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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 21.04.2004, Az.: XII ZB 243/03

Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumung durch einen Büroangestellten; Organisation der Überwachung von Notfristen in einer Rechtsanwaltskanzlei; Anforderungen an einen Rechtsanwalt zur Vornahme zumutbarer Vorkehrungen gegen Fristversäumnisse; Verschuldenszurechnung für ein Fehlverhalten eines Mitarbeiters innerhalb einer Kanzlei für einen Mandanten

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
21.04.2004
Aktenzeichen
XII ZB 243/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 13524
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Hamburg - 29.09.2003

Fundstellen

  • FamRZ 2004, 1183-1184 (Volltext mit red. LS)
  • FamRZ 2004, VIII Heft 14 (amtl. Leitsatz)

In dem Rechtsstreit
hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
am 21. April 2004
durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und
die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose
beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des 2. Familiensenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 29. September 2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 72.264 EUR.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin hat gegen das ihr Zugewinnausgleichsbegehren teilweise abweisende Scheidungsverbundurteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - vom 29. April 2003, das ihr am 27. Mai 2003 zugestellt worden ist, am 27. Juni 2003 Berufung eingelegt. Die Berufung hat sie - nach einem Hinweis des Oberlandesgerichts - am 27. August 2003 begründet. Zugleich hat sie mit einem am selben Tag eingegangenen Schriftsatz vom 26. August 2003 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

2

Sie hat vorgetragen, in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten sei die Überwachung von Notfristen so organisiert, dass von dem Empfangsbekenntnis eine Kopie gefertigt werde, die mit dem Urteil zusammengeheftet werde, und auf dieser Kopie die Berufungs- wie auch die Berufungsbegründungsfrist vermerkt würden. Die Fristen würden sodann nebst Vorfristen in einem besonderen Fristenkalender eingetragen; außerdem würde die Eintragung im Fristenkalender in den Handakten vermerkt. Im vorliegenden Fall habe die geschulte, zuverlässige und durch regelmäßige Kontrollen überwachte Kanzleiangestellte G., der die Eintragung und Kontrolle der Fristen obliege, versehentlich nur die Berufungsfrist sowie die entsprechende Vorfrist notiert. Üblicherweise weise der Prozessbevollmächtigte Frau G. auch noch bei dem Diktat der Berufung selbst an, die Eintragung der Vorfrist und der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender zu überprüfen. Auch dies habe Frau G., obwohl sie die Berufung selbst geschrieben habe, nicht erledigt. Dies habe dazu geführt, dass der Prozessbevollmächtigte die Akte weder zur Vorfrist noch am Tage des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist erhalten habe. Die Kanzleiangestellte G. hat die Richtigkeit dieses Vortrags eidesstattlich versichert.

3

Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der Rechtsbeschwerde.

4

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, aber nicht zulässig. Die Rechtssache wirft entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht auf; sie ist auch nicht geeignet, der Fortbildung des Rechts zu dienen (§ 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit Nr. 2 ZPO).

5

1.

