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Bundesgerichtshof
Urt. v. 16.07.2003, Az.: XII ZR 65/02

Vorzeitige Kündigung eines befristeten Mietvertrages; Auslegung einer Kündigungserklärung als ordentliche Kündigung; Schriftformerfordernis im Mietrecht; Fehlen eines Zusatzes über die Vertretungsbefugnis

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
16.07.2003
Aktenzeichen
XII ZR 65/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 23548
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Rostock - 25.02.2002
LG Schwerin

Fundstellen

  • AIM 2003, 201
  • AIM * 2003, 201 (Volltext mit red. LS)
  • BGHR 2003, 1124-1125
  • BGHReport 2003, 1124-1125
  • DB 2003, VII Heft 36 (amtl. Leitsatz)
  • EWiR 2004, 13 (Volltext mit amtl. LS)
  • GuT 2003, 209-210 (Volltext mit amtl. LS)
  • JZ 2003, 549 (amtl. Leitsatz)
  • JZ Information 2003, 549* (amtl. Leitsatz)
  • Jura 2004, Heft 4 Karteikarte (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 2003, 1283 (Volltext mit amtl. LS)
  • MietPrax-AK § 550 BGB - Entscheidung Nr. 7
  • MietRB 2003, 97-98
  • NJW 2003, 3053-3054 (Volltext mit amtl. LS)
  • NWB 2005, 2845 (Kurzinformation)
  • NZM 2003, VI Heft 18 (amtl. Leitsatz)
  • NZM 2004, 293-294 (Urteilsbesprechung von RA Ulrich Beisbart)
  • NZM 2003, 801-802 (Volltext mit amtl. LS)
  • RÜ 2004, 31-32
  • WM 2003, 2193-2194 (Volltext mit amtl. LS)
  • WuM 2003, 725 (Kurzinformation)
  • ZGS 2003, 363-364 (Kurzinformation)
  • ZMR 2004, 19-20 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZfIR 2004, 17-18 (Volltext mit red. LS)
  • jura 2004, § 550 n.F.; § 714 BGB-Karteikarte (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Zur Einhaltung der Schriftform beim Abschluss eines langfristigen Mietvertrages durch einen für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts handelnden Vertreter.

Zusammenfassung

Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte mit der Klägerin einen auf 10 Jahre befristeten Mietvertrag abgeschlossen, den sie bereits während der Laufzeit kündigte. Die Klägerin verlangte auch für den Zeitpunkt nach der Kündigung Mietzahlungen. Das Berufungsgericht legte die Kündigungserklärung aufgrund des deutlich gewordenen Willens der Beklagten, den Vertrag unter allen Umständen zum nächstmöglichen Termin beenden zu wollen, als ordentliche Kündigung aus. Die vorzeitige Kündigung sah der BGH als wirksam an, weil der schriftliche Mietvertrag nicht der erforderlichen Schriftform des § 566 Abs. 1 BGB a.F. genügt habe. In dem schriftlichen Mietvertrag sei ausgeführt, dass die vermietende GbR durch zwei näher benannte Personen vertreten werde, während der Vertrag lediglich durch eine dieser Personen unterschrieben wurde. Dieser hatte seiner Unterschrift keinen Zusatz über seine Vertretungsbefugnis beigefügt. Obgleich der Unterzeichner für die GbR Einzelvertretungsmacht hatte, war die Vereinbarung der langfristigen Laufzeit damit unwirksam und der Vertrag unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist wirksam. Dies führte zur Zurückweisung der Revision der Klägerin.

