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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 22.09.2010, Az.: XII ZB 117/10
Anforderungen an die Ausgangskontrolle im Büro eines Prozessbevollmächtigten bei Übersendung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 22.09.2010
Referenz: JurionRS 2010, 25511
Aktenzeichen: XII ZB 117/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Gifhorn - 20.10.2009 - AZ: 16 F 1056/08 S

OLG Celle - 02.03.2010 - AZ: 15 UF 250/09

Fundstellen:

DB 2010, 2447

FA 2010, 373

FamRB 2011, 8

FamRZ 2010, 2063-2064

FuR 2011, 92-93

JurBüro 2011, 558-559

MDR 2010, 1416-1417

NJW-RR 2011, 138-139

BGH, 22.09.2010 - XII ZB 117/10

Amtlicher Leitsatz:

ZPO §§ 85 Abs. 2, 233 Gc, 519

Zur Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze bei Anweisung einer Übersendung per Telefax.

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 22. September 2010
durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne,
den Richter Prof. Dr. Wagenitz,
die Richterin Dr. Vézina und
die Richter Dose und Dr. Klinkhammer
beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 15. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle vom 2. März 2010 wird auf Kosten der Antragsgegnerin verworfen.

Beschwerdewert: 2.000 €

Gründe

I.

1

Die Antragsgegnerin hat gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 4. November 2009 zugestellte Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 20. Oktober 2009, durch das die Ehe der Parteien geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt worden ist, mit am 3. Dezember 2009 bei dem Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde gegen die Regelung des Versorgungsausgleichs eingelegt. Die Beschwerdebegründung ging dort am 5. Januar 2010, einem Dienstag, ein. Nachdem das Oberlandesgericht auf den verspäteten Eingang der Beschwerdebegründung hingewiesen hatte, beantragte die Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 28. Januar 2010, der am gleichen Tag beim Oberlandesgericht eingegangen ist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und trug zur Begründung u.a. vor, sie habe nach Unterzeichnung des Beschwerdebegründungsschriftsatzes gegenüber ihrer ansonsten zuverlässigen Fachangestellten L. klargestellt, dass dieser Schriftsatz an das Oberlandesgericht zu faxen sei. Frau L. habe am Ende ihrer Arbeitszeit den Schriftsatz in die zentrale Poststelle zum Versand mitgenommen und habe sodann in der festen Annahme, diesen Schriftsatz an das Oberlandesgericht per Fax versandt zu haben, die Beschwerdebegründungsfrist gelöscht. Da der Versand erst nach Dienstschluss bei Gericht um 18.00 Uhr erfolgt sei, sei die Einholung einer telefonischen Bestätigung des Empfangs nicht mehr möglich gewesen.

2

Ihr Bürobetrieb sei nach dem in einem Handbuch niedergelegten Qualitätsmanagementsystem DIN EN ISO 9001: 2008 organisiert. Die Fachangestellte L. sei auf der Grundlage dieses Handbuchs, welches ihr auch übergeben worden sei, mündlich instruiert worden. Das Handbuch enthalte zur Versendung fristgebundener Schriftsätze per Fax folgende Anweisungen:

3

"Fristgebundene Schriftsätze an auswärtige Gerichte müssen unter Umständen per Fax vorab geschickt werden. Das jeweilige Sekretariat sollte sich den vollständigen Eingang des lesbaren Fax-Schreibens fernmündlich bestätigen lassen und darüber einen Vermerk anfertigen". Weiter heißt es in dem Handbuch: "Bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Fax bietet der "o.k.-Vermerk" im Sendeprotokoll keine sichere Gewähr dafür, dass das Fax vollständig beim Empfänger angekommen ist. Deshalb sollte sich das Sekretariat durch telefonische Nachfrage beim Empfänger den rechtzeitigen und vollständigen Zugang bestätigen lassen."

4

Das Beschwerdegericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und die Beschwerde als unzulässig verworfen.

5

Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.

II.

6

Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2009 - XII ZR 50/08 - FamRZ 2010, 357 Rn. 7).

7

Die nach § 621 e Abs. 3 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern.

8

1.

Das Beschwerdegericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch wegen unzureichender Ausgangskontrolle im Büro der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Ein Rechtsanwalt genüge seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle nur dann, wenn er seine Angestellten anweise, nach der Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt sei. Dass eine solche Anweisung im Büro der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin allgemein bestehe, ergebe sich weder aus dem Sachvortrag in dem Wiedereinsetzungsgesuch, noch aus den diesem beigefügten Unterlagen. Vielmehr lasse sich aus den Kopien des Qualitätsmanagementhandbuchs lediglich entnehmen, dass das Sekretariat bei per Telefax übersandten fristgebundenen Schriftsätzen sich den vollständigen Eingang des lesbaren Faxschreibens telefonisch bestätigen lassen solle, weil der "o.k.-Vermerk" im Sendeprotokoll keine sichere Gewähr dafür biete, dass das Telefax beim Empfänger vollständig angekommen sei.

