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Bundesgerichtshof
Urt. v. 05.11.2003, Az.: XII ZR 134/02

Vereinbarung einer langfristigen Laufzeit eines Mietvertrages ; Einhaltung des Schriftformerfordernisses; Erforderlichkeit der Vertragsunterzeichnung durch alle Vertragsparteien; Abschluss eines Mietvertrages durch eine GbR; Stellvertretung in einer GbR; Unterschrift ohne Vertreterzusatz; Ordentliche Kündbarkeit mangels Einhaltung der Schriftform; Nichtigkeit des Vertrages wegen Formmangels

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
05.11.2003
Aktenzeichen
XII ZR 134/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 24257
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Rostock
OLG Rostock - 27.05.2002

Fundstellen

  • AIM * 2004, 34 (Volltext mit amtl. LS)
  • BGHR 2004, 218-220
  • BGHReport 2004, 218-220
  • DB 2004, 1149 (amtl. Leitsatz)
  • DB 2003, VIII Heft 51-52 (amtl. Leitsatz)
  • DWW 2004, 67
  • EBE/BGH 2004, 2-3
  • GuT 2004, 61-62 (Volltext mit amtl. LS)
  • Info M 2004, 15
  • JWO-MietR 2004, 10
  • JZ 2004, 285 (Kurzinformation)
  • JurBüro 2005, 396 (Kurzinformation)
  • JurBüro 2004, 396
  • MDR 2004, 325-326 (Volltext mit amtl. LS)
  • MK 2004, 21
  • MietPrax-AK § 550 BGB - Entscheidung Nr. 8
  • MietRB 2004, 103
  • NJ 2004, 266-267 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 2004, 1103-1104 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 2004, VIII Heft 4 (Kurzinformation)
  • NWB 2008, 505-506 (Kurzinformation)
  • NWB 2005, 2845 (Kurzinformation)
  • NZM 2004, 97-98 (Volltext mit amtl. LS)
  • RdW 2004, 415-416
  • WM 2004, 536-537 (Volltext mit amtl. LS)
  • WuM 2004, 306 (amtl. Leitsatz)
  • ZAP 2004, 224 (Kurzinformation)
  • ZAP 2005, 1019 (amtl. Leitsatz)
  • ZMR 2004, 106-108 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZfIR 2004, 170 (amtl. Leitsatz)

Amtlicher Leitsatz

Ist ein Mietvertrag nicht in der für langfristige Mietverträge vorgeschriebenen Schriftform (§ 550 BGB = § 566 a.F. BGB) abgeschlossen worden, so ist eine darauf gestützte vorzeitige Kündigung nicht deshalb treuwidrig, weil der Mietvertrag zuvor jahrelang anstandslos durchgeführt worden ist.

In dem Rechtsstreit hat
der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 5. November 2003
durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne,
die Richter Gerber, Fuchs, Dr. Ahlt und
die Richterin Dr. Vézina
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 27. Mai 2002 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Kläger machen rückständige und künftige Mietzinsansprüche geltend. Sie sind Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Sie erwarben von der beklagten Stadt ein Wohn- und Geschäftshaus, das sich in einem abrissreifen Zustand befand. Mit einem Aufwand von ca. 900.000,00 DM bauten sie dieses Haus unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten um.

2

Mit schriftlichem Mietvertrag vom 19. November 1996 vermieteten sie einen in dem Erdgeschoss des Gebäudes gelegenen Empfangsraum und einen im Obergeschoss gelegenen, von dem Empfangsraum aus durch eine interne Treppe zu erreichenden Büroraum auf zehn Jahre fest an die "Kurverwaltung B. ". Dabei handelt es sich um eine Einrichtung der beklagten Stadt ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Im Kopf des Mietvertrages sind die beiden Kläger aufgeführt, verbunden mit einem "&", ohne einen ausdrücklichen Zusatz, dass sie in einer GbR verbunden sind. Die monatliche Miete sollte 967,50 DM (zuzüglich Nebenkosten) betragen. Unterschrieben ist der Mietvertrag auf Vermieterseite allein von dem Kläger zu 1 ohne Vertreterzusatz, auf Mieterseite von der damaligen Kurdirektorin H..

3

Die monatliche Miete wurde ab November 1996 regelmäßig bezahlt, zunächst von der Stadtverwaltung B. , ab Januar 1999 von dem Amt B. .

4

Am 3. Dezember 1998 beschloss die Stadtvertretung B. die Auflösung des Eigenbetriebes "Kurverwaltung" zum 31. Dezember 1998. Seit dem 1. Januar 1999 werden die gemieteten Räume nicht mehr genutzt.