In Sachen
hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2003
durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne,
die Richter Gerber, Sprick, Fuchs und
die Richterin Dr. Vézina
für Rechterkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 25. Februar 2002 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist eine aus vier Gesellschaftern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Einzelvertretungsberechtigte Gesellschafter sind die im Rubrum unter den Nr. 1 und 2 aufgeführten Gesellschafter Rechtsanwalt H. und B.. Durch schriftlichen Mietvertrag vermietete die Klägerin an die Beklagte ein Geschäftshaus in Schwerin. In der Vertragsurkunde ist die Klägerin bezeichnet als "Erwerbergemeinschaft Haus E", vertreten durch die Herren B. und Rechtsanwalt H.. Für die Klägerin unterschrieb den Vertrag lediglich der Gesellschafter H., ohne einen auf ein Vertretungsverhältnis hinweisenden Zusatz.

2

Das Mietverhältnis wurde auf 10 Jahre fest abgeschlossen. Es sollte ab Bezugsfertigkeit beginnen, voraussichtlich ab dem 20. September 1994. Als Miete wurden 2.400,00 DM monatlich vereinbart, zuzüglich Nebenkosten und Umsatzsteuer.

3

Mit Schreiben vom 22. August 1997 räumte die mit der Vermietung beauftragte Verwaltungsgesellschaft der Beklagten "für vorerst sechs Monate" eine Reduzierung der monatlichen Nettomiete ab 1. September 1997 um 400,00 DM auf 2.000,00 DM ein.

4

Mit Schreiben vom 28. Mai 1998 kündigte die Beklagte das Mietverhältnis wegen rückläufiger Ertragslage zum 30. Juni 1998. Die Klägerin widersprach der Kündigung, bemühte sich jedoch, einen Nachmieter zu finden. Am 30. Juni/15. Juli 1998 schloss sie mit dem Nachmieter einen mit dem 1. August 1998 beginnenden und bis zum 30. September 2004 befristeten Mietvertrag ab. Als Nettomiete (zuzüglich MWSt und Nebenkosten) sollte dieser 2.000,00 DM monatlich zahlen.

5

Die Beklagte räumte das Mietobjekt zum 30. Juni 1998 und übergab es am 22. Juli 1998 im Beisein des Nachmieters an die Klägerin.

6

Die Beklagte zahlte bis einschließlich Juli 1998 eine Nettomiete von 2.000,00 DM zuzüglich Nebenkostenpauschale und Umsatzsteuer. Für die Monate August bis Dezember 1998 zahlte sie jeweils 400,00 DM (die Differenz zwischen der ursprünglich vereinbarten Nettomiete und der reduzierten und mit dem Nachmieter vereinbarten Nettomiete).

7

Mit der Klage hat die Klägerin in erster Instanz für die Monate Januar 1999 bis Juli 2000 die Differenzmiete von je 400,00 DM geltend gemacht, insgesamt 7.600,00 DM. Außerdem hat sie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr die Mietausfälle bis September 2004 zu ersetzen.

8

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat Berufung eingelegt und in der Berufungsinstanz ihre Zahlungsklage um 53.258,41 DM (zuzüglich Zinsen) erweitert mit der Begründung, der Nachmieter habe für November 1998 die Nettomiete von 2.000,00 DM nicht gezahlt, ab Januar 1999 habe er die vereinbarten Beträge nur unregelmäßig und unvollständig gezahlt, so dass bis einschließlich September 2001 ein Rückstand von 53.258,41 DM entstanden sei.

9

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Beklagte auf die im Berufungsrechtszug erweiterte Klage hin verurteilt, an die Klägerin 1.022,58 EUR (= 2.000,00 DM) zuzüglich Zinsen zu zahlen. Das ist die offen stehende Nettomiete für November 1998. Im Übrigen hat es die erweiterte Klage abgewiesen.

10

Das Berufungsgericht geht davon aus, dass die von der Beklagten erklärte Kündigung das Mietverhältnis der Parteien zum 31. Dezember 1998 beendet hat.

11

Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter für die Ausfälle in der Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 30. September 2001 und ihren Feststellungsantrag für die Zeit vom 1. Oktober 2001 bis zum 30. September 2004.