Der Frage, ob ein Prozessbevollmächtigter seine Handakten, die ihm zwecks Fertigung der Berufungsschrift vorgelegt werden, auf die Erledigung der Notierung auch der Berufungsbegründungsfrist hin überprüfen muss, kommt - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung zu. Die Antwort auf diese Frage ergibt sich vielmehr aus den zur anwaltlichen Fristenkontrolle entwickelten Grundsätzen: Danach muss der Prozessbevollmächtigte alles ihm Zumutbare tun und veranlassen, damit die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels gewahrt wird (st.Rspr., etwa BGH Beschluss vom 28. September 1989 - VII ZR 115/89 - BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 12). Er hat insbesondere allgemein die Anbringung von Erledigungsvermerken über die Notierung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist anzuordnen und nach diesen Erledigungsvermerken zu forschen, wenn ihm die Handakten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt werden (vgl. etwa BGH Beschlüsse vom 22. September 1971 - V ZB 7/71 - NJW 1971, 2269 und vom 11. Februar 1992 - VI ZB 2/92 - NJW 1992, 1632 m.w.N.). Diese Kontrollpflicht beschränkt sich, wenn Handakten im Zusammenhang mit der Fertigung der Berufungsschrift vorgelegt werden, nicht auf die Prüfung, ob die Berufungsfrist notiert ist; sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Erledigung der Notierung der Berufungsbegründungsfrist. Die Berufungsbegründungsfrist beginnt nach § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F. mit der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils. Ihr Ablauf steht daher im Zeitpunkt der Fertigung der Berufungsschrift bereits fest. Mit der anwaltlichen Verpflichtung, alle zumutbaren Vorkehrungen gegen Fristversäumnisse zu treffen, wäre es deshalb nicht zu vereinbaren, wollte sich der Anwalt bei der - im Zusammenhang mit der Aktenvorlage zwecks Fertigung der Berufungsschrift - gebotenen Prüfung der Fristennotierung auf die Berufungsfrist beschränken und die - ebenfalls bereits feststehende - Berufungsbegründungsfrist aussparen.

6

2.

Auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht.

7

Die angefochtene Entscheidung steht zu dem von der Rechtsbeschwerde angeführten Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 22. September 1971 (a.a.O.) nicht in Widerspruch. Wie der Bundesgerichtshof in diesem Beschluss dargelegt hat, trifft einen Prozessbevollmächtigten zwar keine allgemeine Pflicht, bei jeder, aus irgendeinem Grunde veranlassten Aktenvorlage (im entschiedenen Fall ging es um eine Aktenvorlage zwecks Bearbeitung einer Kostenerinnerung) die Erledigung von Fristnotierungen nachzuprüfen. Dies gilt, wie der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung ebenfalls klargestellt hat, jedoch nicht für Fälle, in denen die Aktenvorlage an den Prozessbevollmächtigten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung - hier im Zusammenhang mit der Einlegung der Berufung - erfolgt; in diesen Fällen bewendet es vielmehr bei der unter 1. dargestellten Kontrollpflicht (Senatsbeschluss vom 11. Februar 2004 - XII ZB 263/03 - zur Veröffentlichung bestimmt).

8

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 139 ZPO), auf die sich die Rechtsbeschwerde beruft, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die Antragstellerin hat darzutun, dass ihren Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist kein - ihr zurechenbares (§ 85 Abs. 2 ZPO) - Verschulden trifft. Ein solches Verschulden wäre hier allenfalls dann ausgeschlossen, wenn der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin die Fristnotierungen anhand der Erledigungsvermerke in den ihm zwecks Fertigung der Berufungsschrift vorgelegten Handakten überprüft hätte, wenn er dabei das Fehlen eines die Berufungsbegründungsfrist betreffenden Erledigungsvermerks bemerkt hätte und wenn er deshalb seine Kanzleiangestellte angewiesen hätte, die Eintragung dieser Frist einschließlich einer Vorfrist im Fristenkalender zu überprüfen. Dies hat die Antragstellerin jedoch nicht dargetan. Aus ihrem Wiedereinsetzungsantrag ergibt sich lediglich, dass ihr Prozessbevollmächtigter "üblicherweise" seine Mitarbeiterin auch noch bei dem Diktat der Berufung selbst anweise, die Eintragung der Vorfrist und der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender zu überprüfen. Dieser Darlegung ist weder zu entnehmen, dass der Prozessbevollmächtigte seiner Kontrollpflicht überhaupt nachgekommen ist, noch dass ihm dabei das Fehlen eines die Berufungsbegründungsfrist betreffenden Erledigungsvermerks aufgefallen ist und ihn zu einer konkreten Prüfungsanweisung an die Kanzleikraft veranlasst hat.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: 72.264 EUR.