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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 30.09.2010, Az.: III ZB 69/09
Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs bei Einhalten der für innerstaatliche Schiedssprüche geltenden Formvorschrift
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 30.09.2010
Referenz: JurionRS 2010, 25445
Aktenzeichen: III ZB 69/09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OLG Frankfurt am Main - 27.08.2009 - AZ: 26 SchH 3/09

Rechtsgrundlagen:

§ 1031 ZPO

§ 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO

Art. VII Abs. 1 UNÜ

Fundstellen:

BGHZ 187, 126 - 132

BB 2010, 2642

JR 2011, 444-446

MDR 2010, 1415

Mitt. 2010, 591 "Vollstreckbarkeit eines ausländischen Schiedsspruchs II"

NJW 2010, 8 "Meistbegünstigungsgrundsatz"

NJW-RR 2011, 570-571 "Meistbegünstigungsgrundsatz"

RIW/AWD 2011, 82-84

SchiedsVZ 2010, 332-334

WM 2010, 2234-2236

ZIP 2010, 2468

BGH, 30.09.2010 - III ZB 69/09

Amtlicher Leitsatz:

ZPO § 1061 Abs. 1 Satz 1; UNÜ Art. VII Abs. 1

Nach Maßgabe des Meistbegünstigungsgrundsatzes in Art. VII Abs. 1 des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) ist ein ausländischer Schiedsspruch (auch) dann für vollstreckbar zu erklären, wenn er der für innerstaatliche Schiedssprüche geltenden Formvorschrift des § 1031 ZPO genügt.

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 30. September 2010
durch
den Vizepräsidenten Schlick sowie
die Richter Dr. Herrmann, Wöstmann, Hucke und Seiters
beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 27. August 2009 - 26 SchH 3/09 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf bis zu 170.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin hat die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs der in L. ansässigen I. C. A. Ltd. begehrt, durch den die Antragsgegnerin zur Zahlung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Kaufvertrags über die Lieferung von Baumwolle verurteilt worden ist.

2

Das Oberlandesgericht hat dem Antrag stattgegeben, da eine wirksame Schiedsvereinbarung vorliege und Versagungsgründe im Sinne von Art. V Abs. 1 und 2 des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) vom 10. Juni 1958 (BGBl. 1961 II S. 121) nicht hinreichend dargetan seien. Zwar sei die schiedsrichterliche Entscheidung nicht schon durch eine schriftliche Parteivereinbarung im Sinne von Art. II Abs. 2 UNÜ legitimiert. Jedoch könne hier in Ansehung der Meistbegünstigungsklausel (Art. VII Abs. 1 UNÜ) auf das Erfordernis einer beiderseits unterzeichneten Schiedsabrede oder eines gegenseitigen Schriftwechsels verzichtet werden. Die Antragstellerin könne sich nämlich auf die in § 1031 Abs. 2 und 3 ZPO normierten geringeren Anforderungen an das Zustandekommen einer Schiedsvereinbarung berufen. Insoweit sei die streitgegenständliche Schiedsabrede nach den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens wirksam zustande gekommen.

3

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

4

Die von Gesetzes wegen statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2, § 1025 Abs. 4 ZPO) und auch im Übrigen wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

5

1.

Das Oberlandesgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Meistbegünstigungsgrundsatz des Art. VII Abs. 1 UNÜ die Anwendung des im Verhältnis zu Art. II Abs. 2 UNÜ hinsichtlich der Formerfordernisse weniger strengen § 1031 Abs. 2, 3 ZPO erlaubt. Dem steht nicht entgegen, dass das nationale Recht hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche - abgesehen von vereinzelten eigenständigen Regelungen, wie etwa bezüglich der Vorlagepflicht in § 1064 Abs. 1, Abs. 3 ZPO (vgl. hierzu auch Senat, Beschluss vom 25. September 2003 - III ZB 68/02, NJW-RR 2004, 1504 f) - in § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO pauschal auf das UNÜ verweist.

