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Bundesgerichtshof
Urt. v. 15.07.2003, Az.: XI ZR 162/00

Anwendbarkeit des Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften (HTürGG) auf Kreditverträge; Abgrenzung zum Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes; Erfordernis teleologischer Reduktion des HTürGG; Geltung bei Realkreditvertrag mit Verbraucher; Mündliches Ansprechen und Verhandeln im Bereich der Wohnung; Zurechnung einer Haustürsituation zu Lasten des Erklärungsempfängers; Kenntnis vom Verkauf einer Eigentumswohnung durch Bauträgergesellschaft; Wirtschaftliche Einheit von Darlehens- und Kaufvertrag einer Wohnung; Einhaltung des Beleihungsrahmens des Hypothekenbankgesetzes (HypBkG); Einwendungsdurchgriff des § 9 VerbrKrG; Auswirkungen des Widerrufs eines Realkreditvertrages auf Grundstückskaufvertrag; Rückabwicklung widerrufener Verträge; Verfahrensfehlerhafte Entscheidung über Klagerücknahme; Pflicht des Gerichts, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken; Anspruch auf Schadensersatz und Rückabwicklung eines Darlehensvertrages Zug um Zug gegen Rückübertragung einer Eigentumswohnung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
15.07.2003
Aktenzeichen
XI ZR 162/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 23518
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG München - 11.04.2000

Fundstellen

  • BGHR 2003, 1340-1342
  • BGHReport 2003, 1340-1342
  • BKR 2003, 747-750 (Volltext mit red. LS)
  • VuR 2003, 424-428 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZBB 2003, 372 (red. Leitsatz)
  • ZIP 2003, 1741-1744 (Volltext mit red. LS)
  • ZfIR 2004, 396-397

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    In konsequenter Anwendung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) ist § 5 Abs. 2 des Gesetezs über den Widerruf von Haustürgeschäften (HTürGG) teleologisch zu reduzieren.

  2. 2.

    Die Subsidiaritätsklausel, die "Geschäfte, die die Voraussetzungen eines Geschäfts nach dem Verbraucherkreditgesetz erfüllen" vom Anwendungsbereich des HTürGG ausnimmt, ist nur dann auf Realkreditverträge mit Verbrauchern anzuwenden, wenn auch das Verbraucherkreditgesetz (VerbrKrG) diesen gleichfalls ein Widerrufsrecht einräumt. Ansonsten würde der Verbraucher benachteiligt, da das Widerrufsrecht nach dem VerbrKrG enger gefasst ist, als jenes nach dem HTürGG.

  3. 3.

    Bei der Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Haustürsituation dem Erklärungsempfänger zuzurechen ist, ist auf die zu § 123 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entwickelten Grundsätze zurückzugreifen. Das Verhalten des Verhandlungsführers ist demnach dem Erklärungsempfänger zuzurechnen, wenn er dessen Angestellter, Mitarbeiter oder Beauftragter ist oder wenn er wegen seiner engen Beziehungen zu diesem als dessen Vertrauensperson erscheint. Ist der Verhandlungsführer Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB, erfolgt eine Zurechnung nur, wenn der Erklärungsempfänger dieses kannte oder kennen musste.

  4. 4.

    Allein der Umstand, dass ein Kreditinstitut Kenntnis davon hat, dass eine Eigentumswohnung von einer gewerblich tätigen (Bauträger-)Gesellschaft und über einen Vermittler verkauft wird lässt nicht den Schluss zu, dass die Darlehensvertragserklärung des Kunden auf einer mündlichen Verhandlung ohne vorherige Bestellung an seinem Arbeitsplatz oder in seiner Privatwohnung beruht, und verpflichtet die kreditgebende Bank auch nicht ohne weiteres zu einer Nachfrage über die Umstände der Vertragsanbahnung.

  5. 5.

    Der Realkreditvertrag und das finanzierte Grundstücksgeschäft sind grundsätzlich nicht als zu einer wirtschaftlichen Einheit verbundene Geschäfte anzusehen.

