Bundesgerichtshof
Urt. v. 21.10.1997, Az.: XI ZR 25/97
Prüfung von eingeräumten Sicherheiten durch die kreditgebende Bank während des Laufs des Darlehensverhältnisses lediglich im eigenen Interesse; Aufklärungspflicht der kreditgebenden Bank bei Auswirkung einer Gesetzesänderung, die sich steuerschädlich auf eingeräumte Sicherheiten auswirken kann
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 21.10.1997
- Aktenzeichen
- XI ZR 25/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 14693
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Hamm - 11.11.1996
- LG Arnsberg
Fundstellen
- BB 1997, 2550 (Volltext mit amtl. LS)
- DB 1998, 1713 (Kurzinformation)
- HFR 1998, 590
- MDR 1998, 113 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1998, 305-306 (Volltext mit amtl. LS)
- WM 1997, 2301-2302 (Volltext mit amtl. LS)
- ZBB 1998, 35
- ZIP 1997, 2195-2196 (Volltext mit amtl. LS)
- ZIP 1997, A100 (Kurzinformation)
Amtlicher Leitsatz
- a)
Eine kreditgebende Bank prüft eingeräumte Sicherheiten während des Laufs des Darlehensverhältnisses grundsätzlich nur im eigenen, nicht im Kundeninteresse (vgl. Senatsurteil vom 7. April 1992 - XI ZR 200/91, WM 1992, 977).
- b)
Eine Gesetzesänderung, die sich steuerschädlich auf eingeräumte Sicherheiten auswirken kann, löst grundsätzlich keine Aufklärungspflicht der kreditgebenden Bank aus.
In dem Rechtsstreit
hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 1997
durch
den Vorsitzenden Richter Schimansky sowie
die Richter Dr. Schramm, Nobbe, Dr. van Gelder und Dr. Müller
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 31. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 11. November 1996 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die beklagte Sparkasse aus einer angeblichen Beratungs- und Aufklärungspflichtverletzung in Anspruch.
Nach Aufnahme mehrerer Darlehen hatte die Klägerin am 26. Januar 1990 u.a. die Ansprüche aus zwei Kapitallebensversicherungen zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen der Beklagten abgetreten. Sie trägt vor, infolge des StÄndG 1992 sei die weite Zweckerklärung steuerschädlich geworden, durch eine engere Fassung des Sicherungszwecks bis zum 31. Dezember 1993 hätten diese Folgen vermieden werden können. Sie ist der Auffassung, die Beklagte hätte sie auf die drohenden Schäden hinweisen und bei einer zweckdienlichen Einschränkung der Zweckerklärung mitwirken müssen.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß die Beklagte ihr zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, der aus der nicht rechtzeitigen Abänderung der Zweckerklärung über die abgetretenen Versicherungsansprüche entstanden ist. Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen; mit der - zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der Feststellungsklage bejaht und sowohl eine Pflicht zur Beratung oder Aufklärung über die Gesetzesänderung im Bereich des Steuerrechts als auch eine Pflicht zum Verzicht auf die ihr eingeräumten Sicherheiten verneint: Für einen Beratungsvertrag fehle jeder schlüssige Vortrag der Klägerin, eine Aufklärungspflicht der Beklagten habe nicht bestanden, da eine Bank ihr eingeräumte Sicherheiten grundsätzlich nur im eigenen Interesse, nicht auch im Kundeninteresse prüfe. Diese Interessenlage stehe einer Aufklärungspflicht über die mit der Kreditabwicklung verbundenen Risiken entgegen. Im übrigen wäre die Klägerin durch Aufklärung auch nicht in die Lage versetzt worden, die mit der Gesetzesänderung für sie verbundenen Nachteile abzuwenden. Diese Möglichkeit habe nur bestanden, wenn die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, die Zweckerklärung so einzuschränken, daß mit ihr für die Klägerin keine steuerlichen Nachteile mehr verbunden waren. Eine solche Pflicht lasse sich indessen aus dem Kreditverhältnis nicht herleiten.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
1.
Das Berufungsgericht geht zunächst zutreffend davon aus, daß die Feststellungsklage zulässig ist. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, daß die Klägerin einen Teil ihres Schadens bereits beziffern kann. Der Vorrang der Leistungsklage gilt nicht ausnahmslos. Wenn eine Feststellungsklage zur endgültigen Erledigung eines Streits führt, bestehen gegen ihre Zulässigkeit keine Bedenken. Das ist hier der Fall, da bei einem Kreditinstitut wie der Beklagten hinreichende Gewähr dafür besteht, daß sie sich an ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hält (Senats-urteil vom 3. Juni 1997 - XI ZR 133/96, WM 1997, 1280 m.w.Nachw.).
2.
Das Berufungsgericht hat mit Recht einen Beratungsvertrag verneint. Im Vortrag der Klägerin gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagte sich auch nur stillschweigend zur Beratung aus Anlaß steuerrechtlicher Änderungen, die sich auf eingeräumte Sicherheiten auswirken, verpflichten wollte. Die Revision erhebt dagegen in der Sache auch keine Einwände.