6

a)

Nach § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach dem UNÜ. Dieses enthält in Art. VII Abs. 1 die Regelung, dass die Bestimmungen des Abkommens - und damit auch die Vorgaben über die Form einer Schiedsvereinbarung in Art. II -keiner beteiligten Partei das Recht nehmen, sich auf einen Schiedsspruch nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts oder der Verträge des Landes, in dem er geltend gemacht wird, zu berufen. Das UNÜ lässt mithin die Anwendung nationalen Rechts zu, soweit es für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche günstiger ist (sogenannter Meistbegünstigungsgrundsatz). Da § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO aber allein auf das UNÜ Bezug nimmt, stellt sich die Frage, ob der Verweis in Art. VII Abs. 1 UNÜ bezüglich des innerstaatlichen Rechts insoweit ins Leere geht (in diesem Sinn etwa Musielak/Voit, ZPO, 7. Aufl., § 1031 Rn. 18 und § 1061 Rn. 14; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 1031 Rn. 25, nicht eindeutig aber § 1061 Rn. 22a; MünchKommZPO/Münch, 3. Aufl., § 1061 Rn. 19, unklar § 1031 Rn. 22 f; Mallmann, SchiedsVZ 2004, 152, 156; Moller, NZG 1999, 143, 145) oder ob der Meistbegünstigungsgrundsatz dahin zu verstehen ist, dass er - unter Durchbrechung der Rückverweisung des nationalen Rechts auf das UNÜ - die Anwendung einer im Vergleich zu Art. II Abs. 2 UNÜ weniger formstrengen nationalen Vorschrift, wie der an sich nach § 1025 Abs. 1 ZPO für innerstaatliche Schiedssprüche geltenden Regelung in § 1031 ZPO, erlaubt (in diesem Sinn Prütting/Gehrlein/Raeschke- Kessler, ZPO, 2. Aufl., § 1061 Rn. 14 f; MünchKommZPO/Adolphsen, 3. Aufl., § 1061 Anh. 1 UNÜ, Art. II Rn. 18; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl., Anh. § 1061 Rn. 50, 76, 159; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl., Kap. 27 Rn. 2564; Kröll ZZP 2004, 453, 469 ff, 477 f). In der obergerichtlichen Rechtsprechung überwiegt letztere Auffassung (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 14. Dezember 2006 - 8 Sch 14/05, S. 10 f, nicht veröffentlicht; siehe auch - im jeweils konkreten Fall die Erfüllung der Formerfordernisse des § 1031 ZPO aber verneinend - OLG Rostock, IPRax 2002, 401, 404; BayObLG, NJW-RR 2003, 719, 720 [OLG Hamm 28.10.2002 - 22 U 72/02]; OLG Oldenburg, Beschluss vom 1. Februar 2005 - 9 Sch 3/04, S. 5, nicht veröffentlicht; offen gelassen vom OLG Brandenburg, IPRax 2003, 349, 351 [OLG Brandenburg 13.06.2002 - 8 Sch 2/01]; zweifelnd OLG Frankfurt am Main, IPRax 2008, 517, 518 [OLG Frankfurt am Main 26.06.2006 - 26 Sch 28/05]). Der Senat hat diese Streitfrage bisher nicht entschieden, allerdings in seinem Beschluss vom 21. September 2005 - III ZB 18/05, NJW 2005, 3499, 3500 bereits angemerkt, dass für ein solches anerkennungsfreundlicheres Verständnis des Meistbegünstigungsgrundsatzes viel spricht.