In dem Rechtsstreit
hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juli 2003
durch
den Vorsitzenden Richter Nobbe,
die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und
die Richterin Mayen
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten und die Hilfsanschlussrevision der Kläger wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 11. April 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Kläger verlangen von der beklagten Bank die Rückabwicklung zweier Realkreditverträge, die sie zur Finanzierung des Kaufpreises einer Eigentumswohnung geschlossen haben. Sie begehren die Erstattung gezahlter Zinsen und entstandener Aufwendungen in Höhe von insgesamt 38.171,32 EUR (= 74.656,61 DM) nebst Zinsen, die Freistellung von allen Verpflichtungen aus den beiden Darlehensverträgen und die Rückabtretung der Rechte aus einer Kapitallebensversicherung. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

2

Im Sommer 1993 brachte die für die G. Finanzierungs- und Vertriebskoordination (künftig: G.) tätige Vermittlerin B. den Klägern in mehreren Gesprächen am Arbeitsplatz sowie in der Privatwohnung der Kläger den kreditfinanzierten Erwerb einer Eigentumswohnung im I.-Zentrum in Gö. näher. Nach Vorlage einer Finanzierungszusage der Beklagten erteilten die Kläger am 22. September 1993 durch notariell beurkundete Erklärung einem L. Gr. Vollmacht zum Abschluss des Kaufvertrages für die Eigentumswohnung und boten ihm zugleich den Abschluss eines entsprechenden Geschäftsbesorgungsvertrages an. Am 23. September 1993 unterzeichneten sie den von der Beklagten übersandten Antrag für ein Annuitätendarlehen in Höhe von 118.000,00 DM mit einem anfänglichen effektiven Jahreszins von 8% sowie ein - durch eine Kapitallebensversicherung zu tilgendes - Festdarlehen über 80.000,00 DM mit einem anfänglichen effektiven Jahreszins von 7,95% und traten ihre Ansprüche aus zwei Lebensversicherungen zur Sicherung aller Forderungen der Beklagten ab. Der von der Beklagten am 5. Oktober 1993 unterzeichnete Darlehensvertrag sah weiter die Absicherung der Darlehen durch eine Grundschuld auf dem finanzierten Objekt vor.

3

Am 7. Oktober 1993 nahm L. Gr. das Angebot der Kläger auf Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages an und schloss noch am selben Tage als Vertreter der Kläger für diese einen notariellen Kaufvertrag über die Eigentumswohnung zu einem Preis von 175.765,00 DM. Gleichzeitig wurde eine Grundschuld für die Beklagte über 198.000,00 DM bestellt.

4

Nach Begleichung des Kaufpreises haben die Kläger die Beklagte auf Schadensersatz und Rückabwicklung der Darlehensverträge mit der Behauptung in Anspruch genommen, die Vermittlerin B. habe ihnen wahrheitswidrig erklärt, bis auf einen Betrag von monatlich 350,00 DM würden alle Kosten der Finanzierung der Eigentumswohnung durch Mieteinnahmen und Steuervorteile ausgeglichen. Der Kaufpreis der Wohnung habe, wie die Beklagte gewusst habe, mehr als das Doppelte des wahren Verkehrswertes betragen. In dem Kaufpreis sei eine versteckte Innenprovision in Höhe von 18,4% des Gesamtaufwandes enthalten gewesen, die der Veräußerer an den Vertrieb gezahlt habe. Das habe die Beklagte verschwiegen. In Kenntnis des tatsächlichen Wertes der Eigentumswohnung habe die Vermittlerin B. diese als eine von der Beklagten "bankgeprüfte" Altersvorsorge angepriesen. Dieses Verhalten der Vermittlerin sei der Beklagten zuzurechnen. Im Laufe des Verfahrens haben die Kläger darüber hinaus den Widerruf der Kreditverträge gemäß § 1 HWiG in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung (im Folgenden: HWiG) erklärt.

5

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht ihr im Wesentlichen stattgegeben, und zwar antragsgemäß Zug um Zug gegen Rückauflassung des Wohnungseigentums der Kläger. Hinsichtlich des Antrags auf Rückabtretung einer Kapitallebensversicherung hat das Berufungsgericht die Klage als zurückgenommen angesehen. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage. Mit der Hilfsanschlussrevision erstreben die Kläger die Verurteilung der Beklagten auch zur Rückabtretung der Kapitallebensversicherung Zug um Zug gegen Rückauflassung der Eigentumswohnung.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision und die Hilfsanschlussrevision führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

7

I.