Entscheidungsgründe

12

Die Beklagte war in dem Verhandlungstermin vor dem Senat nicht vertreten. Gleichwohl war über die Revision der Klägerin nicht durch Versäumnisurteil, sondern durch Endurteil (unechtes Versäumnisurteil) zu entscheiden, da sie sich auf der Grundlage des vom Oberlandesgericht festgestellten Sachverhalts als unbegründet erweist (vgl. Senatsurteil vom 10. Februar 1993 - XII ZR 239/91 - FamRZ 1993, 788 )

13

1.

In der Revisionsinstanz ist lediglich darüber zu entscheiden, ob der Klägerin Ansprüche für die Zeit ab 1. Januar 1999 zustehen. Das Berufungsgericht führt aus, das sei nicht der Fall, weil das Mietverhältnis der Parteien durch die von der Beklagten erklärte Kündigung zum 31. Dezember 1998 beendet worden sei. Die Kündigungserklärung der Beklagten sei als ordentliche Kündigung auszulegen, weil die Beklagte klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht habe, dass sie wegen ihrer ungünstigen wirtschaftlichen Lage den Vertrag unter allen Umständen zum nächstmöglichen Termin beenden wolle. Obwohl in dem schriftlichen Mietvertrag eine feste Mietzeit bis zum Jahre 2004 vorgesehen gewesen sei, sei die Beklagte berechtigt gewesen, den Vertrag schon vorher unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist ordentlich zu kündigen, weil der schriftliche Mietvertrag nicht der erforderlichen Schriftform des § 566 Abs. 1 BGB a.F. genügt habe. In dem schriftlichen Mietvertrag sei ausgeführt, dass die vermietende GbR durch die Herren B. und Rechtsanwalt H. vertreten werde. Unterschrieben sei der Vertrag aber lediglich von Rechtsanwalt H., und zwar ohne jeden Zusatz über seine Vertretungsbefugnis. Das reiche zur Einhaltung der gesetzlichen Schriftform nicht aus. Daran ändere es nichts, dass Rechtsanwalt H. Einzelvertretungsmacht für die Gesellschaft gehabt habe.

14

Gegen diese Ausführungen des Berufungsgerichts wendet sich die Revision ohne Erfolg.

15

2.

Die Annahme des Berufungsgerichts, die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung sei als ordentliche Kündigung zu verstehen, beruht auf einer Auslegung einer Willenserklärung und ist deshalb in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbar, und zwar darauf, ob das Berufungsgericht bei der Auslegung gegen gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstoßen hat (st. Rechtspr., vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1992 - X ZR 88/90 - NJW 1992, 1967, 1968 m.w.N.). Solche revisionsrechtlich relevanten Auslegungsfehler sind nicht ersichtlich und werden von der Revision zu Recht auch nicht geltend gemacht. Es entspricht im Gegenteil ständiger Rechtsprechung, dass sogar eine ausdrücklich als fristlose Kündigung bezeichnete Erklärung hilfsweise in eine ordentliche Kündigung umzudeuten ist, wenn nach dem eindeutigen Willen des Kündigenden das Vertragsverhältnis in jedem Fall zum nächstmöglichen Termin beendet werden soll (vgl. Senatsurteil vom 15. Januar 2003 - XII ZR 300/99 - NJW 2003, 1143, 1144 = NZM 203, 235, 236; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl. Rdn. 909, 910 m.N.). Dass der Kündigungserklärung der Beklagten die Absicht, das Mietverhältnis möglichst schnell zu beenden, zu entnehmen war, hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt.

16

3.

Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis sei durch die von der Beklagten mit Schreiben vom 28. Mai 1998 erklärte (ordentliche) Kündigung zum 31. Dezember 1998 beendet worden.