7

b)

Die Annahme, dass das in Art. VII Abs. 1 UNÜ verankerte Meistbegünstigungsprinzip aufgrund der Verweisung in § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf das UNÜ bedeutungslos sei, würde dazu führen, dass in Deutschland ausländische Schiedssprüche bezüglich ihrer Vollstreckbarkeit schlechter behandelt werden als inländische. Die Anforderungen an die Form einer Schiedsvereinbarung würden dann davon abhängen, ob der Ort des Schiedsverfahrens, den im Rahmen des § 1043 Abs. 1 ZPO die Parteien, hilfsweise das Schiedsgericht festlegt, in Deutschland oder im Ausland liegt (§ 1025 Abs. 1 ZPO). Dies steht in Widerspruch zu Sinn und Zweck sowohl des Art. VII Abs. 1 UNÜ als auch des § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

8

aa)

Durch das UNÜ sollte die Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen international erleichtert werden. Bezweckt war dagegen nicht die Aufstellung strengerer Vorschriften als im nationalen Recht (vgl. nur MünchKommZPO/ Adolphsen, aaO; Mallmann aaO S. 155). Art. II enthielt dabei Formerfordernisse, die zu dem damaligen Zeitpunkt (im Jahr 1958) vergleichsweise liberal waren und in ihrer Strenge deutlich hinter denen vieler nationaler Rechte zurückblieben (vgl. Kröll, aaO S. 475; derselbe in SchiedsVZ 2009, 40, 41, 45). Seither haben im Rahmen einer schiedsfreundlicherer Grundhaltung viele Rechtsordnungen ihre Formerfordernisse dahingehend gelockert, dass sie nun geringere Anforderungen stellen als Art. II UNÜ (vgl. Kröll, jeweils aaO). Dieser Historie widerspricht eine Auslegung, durch die Art. II UNÜ entgegen seiner ursprünglichen Intention zu einem Anerkennungshindernis wird.

9

Ergänzend ist insoweit auf die Auslegungsempfehlung der Kommission der Vereinten Nationen für Internationales Handelsrecht (UNCITRAL) für die nationalen Gerichte aus dem Jahr 2006 hinzuweisen, die auf den Zweck der Meistbegünstigungsregelung im Sinne einer möglichst weitgehenden Durchsetzung von ausländischen Schiedssprüchen hinweist, die zulässigen Formmöglichkeiten in Art. II Abs. 2 UNÜ als nicht abschließend beschreibt und empfiehlt, die Meistbegünstigungsklausel über die Schiedssprüche hinaus auch auf die Schiedsvereinbarungen anzuwenden (General Assembly Resolution 61/33 vom 4. Dezember 2006, Official Records, Sixty-first session, Supplement No. 17, A/61/17, Annex II; abzurufen über www.uncitral.org; vgl. auch Kröll, SchiedsVZ 2009, 40, 46). Zugleich hat die UNCITRAL eine Änderung von Art. 7 des UNCITRAL-Modellgesetzes über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit (Official Records of the General Assembly, Fortieth Session, Supplement No. 17, A/40/17, Annex I) beschlossen, die zu einer Aufweichung der bisherigen Formerfordernisse in diesem von der Vollversammlung der Vereinten Nationen bereits 1985 den Mitgliedsstaaten zur Annahme empfohlenen Mustergesetz für das Schiedsverfahrensrecht der Länder führt. Im Modellgesetz werden nunmehr zwei Alternativen vorgeschlagen, von denen eine auf jedes Schriftformerfordernis verzichtet, die andere Erleichterungen der Schriftform vorsieht (General Assembly Resolution 61/33 aaO, Annex I; vgl. auch Kröll, aaO m.w.N.).

10

Das internationale Recht legt deshalb eine weite Auslegung des Meistbegünstigungsgrundsatzes nahe und spricht dafür, anerkennungsfreundlichere nationale Regelungen für inländische Schiedssprüche auch auf ausländische Schiedssprüche anzuwenden.