Das Berufungsgericht hat ein Widerrufsrecht der Kläger nach § 1 Abs. 1 HWiG bejaht und hierzu ausgeführt, das Haustürwiderrufsgesetz werde nicht gemäß § 5 Abs. 2 HWiG vom Verbraucherkreditgesetz verdrängt. Im Gesetzgebungsverfahren sei bei Realkreditverträgen das Haustürwiderrufsgesetz nur deshalb ausgeschlossen worden, um den Kunden eine günstige Verzinsung wegen der taggenauen Refinanzierung von Realkrediten zu sichern. Der vom Gesetzgeber angenommene Vorteil sei in der Realität jedoch nicht gegeben. Sinn und Zweck der einschlägigen Normen des Haustürwiderrufsgesetzes und des Verbraucherkreditgesetzes geböten deshalb eine teleologische Reduktion des § 5 Abs. 2 HWiG in der Weise, dass im Falle von § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG der Widerruf nach § 1 HWiG möglich bleibe. Die für den Gesetzgeber maßgebliche Überlegung, wonach die Zubilligung eines Widerrufsrechts dem Interesse der Verbraucher an einem günstigen Zinsniveau für Realkredite entgegenstehe, treffe nur für den klassischen Fall eines Realkredits zu, wenn ein Kreditinstitut lediglich 60% des Verkehrswerts finanziere. Mit diesem klassischen Fall des Realkredits hätten Kredite der vorliegenden Art nichts mehr gemein. Bei einem Beleihungswert der Wohnung in Höhe von 122.500,00 DM sei realkreditfähig nur ein Kaufpreisanteil von 60%, also 73.500,00 DM. Tatsächlich finanziert worden sei jedoch der volle Kaufpreis mit allen von den Klägern erworbenen zusätzlichen Dienstleistungen in Höhe von 198.000,00 DM.

8

Auch die Absicherung des Kredits durch eine Grundschuld rechtfertige nicht die Annahme eines Realkredits, weil das Darlehen über 198.000,00 DM angesichts des Verkehrswerts der Eigentumswohnung von höchstens 122.500,00 DM mittels der dinglichen Absicherung nicht annähernd zurückgeführt werden könne. Die Annahme des Gesetzgebers, die günstige Verzinsung von Realkrediten beruhe auf der taggenauen Refinanzierung, spiele bei Anlagegeschäften der vorliegenden Art keine Rolle.

9

Auch eine wirtschaftliche Einheit zwischen Kaufvertrag und Darlehensvertrag liege vor. Die Kläger hätten über keinerlei Vermögen verfügt, um die Wohnung ohne eine Darlehensaufnahme finanzieren zu können. Damit habe bei Unterzeichnung der notariellen Ankaufsvollmacht festgestanden, dass eine Finanzierung über die Beklagte erfolgen müsse. Eine andere Verwendung des Kredits als für den Erwerb der Eigentumswohnung sei ausgeschlossen gewesen.

10

Die Voraussetzungen des § 1 HWiG seien erfüllt, da die Kläger zur Abgabe der vertraglichen Willenserklärungen durch mündliches Ansprechen und Verhandeln im Bereich ihres Arbeitsplatzes und ihrer Privatwohnung bestimmt worden seien. Dass die Vermittlerin nicht angestellte Mitarbeiterin der Beklagten gewesen, sondern für ein Vertriebsunternehmen tätig geworden sei, lasse die Haustürsituation im Verhältnis der Parteien nicht entfallen. Die Beklagte habe sich nämlich die Haustürsituation zu Eigen gemacht.

11

Gemäß § 4 HWiG sei die Verpflichtung zur Rückerstattung und zur Freistellung antragsgemäß Zug um Zug gegen Übertragung der Wohnung auszusprechen. Die Rückabtretung der Lebensversicherung hätten die Kläger nicht mehr geltend gemacht.

12

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung in mehreren Punkten nicht stand.

13

1.

