape

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