11

b)

Dass der deutsche Gesetzgeber durch das Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I 1997, S. 3224) ausländische Schiedssprüche insoweit schlechter als inländische stellen und die nach altem Recht ungeachtet Art. II UNÜ zulässige Berufung auf innerstaatliche, weniger strenge Formvorschriften (vgl. Senat, Urteil vom 3. Dezember 1992 - III ZR 30/91, NJW 1993, 1798 [BGH 03.12.1992 - III ZR 30/91] zum formlos - kraft Handelsbrauch - abgeschlossenen Schiedsvertrag) abschaffen wollte, ist nicht ersichtlich. Vielmehr diente - zur Schaffung eines zeitgemäßen und den internationalen Rahmenbedingungen angepassten Schiedsverfahrensrechts - das UNCITRAL-Modellgesetz als Vorbild für das neue deutsche Recht (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 13/5274 S. 1, 23 ff; Bericht des Rechtsausschusses vom 12. November 1997, BT-Drucks. 13/9124, S. 44 f). Das UNCITRAL-Modellgesetz enthält einen Gleichlauf der Formvorschriften (siehe auch Kröll, ZZP 2004, 453, 476). Denn die nach Art. 1 Abs. 2 für inländische Schiedsverfahren geltende Bestimmung des Art. 7 über die Form einer Schiedsvereinbarung wird im Kapital VIII über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen ausdrücklich in Bezug genommen (Art. 36 Abs. 1 a i). Art. 36 gilt aber nach Art. 1 Abs. 2, Art. 35 Abs. 1, Art. 36 Abs. 1 unabhängig davon, in welchem Land der Schiedsspruch erlassen wurde. Dass der deutsche Gesetzgeber dies durch die Bezugnahme in § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf das UNÜ anders regeln wollte, ist nicht erkennbar.

12

c)

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin steht der Anerkennung des Schiedsspruchs auch nicht Art. V Abs. 1 a Fall 2 UNÜ entgegen. Danach darf die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs auf Antrag der Partei, gegen die er geltend gemacht wird, nur versagt werden, wenn die von den Parteien gemäß Art. II UNÜ geschlossene Schiedsvereinbarung nach dem Recht, dem die Parteien sie unterstellt haben, oder, falls die Parteien hierüber nichts bestimmt haben, nach dem Recht des Landes, in dem der Schiedsspruch ergangen ist, ungültig ist. Insoweit kann dahinstehen, ob - wie die Antragsgegnerin meint - die Schiedsvereinbarung nicht den Formerfordernissen des englischen Rechts entspricht. Denn die Meistbegünstigungsklausel aus Art. VII Abs. 1 UNÜ wirkt sich auch im Anwendungs- und Prüfungsbereich des Art. V UNÜ aus (vgl. auch MünchKommZPO/Adolphsen aaO § 1061 Anh. 1 UNÜ, Art. V Rn. 24). Art. VII Abs. 1 UNÜ sieht gerade vor, dass die Bestimmungen des Übereinkommens (und damit auch dessen Art. V) keiner Partei das Recht nehmen, sich (zugunsten der Wirksamkeit) auf einen Schiedsspruch nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts oder der Verträge des Landes, in dem er geltend gemacht wird, zu berufen. Ist danach aber die Schiedsvereinbarung nach Maßgabe des nationalen Prozessrechts des Exequaturstaats - hier § 1031 ZPO - wirksam, bedarf es keiner Prüfung im Rahmen des Art. V Abs. 1 a Fall 2 UNÜ mehr, ob dies ebenfalls der Rechtslage des Landes, in dem der Schiedsspruch ergangen ist, entspricht (siehe auch Senat, Beschluss vom 21. September 2005, aaO, S. 3500 zu der Frage, ob bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 1031 ZPO die Wirksamkeit allein nach dem Recht des Landes, in dem der Schiedsspruch ergangen ist, ausreicht).

13

2.

Auch im Übrigen erweist sich der angefochtene Beschluss als rechtsfehlerfrei. Auf eine nähere Begründung wird nach § 577 Abs. 6 Satz 2 (i.V.m. § 564 Satz 1), Satz 3 ZPO verzichtet.

Schlick
Herrmann
Wöstmann
Hucke
Seiters

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