Im Ergebnis zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings zu der Auffassung gelangt, ein Widerrufsrecht gemäß § 1 Abs. 1 HWiG scheide nicht bereits wegen der Subsidiaritätsklausel in § 5 Abs. 2 HWiG aus.

14

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat mit Urteil vom 13. Dezember 2001 (WM 2001, 2434 [BGH 21.09.2000 - IX ZR 127/99]) entschieden, dass die mit dem Haustürwiderrufsgesetz in nationales Recht umgesetzte Richtlinie 85/577/EWG des Rates betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen vom 20. Dezember 1985 (im Folgenden: Haustürgeschäfterichtlinie) dahin auszulegen ist, dass sie auf Realkreditverträge Anwendung findet. Dem Verbraucher müsse daher bei solchen Verträgen das Widerrufsrecht nach Art. 5 der Richtlinie eingeräumt werden und dieses dürfe für den Fall, dass der Verbraucher über das Widerrufsrecht nicht gemäß Art. 4 der Richtlinie belehrt wurde, nicht auf ein Jahr nach Vertragsschluss befristet werden.

15

Die vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorgenommene Auslegung der Haustürgeschäfterichtlinie ist für die nationalen Gerichte bindend. Sie gebietet es, wie der Senat in seinem Urteil vom 9. April 2002 (XI ZR 91/99, BGHZ 150, 249, 253  [BGH 09.04.2002 - XI ZR 91/99]; ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, § 5 Abs. 2 HWiG richtlinienkonform einschränkend auszulegen. Dies hat in der Weise zu geschehen, dass Kreditverträge insoweit nicht als Geschäfte im Sinne des § 5 Abs. 2 HWiG anzusehen sind, die "die Voraussetzungen eines Geschäfts nach dem Verbraucherkreditgesetz" erfüllen, als das Verbraucherkreditgesetz kein gleich weit reichendes Widerrufsrecht wie das Haustürwiderrufsgesetz einräumt. Durch die Subsidiaritätsklausel des § 5 Abs. 2 HWiG werden die Widerrufsvorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes daher nur dann verdrängt, wenn auch das Verbraucherkreditgesetz dem Verbraucher ein Widerrufsrecht gewährt. Das ist hinsichtlich des zu beurteilenden Realkreditvertrages gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG nicht der Fall.

16

2.

Die Feststellung des Berufungsgerichts, die Kläger hätten ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen wirksam nach § 1 Abs. 1 HWiG widerrufen, hält rechtlicher Überprüfung hingegen nicht stand.

17

a)

Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings zu dem Ergebnis gelangt, die Kläger seien zur Abgabe der Darlehensvertragserklärung durch mündliches Ansprechen und Verhandeln im Bereich ihres Arbeitsplatzes und ihrer Privatwohnung bestimmt worden. Das wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen.

18

b)

Damit allein steht jedoch noch nicht fest, dass die Kläger ihre auf den Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen wirksam widerrufen haben. Die Feststellung, dass es sich bei den Darlehensverträgen um ein Haustürgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 HWiG handelt, hat - wie die Revision zu Recht beanstandet - nicht ohne weiteres zur Folge, dass die Beklagte sich das Zustandekommen des Vertrags in einer Haustürsituation auch zurechnen lassen muss.

19

Das Berufungsgericht hat hierzu lediglich festgestellt, die Beklagte habe sich "die Haustürsituation zu Eigen gemacht", da sie mit den Klägern keinerlei Vertragsverhandlungen über das zu gewährende Darlehen geführt habe. Sie habe den Vertrieb "gewähren lassen", für die Beklagte das Zustandekommen des Kreditvertrages mit den Klägern herbeizuführen. Dies allein reicht jedoch für eine Zurechnung nicht aus.