3.
Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses keine Pflicht zur Aufklärung über die Auswirkung des StÄndG 1992 auf die Erträge aus den eingeräumten Sicherheiten besteht.
Bei der Hereinnahme von Sicherheiten für einen Kredit ist eine Bank grundsätzlich nicht verpflichtet zu prüfen, ob mit der Sicherheitenbestellung Nachteile für den Sicherungsgeber verbunden sind; sie prüft die Sicherheiten grundsätzlich, falls ihr nicht ein anderslautender Auftrag erteilt ist, nur im eigenen, nicht aber im Kundeninteresse (vgl. Senatsurteil vom 7. April 1992 - XI ZR 200/91, WM 1992, 977, m.w.Nachw.). An diesem Grundsatz ändert sich nichts während der Laufzeit des gesicherten Kredits. Auch in dieser Zeit überprüft die Bank z.B. aus Anlaß gesetzlicher Änderungen eingeräumte Sicherheiten nur in ihrem eigenen Sicherungsinteresse; zur Aufklärung der jeweiligen Sicherungsgeber über zwischenzeitlich eingetretene Risiken ist sie nicht verpflichtet.
Es besteht auch keine Aufklärungspflicht aus dem Gesichtspunkt eines konkreten Wissensvorsprungs der Beklagten. Aus diesem Grund ist eine Aufklärungspflicht nur dann gegeben, wenn im Einzelfall der Darlehensnehmer besonders aufklärungsbedürftig ist und nach Treu und Glauben ein Hinweis der Bank geboten ist. Das kommt unter Umständen in Betracht, wenn die Bank in bezug auf spezielle Risiken eine konkrete Kenntnis erwirbt, die ihrem Kunden nicht ohne weiteres zugänglich ist (vgl. Senatsurteile vom 31. März 1992 - XI ZR 70/91, WM 1992, 901, 902 [BGH 31.03.1992 - XI ZR 70/91], vom 7. April 1992 - XI ZR 200/91, WM 1992, 977, und vom 28. April 1992 - XI ZR 165/91, WM 1992, 1310, 1311 [BGH 28.04.1992 - XI ZR 165/91], jeweils m.w.Nachw.). Diese Voraussetzungen sind bei einer Steuerrechtsänderung nicht gegeben. Dem Kunden stehen hier dieselben Erkenntnisquellen zur Verfügung, die Kreditinstitute haben. Der Klägerin geht es im Grunde auch nicht um die Information über die Gesetzesänderung als solche, sondern um die sich daraus für sie möglicherweise ergebenden finanziellen Nachteile und die Wege zu ihrer - rechtzeitigen - Vermeidung, also um eine Beratung über die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen der Änderung. Der Streit zwischen den Parteien über die steuerrechtliche Relevanz der Gesetzesänderung für die besonders geregelten Altfälle zeigt, daß hier unter Umständen schwierige Rechtsfragen zu beantworten sind, die in den Bereich der Steuerberatung gehören und im Falle der Fehlinformation ein nicht zu unterschätzendes Haftungsrisiko bedeuten. Allein das Erkennen der im Einzelfall dem Kunden drohenden wirtschaftlichen Nachteile und insbesondere auch der Weg zu ihrer Vermeidung verlangt im übrigen steuerrechtliche Spezialkenntnisse, die nicht bei jedem Kreditinstitut vorausgesetzt werden können. Es würde deshalb eine Überspannung der Pflichten eines Kreditinstituts bedeuten, eine - zuver-lässige und rechtzeitige - Unterrichtung aller von einer Steuerrechtsänderung möglicherweise betroffenen Kunden unter Aufzeigung der zu ziehenden Konsequenzen zu verlangen. Die von der Revision für ihre Auffassung zitierte Rechtsprechung und Literatur betrifft im wesentlichen Warnpflichten bei konkreten Kundenverfügungen, die zum Verlust der mit der besonderen Art der Kapitalanlage bezweckten Steuervorteile führen würden.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß die Beklagte - wie die Klägerin behauptet - in anderen Fällen an einer Einschränkung der Zweckerklärung mitgewirkt hat. Wenn sie - wie dargelegt - zur Aufklärung nicht verpflichtet war, kann ihre freiwillige Mitwirkung nicht dazu führen, daß nunmehr in den übrigen Fällen eine Aufklärungspflicht entsteht.
4.
Da keine Warn- und Aufklärungspflichten bestehen, kommt es auf die Frage, ob die Beklagte in eine Abänderung der Zweckerklärung hätte einwilligen müssen, nicht an. Die Klägerin hat eine solche Abänderung in Unkenntnis der Rechtslage nicht verlangt.
Dr. Schramm,
Nobbe,
Dr. van Gelder,
Dr. Müller