5

Mit Schreiben vom 9. November 1999 kündigte das Amt B. , vertreten durch den Amtsvorsteher, für die Stadt B. den Mietvertrag. In dem Kündigungsschreiben heißt es, der Mietvertrag sei nicht wirksam zu Stande gekommen, weil die Kurdirektorin H. keine Vertretungsmacht für die Stadt B. gehabt habe und weil er auf Vermieterseite nur von dem Kläger zu 1 unterschrieben worden sei. Ab November 1999 zahlte die Beklagte keine Miete mehr.

6

Die Kläger halten den Vertrag für wirksam und die ausgesprochene Kündigung für unwirksam. Sie haben - zum Teil auf zukünftige Leistung - Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, an sie die vereinbarte Miete (zuzüglich Zinsen für die Mietrückstände) für die Zeit von November 1999 bis zum Jahre 2007 zu zahlen.

7

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten hin die erstinstanzliche Entscheidung teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen die Klage abgewiesen, soweit die Kläger für die Zeit ab 1. Juli 2000 Miete geltend machen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Kläger, mit der sie ihren ursprünglichen Klageantrag, soweit ihm nicht stattgegeben worden ist, weiterverfolgen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Kläger ist aufgrund der Zulassung durch das Berufungsgericht statthaft und auch sonst zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

9

1.

Das Berufungsgericht führt aus, der Mietvertrag sei wirksam zu Stande gekommen. Mieterin sei von vornherein die Stadt B. geworden, nicht die Kurverwaltung dieser Stadt, weil die Kurverwaltung lediglich eine Einrichtung der Stadt ohne eigene Rechtspersönlichkeit sei. Zwar sei die Kurdirektorin H. nicht berechtigt gewesen, die Stadt zu vertreten, ihr Handeln als Vertreterin ohne Vertretungsmacht sei aber von den Organen der Stadt später stillschweigend genehmigt worden. Dass die Beklagte den Kurbetrieb zum 31. Dezember 1998 aufgegeben habe, berechtige sie nicht, den Mietvertrag vorzeitig zu beenden, weil sie das Verwendungsrisiko für die angemieteten Räume trage. Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung habe das Mietverhältnis aber zum 30. Juni 2000 beendet. Obwohl der Mietvertrag auf zehn Jahre fest abgeschlossen gewesen sei, sei die Beklagte berechtigt gewesen, ihn vorzeitig ordentlich zu kündigen, weil die Vertragsurkunde nicht dem Schriftformerfordernis des hier anwendbaren § 566 BGB a.F. genüge.

10

Gegen diese Ausführungen des Berufungsgerichts wendet sich die Revision jedenfalls im Ergebnis ohne Erfolg.

11

2.

In der Revisionsinstanz geht der Streit der Parteien nur noch darum, ob die Kläger für die Zeit ab 1. Juli 2000 Miete verlangen können. Um diese Frage zu beantworten, kann offen bleiben, ob ein Mietvertrag wirksam zu Stande gekommen ist oder ob sein Zustandekommen daran gescheitert ist, dass eine Seite beim Abschluss des Mietvertrages nicht wirksam vertreten war. Ist kein Mietvertrag zu Stande gekommen, so steht den Klägern kein Anspruch auf die Zahlung von Miete zu und für die Zeit ab 1. Juli 2000 auch kein Anspruch auf Nutzungsentschädigung, weil die Beklagte die Räume zu diesem Zeitpunkt unstreitig nicht mehr genutzt hat. Ist ein Mietvertrag wirksam zu Stande gekommen, so ändert sich im Ergebnis nichts, weil die Beklagte diesen Mietvertrag dann, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, zum 30. Juni 2000 wirksam gekündigt hat.

12

3.

Zwar enthält der schriftliche Mietvertrag die Vereinbarung, das Mietverhältnis werde auf die Dauer von zehn Jahren fest abgeschlossen. Wäre diese Vereinbarung wirksam, so wäre eine ordentliche Kündigung vor Ablauf von zehn Jahren ausgeschlossen. Die Vereinbarung einer langfristigen Laufzeit des Mietvertrages ist aber unwirksam, weil bei Abschluss des Mietvertrages die Schriftform nicht eingehalten worden ist (§ 566 BGB a.F. = § 550 BGB n.F.). Es kann offen bleiben, ob die Einhaltung der Schriftform schon daran scheitert, dass in der Vertragsurkunde als Mieterin statt der Stadt B. eine nicht rechtsfähige Einrichtung dieser Stadt aufgeführt ist und dass für die Stadt die Kurdirektorin dieser Einrichtung unterschrieben hat, ohne einen Zusatz, dass sie als Vertreterin für die Stadt auftritt. Die Schriftform ist jedenfalls deshalb nicht eingehalten, weil auf Vermieterseite nur der Kläger zu 1 ohne einen Vertreterzusatz unterschrieben hat.