20

Wie der Senat mit Urteil vom 12. November 2002 (XI ZR 3/01, WM 2003, 61, 63) entschieden und im Einzelnen ausgeführt hat, ist bei der Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Haustürsituation dem Erklärungsempfänger zuzurechen ist, auf die zu § 123 BGB entwickelten Grundsätze zurückzugreifen. Nach § 123 Abs. 1 BGB ist das Verhalten des Verhandlungsführers dem Erklärungsempfänger zuzurechnen, wenn er dessen Angestellter, Mitarbeiter oder Beauftragter ist oder wenn er wegen seiner engen Beziehungen zu diesem als dessen Vertrauensperson erscheint (Senatsurteile vom 12. November 2002 - XI ZR 3/01 a.a.O. und vom 21. Januar 2003 - XI ZR 125/02, WM 2003, 483, 484 [BGH 21.01.2003 - XI ZR 125/02], jeweils m.w.Nachw.). Ist der Verhandlungsführer Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB, ist sein Handeln nur zuzurechnen, wenn der Erklärungsempfänger dieses kannte oder kennen musste. Dabei genügt es für eine fahrlässige Unkenntnis in diesem Sinne, dass die Umstände des einzelnen Falles den Erklärungsempfänger veranlassen mussten, sich danach zu erkundigen, auf welchen Umständen die ihm übermittelte Willenserklärung beruht (Senatsurteile vom 12. November 2002 - XI ZR 3/01 a.a.O. m.w.Nachw. und vom 21. Januar 2003 - XI ZR 125/02 a.a.O.).

21

Dies ist bei der Finanzierung des Erwerbs einer Eigentumswohnung durch eine Bank nicht allein deshalb anzunehmen, weil das Kreditinstitut Kenntnis davon hat, dass die Eigentumswohnung von einer gewerblich tätigen (Bauträger-)Gesellschaft und über einen Vermittler verkauft wird. Allein dieser Umstand lässt nicht den Schluss zu, dass die Darlehensvertragserklärung des Kunden auf einer mündlichen Verhandlung ohne vorherige Bestellung an seinem Arbeitsplatz oder in seiner Privatwohnung beruht, und verpflichtet die kreditgebende Bank auch nicht ohne weiteres zu einer Nachfrage über die Umstände der Vertragsanbahnung.

22

Hierzu wird das Berufungsgericht - gegebenenfalls nach weiterem ergänzenden Sachvortrag der Parteien - noch die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.

23

3.

Von Rechtsirrtum beeinflusst ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts, der Darlehensvertrag und der Kaufvertrag über die Eigentumswohnung bildeten eine wirtschaftliche Einheit. Wie der Senat in seinem Urteil vom 9. April 2002 (BGHZ 150, 248, 262  f. m.w.Nachw.) dargelegt hat, sind nach ständiger langjähriger Rechtsprechung mehrerer Senate des Bundesgerichtshofs der Realkreditvertrag und das finanzierte Grundstücksgeschäft grundsätzlich nicht als zu einer wirtschaftlichen Einheit verbundene Geschäfte anzusehen (vgl. auch Senatsurteil vom 21. Januar 2003 - XI ZR 125/02, WM 2003, 483, 484  [BGH 21.01.2003 - XI ZR 125/02]; f.). Dem hat der Gesetzgeber Rechnung getragen, indem er in § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG bestimmt hat, dass die Regelungen über verbundene Geschäfte (§ 9 VerbrKrG) auf Realkredite im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG keine Anwendung finden. Für Realkredite, die dieser Vorschrift unterfallen, gilt dies angesichts des eindeutigen Wortlauts der Bestimmung ausnahmslos (Senatsurteil vom 12. November 2002 - XI ZR 47/01, WM 2002, 2501, 2503, zum Abdruck in BGHZ vorgesehen).

24

Um solche Realkreditverträge handelt es sich hier. Der effektive Jahreszins der beiden Darlehen betrug 8,00% bzw. 7,95% und lag damit nach den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank für Oktober 1993 innerhalb der Streubreite von 7,14% bis 8,31% für festverzinsliche Grundpfandkredite mit einer Zinsbindung von zehn Jahren. Dass die Darlehen nicht vollständig durch den Verkehrswert der belasteten Eigentumswohnung gesichert sind und der Beleihungsrahmen der §§ 11, 12 HypBG nicht eingehalten ist, ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht von wesentlicher Bedeutung. § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG stellt entscheidend auf die Zinshöhe und die sonstigen Kreditkonditionen ab. Die Einhaltung einer bestimmten Beleihungsgrenze zählt nicht zu den "Bedingungen" des Kredits, sondern liegt auf der Ebene des Motivs der Kreditgewährung. Eine etwaige Untersicherung fällt in den Risikobereich der Bank und kann nach dem Zweck des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG nicht dazu führen, dass sie dem Einwendungsdurchgriff nach § 9 VerbrKrG ausgesetzt wird (Senatsurteil vom 18. April 2000 - XI ZR 193/99, WM 2000, 1245, 1247; Senatsbeschluss vom 5. Februar 2002 - XI ZR 327/01, WM 2002, 588 [BGH 05.02.2002 - XI ZR 327/01] und Senatsurteil vom 18. März 2003 - XI ZR 422/01, WM 2003, 916, 917).