17

Zwar enthält der Mietvertrag die Vereinbarung, das Mietverhältnis werde auf die Dauer von 10 Jahren fest abgeschlossen. Wäre diese Vereinbarung wirksam, so wäre eine ordentliche Kündigung vor Ablauf von 10 Jahren ausgeschlossen. Die Vereinbarung einer langfristigen Laufzeit des Mietvertrages ist aber unwirksam, weil bei Abschluss des Mietvertrages die Schriftform nicht eingehalten worden ist (§ 566 BGB a.F. = § 550 BGB n.F.). Das hat zur Folge, dass der Vertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt und nach Ablauf eines Jahres unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist (hier: § 565 Abs. 1 a BGB a.F.) ordentlich gekündigt werden konnte.

18

Für die Einhaltung der Schriftform ist es erforderlich, dass alle Vertragsparteien die Vertragsurkunde unterzeichnen. Unterzeichnet für eine Vertragspartei ein Vertreter den Mietvertrag, muss dies in der Urkunde durch einen das Vertretungsverhältnis anzeigenden Zusatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen (BGHZ 125, 175, 178 [BGH 22.02.1994 - LwZR 4/93]; ff.; Senatsurteile vom 11. September 2002 - XII ZR 187/00 - NJW 2002, 3389, 3990 ff. m.w.N. und Anm. Eckert, EWiR 2002, 951 und vom 15. Januar 2003 a.a.O.; so schon RGZ 81, 286, 289). Der Senat hat bisher offen gelassen, ob ein bloßer Hinweis auf eine Stellvertretung ausreichend ist oder ob weitere Kennzeichnungen des Vertreterverhältnisses erforderlich sind (Senatsurteile vom 11. September 2002 und vom 15. Januar 2003 a.a.O.). In der Literatur wird z.T. gefordert, dem Schutzzweck des § 550 BGB n.F. (= § 566 BGB a.F.) entsprechend müsse ein potenzieller Erwerber des Mietgrundstücks aus der Vertragsurkunde entnehmen können, "in welcher Funktion" der Vertreter gehandelt habe (Kraemer, NZM 2002, 465, 471). Ob dieser Meinung zu folgen ist und ob dementsprechend jedenfalls dann, wenn sich die Vertretungsbefugnis des für eine Vertragspartei Auftretenden nicht aus öffentlichen Registern ergibt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 9. November 2001 - LwZR 4/01 - NZM 2002, 163, 164), der Vertragsurkunde zu entnehmen sein muss, woraus der als Vertreter Handelnde seine Vertretungsbefugnis herleitet, kann auch im vorliegenden Fall offen bleiben. Auch wenn man dieser Meinung nicht folgt, genügt die Vertragsurkunde den Anforderungen an die Schriftform nicht.

19

Für die vermietende GbR hat allein Rechtsanwalt H. unterschrieben. Der Unterschrift ist kein die Vertretung erläuternder Zusatz beigefügt. Im Kopf der Urkunde heißt es, die Gesellschaft werde vertreten durch die Herren B. und Rechtsanwalt H.. Die Annahme des Berufungsgerichts, aus dieser Formulierung ergebe sich nicht, dass jeder der beiden Genannten alleinvertretungsberechtigt sei, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Formulierung spricht eher für eine Gesamtvertretungsberechtigung, zumindest lässt sie diese Deutung gleichrangig zu. Das Berufungsgericht nimmt deshalb zu Recht an, dass bei der Prüfung, ob die Schriftform eingehalten ist, von einer Gesamtvertretungsbefugnis ausgegangen werden muss. Die Unterschrift des Rechtsanwalts H. wäre deshalb nur ausreichend, wenn er zugleich als Vertreter des B. unterschrieben hätte. Einen Hinweis darauf enthält die Vertragsurkunde nicht. Nach dem Text der Vertragsurkunde ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass vorgesehen war, auch B. solle für die Gesellschaft unterschreiben und seine Unterschrift fehle noch (so jeweils für einen ähnlich gelagerten Fall BGHZ 125 [BGH 16.12.1953 - II ZR 41/53] a.a.O.; Senatsurteil vom 15. Januar 2003 a.a.O. S. 1044). Der Urkunde ist deshalb nicht zu entnehmen, dass sie alle erforderlichen Unterschriften enthält.