9

Abgesehen davon, dass die Verwendung des Wortes "sollte" eher auf Empfehlungen schließen lasse, seien diese Anweisungen jedenfalls in Fällen, in denen ein fristgebundener Schriftsatz erst am Tage des Fristablaufs nach Dienstschluss beim Empfänger per Telefax versandt werde, unzureichend, weil die telefonische Bestätigung des Eingangs am selben Tag nicht mehr zu erhalten sei. Eine allgemeine Anweisung, sich anhand des Sendeprotokolls der Übermittlung zu versichern, bestehe nicht. Dass die Prozessbevollmächtigte ihrer Angestellten eine Einzelanweisung dahin erteilt habe, den Ausgang mittels des Sendeprotokolls zu überprüfen, sei nicht dargetan.

10

Die fehlende Anweisung sei für die Fristversäumung auch ursächlich gewesen. Hätte die Angestellte sich nämlich das Sendeprotokoll ausdrucken lassen, hätte sie ihr Versäumnis bemerkt. Hinzu komme, dass sämtliche anderen Schriftsätze der Antragsgegnerin, die in der Beschwerdeinstanz per Telefax vorab an das Oberlandesgericht gesandt worden seien, über der Anschrift den fettgedruckten Vermerk "per Telefax vorab" getragen hätten, was bei der Beschwerdebegründung nicht der Fall gewesen sei.

11

2.

Diese Ausführungen stehen in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der ein Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze regelmäßig nur dann genügt, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist und erst danach die Frist im Fristenkalender zu streichen (Senatsbeschlüsse vom 14. Mai 2008 -XII ZB 34/07 -FamRZ 2008, 1515; vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722, 1723; vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - FamRZ 2006, 1104, 1105 und vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ 2005, 1534; BGH Beschlüsse vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - NJW 2007, 1690 und vom 22. Juni 2004 - VI ZB 14/04 - VersR 2005, 573).

12

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde genügt die allgemeine Weisung, die Frist erst nach telefonischer Rückfrage bei dem Empfänger und Fertigung eines entsprechenden Vermerks zu streichen, nicht den Anforderungen an eine wirksame Ausgangskontrolle. Diese Anweisung enthält für den Fall, dass der Schriftsatz, wie hier, am letzten Tag der Frist nach Dienstschluss dem Gericht übermittelt werden soll und eine telefonische Bestätigung durch den Empfänger nicht mehr erfolgen kann, keine ausreichenden Vorkehrungen zur Vermeidung einer Fristversäumung. Eine wirksame Ausgangskontrolle kann in diesem Fall nur durch den Ausdruck und die Überprüfung des Sendeprotokolls erfolgen. Aus dem Senatsbeschluss vom 24. Januar 1996 (XII ZB 4/96 -FamRZ 1996, 1003) und dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 2. Juli 2001 (II ZB 28/00 - NJW-RR 2002, 60) ergibt sich entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nichts anderes. In den dort entschiedenen Fällen bestanden in den Büros der Prozessbevollmächtigten die allgemeinen Anweisungen, dass bei der Übersendung fristwahrender Schriftstücke per Telefax Fristen erst gelöscht werden durften, wenn eine telefonische Eingangsbestätigung des Adressaten vorliege. Der Fall, dass eine telefonische Rückfrage beim Empfänger vor Fristablauf aufgrund dessen Geschäftszeit nicht mehr möglich war, lag jeweils nicht vor.

13

Eine allgemeine Kanzleianweisung im Büro der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin, die Übersendung des Schriftsatzes in solchen Fällen anhand des Ausdrucks und einer Kontrolle des Sendeprotokolls zu überprüfen und erst dann die Frist zu streichen, oder eine entsprechende Einzelanweisung bestand nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht.

14

3.

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde stellt sich auch nicht die grundsätzliche Frage, ob und inwieweit ein Rechtsanwalt, der seinen Bürobetrieb nach dem Qualitätsmanagementssystem DIN EN ISO 9001: 2008 organisiert hat, auf die Richtigkeit der Anweisungen vertrauen darf. Denn es liegt auf der Hand, dass ein Rechtsanwalt für die ordnungsgemäße Organisation seiner Kanzlei selbst verantwortlich ist.

15

4.

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde verletzt der angefochtene Beschluss die Antragsgegnerin auch nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Es ist schon nicht ersichtlich, dass das Beschwerdegericht durch seinen Hinweis darauf, dass sämtliche Schriftsätze der Antragsgegnerin - bis auf die streitgegenständliche Beschwerdebegründung - den fettgedruckten Vermerk "per Telefax vorab" enthalten, entscheidungserheblichen Vortrag der Antragsgegnerin übergangen haben könnte.

Hahne Wagenitz Vézina

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