25

Der Widerruf des Realkreditvertrages berührt die Wirksamkeit des Kaufvertrages über die Eigentumswohnung deshalb nicht. Die gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG ändert daran nichts. Sie hat nicht zur Folge, dass das Verbraucherkreditgesetz für Geschäfte der vorliegenden Art generell nicht zu beachten wäre. Haustürwiderrufs- und Verbraucherkreditgesetz stehen insoweit vielmehr ebenso nebeneinander wie Haustürgeschäfte- und Verbraucherkreditrichtlinie (Senatsurteile vom 9. April 2002 a.a.O. S. 263 und vom 12. November 2002 a.a.O. S. 2503). Die Haustürgeschäfterichtlinie steht dem nicht entgegen, weil ihr Art. 7 die Regelung der Rechtsfolgen des Widerrufs von Haustürgeschäften ausdrücklich dem einzelstaatlichen Recht überlässt (Senatsurteile vom 12. November 2002 a.a.O. S. 2503 und vom 21. Januar 2003 - XI ZR 125/02, WM 2003, 483, 485) [BGH 21.01.2003 - XI ZR 125/02]. Das gilt, wie der Europäische Gerichtshof hervorgehoben hat, gerade auch für die Folgen eines Widerrufs des Realkreditvertrages für den Kaufvertrag über die Immobilie (EuGH WM 2001, 2434, 2437) [BGH 21.09.2000 - IX ZR 127/99]. Der von den Klägern begehrten Vorlage dieser Frage an den Europäischen Gerichtshof bedarf es schon deshalb nicht, weil Feststellungen zur Zurechnung der Haustürsituation fehlen.

26

4.

Rechtsfehlerhaft ist weiter die Ansicht des Berufungsgerichts, die Kläger könnten nach § 3 HWiG ohne Rücksicht auf die von der Beklagten ausgezahlten und insbesondere zur Begleichung des Kaufpreises für die Eigentumswohnung eingesetzten Darlehensvaluta nicht nur die von ihnen erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen, sondern auch alle Aufwendungen für die Eigentumswohnung erstattet verlangen. Im Falle des wirksamen Widerrufs der Darlehensverträge sind die Parteien gemäß § 3 Abs. 1 HWiG jeweils verpflichtet, dem anderen Teil die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Für die Überlassung des Gebrauchs oder die Benutzung einer Sache sowie für sonstige Leistungen bis zu dem Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufs ist gemäß § 3 Abs. 3 HWiG deren Wert zu vergüten. Die Beklagte hat mithin den Klägern die auf das Darlehen erbrachten - der Höhe nach vom Berufungsgericht noch festzustellenden - Zins- und Tilgungsleistungen zu erstatten. Daneben haben diese Anspruch auf eine marktübliche Verzinsung der von ihnen auf das Darlehen gezahlten, der Beklagten zur Nutzung zur Verfügung stehenden Raten. Die Beklagte hat ihrerseits gegen die Kläger einen fälligen Anspruch auf Erstattung des ausgezahlten Nettokreditbetrages sowie auf dessen Verzinsung (Senatsurteil vom 12. November 2002 - XI ZR 47/01, a.a.O. S. 2502; zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

27

5.

