Bundesgerichtshof
Beschl. v. 25.10.2007, Az.: IX ZB 187/03
Versagung einer Restschuldbefreiung wegen grob fahrlässiger Verletzung der Mitwirkungspflicht und Auskunftspflicht gegenüber dem Treuhänder; Verschweigen von Unterrichtseinkünften
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 25.10.2007
- Aktenzeichen
- IX ZB 187/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 41551
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Mönchengladbach - 09.05.2003 - AZ: 19 K 67/00
- LG Mönchengladbach - 10.07.2003 - AZ: 5 T 270/03
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- BGHReport 2008, 149
- DB 2007, VIII Heft 47 (amtl. Leitsatz)
- DStR 2007, XVI Heft 49 (amtl. Leitsatz)
- DStR 2008, 112
- DZWIR 2008, 120-121 (Volltext mit amtl. LS)
- InsbürO 2007, 478-479 (Volltext)
- JZ Information 2007, 622 (amtl. Leitsatz)
- MDR 2008, 166-167 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW-Spezial 2008, 22 (Kurzinformation)
- NWB 2007, 4717 (Kurzinformation)
- NZI 2008, 48-49 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
- NZI 2007, VII Heft 12 (amtl. Leitsatz)
- NZI 2008, 32
- NZI 2008, 33
- NZI (Beilage) 2008, 33 (amtl. Leitsatz)
- Rpfleger 2008, 96 (Volltext mit amtl. LS)
- StuB 2008, 281
- VuR 2008, 439 (amtl. Leitsatz)
- WM 2007, 2252 (Volltext mit amtl. LS)
- WuB 2008, 153
- ZAP EN-Nr. 0/2008
- ZAP EN-Nr. 15/2008
- ZInsO 2007, 1221 (Volltext mit amtl. LS)
- ZVI 2007, 574-575 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Das Insolvenzgericht darf die Entscheidung über die Versagung der Restschuldbefreiung nicht von Amts wegen auf andere als die vom Antragsteller geltend gemachten Versagungsgründe stützen, selbst wenn diese erst nach dem Schlusstermin bekannt geworden sind.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer,
die Richter Raebel, Vill, Cierniak und
die Richterin Lohmann
am 25. Oktober 2007
beschlossen:
Tenor:
Der Schuldner wird in die versäumte Frist zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde wieder eingesetzt.
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss des Landgerichts Mönchengladbach vom 10. Juli 2003 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Über das Vermögen des Schuldners wurde auf seinen Antrag am 9. Oktober 2001 das vereinfachte Insolvenzverfahren eröffnet und die Prüfung der angemeldeten Forderungen sowie später die Durchführung des Schlusstermins im schriftlichen Verfahren angeordnet. Nach dem Bericht des Treuhänders betrug der Vermögensbestand des Schuldners 648,11 EUR. Pfändbare Arbeitseinkünfte waren nicht vorhanden. Die weiteren Beteiligten zu 2 widersprachen mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19. Juli 2002, der am 22. Juli 2002 bei Gericht einging, der vom Schuldner erstrebten Restschuldbefreiung. Im Schlusstermin vom 23. Juli 2002 wurden nach dem Protokoll des Rechtspflegers weitere Versagungsanträge nicht gestellt. In der anwaltlichen Stellungnahme des Schuldners vom 12. August 2002 zu dem schriftsätzlichen Versagungsantrag der weiteren Beteiligten zu 2 ließ er dem Insolvenzgericht auch mitteilen, im laufenden Jahr durch Tennisunterricht 300 EUR eingenommen zu haben. Daraufhin hat das Amtsgericht dem Schuldner nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO die Restschuldbefreiung versagt, weil er in grob fahrlässiger Verletzung seiner Mitwirkungs- und Auskunftspflicht dem Treuhänder die Unterrichtseinkünfte verschwiegen habe. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht zurückgewiesen.
II.
Die Beschwerdeentscheidung kann bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen keinen Bestand haben. Ein auf § 290 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 InsO gestützter Versagungsantrag ist nur zulässig, wenn er von einem Gläubiger im Schlusstermin oder in dem entsprechenden schriftlichen Verfahren gestellt wird (BGH, Beschl. v. 18. Mai 2006 - IX ZB 103/05, ZInsO 2006, 647). Daran ändert nichts, wenn das zur Begründung eines späteren Antrags herangezogene Fehlverhalten des Schuldners erst nach dem Schlusstermin bekannt geworden ist (BGH, aaO). Bis zu dieser Verfahrenszäsur muss der Versagungsgrund geltend gemacht sein; ein späteres Nachschieben von Gründen ist unzulässig (vgl. BGHZ 156, 139, 142 f [BGH 11.09.2003 - IX ZB 37/03]; BGH, Beschl. v. 5. April 2006 - IX ZB 227/04, ZVI 2006, 596, 597). Hier wie in der Wohlverhaltensphase verbietet die Gläubigerautonomie des Verfahrens der Restschuldbefreiung insbesondere, dass das Gericht seine Versagungsentscheidung von Amts wegen auf Umstände stützt, die der Gläubiger zur Begründung seines Versagungsantrags nicht geltend gemacht hat (mit Bezug auf § 296 InsO vgl. BGH, Beschl. v. 8. Februar 2007 - IX ZB 88/06, NZI 2007, 297).
Das Beschwerdegericht hat dem Schuldner hier nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO wie bereits das Amtsgericht von Amts wegen ein Fehlverhalten vorgeworfen, auf welches sich die weiteren Beteiligten zu 2 in Ihrem Versagungsantrag nicht berufen haben. Dieses Verhalten ist überhaupt erst durch die Offenbarung des Schuldners nach dem Schlusstermin bekannt geworden. Es ist nicht einmal festgestellt, dass der Schuldner die Unterrichtseinkünfte bereits vor dem Schlusstermin vom 23. Juli 2002 bezogen hatte. Die Restschuldbefreiung durfte dem Schuldner danach mit dieser Begründung nicht versagt werden.
Das Beschwerdegericht wird sich nach der Zurückverweisung nunmehr mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen haben, mit denen die weiteren Beteiligten zu 2 ihren Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gerechtfertigt haben.
Raebel
Vill
Cierniak
Lohmann