13

Für die Einhaltung der Schriftform ist es erforderlich, dass alle Vertragsparteien die Vertragsurkunde unterzeichnen. Unterzeichnet für eine Vertragspartei ein Vertreter den Mietvertrag, muss dies in der Urkunde durch einen das Vertretungsverhältnis anzeigenden Zusatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen (BGHZ 125, 175, 178 [BGH 22.02.1994 - LwZR 4/93]; f.; Senatsurteile vom 11. September 2002 - XII ZR 187/00 - NJW 2002, 3389, 3990 f. m.w.N. und Anm. Eckert, EWiR 2002, 951; vom 16. Juli 2003 - XII ZR 65/02 - NJW 2003, 3053, 3054). Da in der Vertragsurkunde als Vermieter beide Kläger aufgeführt sind, genügt die Unterschrift des Klägers zu 1 nicht. Das gilt unabhängig davon, ob die Kläger den Mietvertrag als GbR abgeschlossen haben oder als zwei Vermieter ohne gesellschaftsrechtliche Verbindung. Die Kläger hätten entweder beide unterschreiben müssen oder der Kläger zu 1 hätte seiner Unterschrift einen Zusatz beifügen müssen, der ihn zugleich als Vertreter für den Kläger zu 2 gekennzeichnet hätte (vgl. im einzelnen Senatsurteil vom 16. Juli 2003 a.a.O.).

14

Die Revision vertritt die Ansicht, auch ohne einen solchen Vertreterzusatz sei der Urkunde mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen, dass der Kläger zu 1 als allein Vertretungsberechtigter für die GbR unterschrieben habe. Dem kann nicht gefolgt werden. Unterschreibt für eine GbR oder sonst für eine Personenmehrheit nur ein Mitglied ohne einen Vertreterzusatz, so ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass vorgesehen war, auch das andere Mitglied oder die anderen Mitglieder sollten die Urkunde unterschreiben und dass deren Unterschrift noch fehlt (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. Senatsurteil vom 16. Juli 2003 a.a.O. m.w.N.).

15

Da die Schriftform nicht eingehalten worden ist, konnte die Beklagte das Mietverhältnis, sollte es wirksam zu Stande gekommen sein, nach Ablauf eines Jahres unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist (hier: § 565 Abs. 1 a BGB a.F.) ordentlich kündigen. Die von der Beklagten im November 1999 erklärte Kündigung hat es dann zum 30. Juni 2000 beendet.

16

4.

Entgegen der Annahme der Revision verstößt die Beklagte nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben, wenn sie sich darauf beruft, der Mietvertrag sei (jedenfalls) mangels Einhaltung der Schriftform ordentlich kündbar gewesen. Jede Partei darf sich grundsätzlich darauf berufen, die für einen Vertrag vorgeschriebene Schriftform sei nicht eingehalten. Es ist der Revision zwar einzuräumen, dass der Bundesgerichtshof eine Ausnahme von diesem Grundsatz zulässt und es für treuwidrig hält, wenn eine Vertragspartei sich auf die Formnichtigkeit eines Vertrages beruft, nachdem sie zuvor über einen längeren Zeitraum besondere Vorteile aus dem nichtigen Vertrag gezogen hat (BGHZ 121, 224, 233 f.; BGH, Urteil vom 20. Mai 2003 - KZR 19/02 - BB 2003, 2254, 2255 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier aber schon deshalb nicht vor, weil der Mangel der Form im vorliegenden Fall nicht zur Nichtigkeit des Vertrages geführt, sondern nur die Möglichkeit der vorzeitigen Kündigung eröffnet hat. Bis zu einer Kündigung waren beide Parteien verpflichtet, den Vertrag zu erfüllen. Aus dem Umstand, dass sie dieser Verpflichtung über einen längeren Zeitraum nachgekommen sind, lässt sich nicht herleiten, sie hätten darauf vertrauen können, der Vertragspartner werde nicht von der besonderen Kündigungsmöglichkeit Gebrauch machen, die das Gesetz vorsieht, wenn die Schriftform nicht eingehalten ist. Dass im vorliegenden Fall die Kläger das vermietete Grundstück zuvor von der Beklagten - der Mieterin - erworben und aufwändig saniert hatten, ist kein hinreichender Grund, von diesem Grundsatz abzuweichen.