Verfahrensfehlerhaft ist, wie die Revision zu Recht rügt, die Behandlung des Klageantrags zu 3), über die Freigabe der an die Beklagte abgetretenen, bei der D. abgeschlossenen Kapitallebensversicherung des Klägers zu 1). Das Berufungsgericht hat die Klage insoweit zu Unrecht als wirksam zurückgenommen angesehen. Dabei hat es übersehen, dass über diesen Antrag bereits in erster Instanz streitig verhandelt worden war. Eine wirksame Klagerücknahme hätte deshalb gemäß § 269 Abs. 1 ZPO der Zustimmung der Beklagten bedurft (vgl. BGH, Beschluss vom 20. August 1998 - I ZB 38/98, NJW 1998, 3784  f.). Daran fehlt es hier.

28

Die fehlerhafte Verfahrensweise des Berufungsgerichts verletzt auch die Kläger in ihrem Anspruch auf ein faires Verfahren. Das Berufungsgericht hat, wie die Hilfsanschlussrevision zu Recht rügt, seine Verpflichtung aus § 139 Abs. 1 ZPO verletzt, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken. Die Kläger hatten mit Schriftsatz vom 6. März 2000 angekündigt, der Klageantrag zu 3) werde nicht gestellt werden, soweit dort die Abtretung der bei der A. bestehenden Lebensversicherung beantragt werde, da sich dieser Antrag erledigt habe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 14. März 2000 hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger den Klageantrag zu 3) nicht gestellt. Da sich dieser jedoch auch auf die Rückabtretung der bei der D. unterhaltenen Kapitallebensversicherung bezog, wäre die Klärung geboten gewesen, ob der Klageantrag zu 3) tatsächlich insgesamt fallen gelassen werden sollte. Daran hat es das Berufungsgericht fehlen lassen.

29

III.

Das Berufungsurteil stellt sich entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO). Für den von ihnen geltend gemachten Anspruch auf Schadensersatz und Rückabwicklung der Darlehensverträge Zug um Zug gegen Übertragung der Eigentumswohnung fehlen - vom Standpunkt des Berufungsgerichts aus konsequent - jegliche Feststellungen, insbesondere zu der Behauptung der Kläger, die Beklagte habe bei Abschluss der Darlehensverträge gewusst, dass der Verkehrswert der Eigentumswohnung weniger als die Hälfte des Kaufpreises von 175.765,00 DM betragen habe. Soweit sich die Kläger auf ein Beratungs- und ein Aufklärungsverschulden der Beklagten berufen, wird das Berufungsgericht zu beachten haben, dass ein Beratungsverschulden einen von einem bevollmächtigten Vertreter der Beklagten geschlossenen Beratungsvertrag voraussetzt und eine Pflicht der kreditgebenden Bank zur Aufklärung über Risiken des finanzierten Geschäfts bei steuersparenden Erwerbermodellen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur in besonders gelagerten Fällen in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 1988 - II ZR 251/87, WM 1988, 895, 898; Senatsurteile vom 3. Dezember 1991 - XI ZR 300/91, WM 1992, 133, vom 31. März 1992 - XI ZR 70/91, WM 1992, 901, 902  [BGH 31.03.1992 - XI ZR 70/91]; ff., vom 18. April 2000 - XI ZR 193/99, WM 2000, 1245, 1246, vom 12. November 2002 - XI ZR 25/00, ZIP 2003, 160, 161 und vom 20. Mai 2003 - XI ZR 248/02, WM 2003, 1370, 1372  f.). Für ein Fehlverhalten der Vermittlerin hat die Beklagte gemäß § 278 BGB nur einzustehen, soweit es den Bereich der Anbahnung des Kreditvertrages betrifft. Erklärungen über Steuervorteile sowie den Wert, den Zustand und die Rentabilität der finanzierten Eigentumswohnung gehören, worauf die Beklagte die Kläger in Nr. 18 des Darlehensvertrages besonders hingewiesen hat, nicht dazu

(st.Rspr., zuletzt Senatsurteile vom 27. Juni 2000 - XI ZR 174/99, WM 2000, 1685, 1686 [BGH 27.06.2000 - XI ZR 174/99], vom 12. November 2002 - XI ZR 47/01, WM 2002, 2501  f., vom 18. März 2003 - XI ZR 188/02, WM 2003, 918, 920 und vom 20. Mai 2003 - XI ZR 248/02, WM 2003, 1370, 1373).

30

IV.

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.) und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).