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Bundesgerichtshof
Urt. v. 20.12.1994, Az.: VI ZR 338/93

Anspruch auf Schmerzensgeld wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung bei einer HNO-Operation; Festsetzung der Höhe der Jahreszinsen des Schmerzensgeldanspruchs über die Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4 %; Voraussetzungen für einen weitergehenden Zinsanspruch aufgrund einer Anlagemöglichkeit; Abhängigkeit des Bestands des weitergehenden Zinsanspruchs von der Darlegungs-und Beweislast des Klägers

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
20.12.1994
Aktenzeichen
VI ZR 338/93
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 17424
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Düsseldorf - 28.10.1993
LG Duisburg - 14.08.1991

Fundstellen

  • NJW 1995, 733 (Volltext mit red. LS)
  • VersR 1995, 471 (Volltext mit red. LS)
  • ZBB 1995, 186

Prozessführer

Nils T., Am K., D.

Prozessgegner

1. Dr. Charles H., H. Straße ..., E.

2. Dr. Richard N., M. straße ..., D.

Redaktioneller Leitsatz

Zu der Darlegungs- und Beweislast bei einer Verzinsung des Schmerzensgeldkapitals, die über 4 % hinausgeht ab Rechtshändigkeit.

In dem Rechtsstreit
hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 1994
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Steffen und
die Richter Dr. Kullmann, Dr. Lepa, Dr. Müller und Dr. Dressler
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. Oktober 1993 insoweit aufgehoben, als der weitergehende Zinsanspruch abgewiesen worden ist. Insoweit wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 14. August 1991 zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger und die Beklagten je zur Hälfte; von den Gerichtskosten fallen dem Kläger 3/7 und den Beklagten 4/7 zur Last.

Tatbestand

1

Der damals 4jährige Kläger unterzog sich im Dezember 1977 in der von dem zweitbeklagten Arzt geleiteten HNO-Klinik einer Operation zur Entfernung der Rachenmandeln und einem Eingriff zur Behandlung einer Ohrerkrankung. Operateur war der erstbeklagte Arzt. Nach dem Eingriff kam es durch die Ausbreitung einer Infektion in den Ohren zu einer beidseitigen Schädigung des Innenohres und einer Hirnhautentzündung. Der Kläger ist seither auf dem rechten Ohr völlig taub, linksseitig besteht eine hochgradige Schwerhörigkeit, außerdem ist rechtsseitig das Gleichgewichtsorgan ausgefallen.

2

Der Kläger hat die Beklagten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung u.a. auf Zahlung eines angemessenen, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Schmerzensgeldes nebst 6 % Jahreszinsen seit dem 26. November 1978 in Anspruch genommen. Das Oberlandesgericht hat die Berechtigung des Schmerzensgeldbegehrens durch das rechtskräftige Urteil vom 1. Oktober 1987 festgestellt. Im nachfolgenden Betragsverfahren hat das Landgericht dem Kläger einen Schmerzensgeldkapitalbetrag von 150.000,00 DM nebst 6 % Zinsen ab Zustellung der Klageschrift (abzüglich zwischenzeitlich gezahlter 20.000,00 DM) sowie eine Schmerzensgeldrente von 600,00 DM monatlich nebst 4 % Zinsen zugesprochen.

3

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht den Schmerzensgeldkapitalbetrag auf 110.000,00 DM (abzüglich gezahlter 20.000,00 DM), die Schmerzensgeldrente auf monatlich 300,00 DM und die auf den Schmerzensgeldkapitalbetrag zu zahlenden Jahreszinsen auf 4 % herabgesetzt.

4

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision eingelegt, mit der er die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.

5

Der Senat hat die Revision angenommen, soweit der weitergehende Zinsanspruch abgewiesen worden ist.

Entscheidungsgründe:

6

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger auf den Schmerzensgeldkapitalbetrag ein über den gesetzlichen Zinssatz von 4 % hinausgehender Zinsanspruch nicht zu. Zwar könnten von einem Schmerzensgeld, dessen Höhe - wie hier - in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, Zinsen seit dem Eintritt der Rechtshängigkeit verlangt werden, aber nur in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes (§§ 284 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1, 291 BGB). Die Voraussetzungen, die nach § 286 BGB für einen weitergehenden Zinsanspruch erfüllt sein müßten, lägen hier nicht vor. Allerdings habe der Kläger den Verlust von Anlagezinsen geltend gemacht. Er habe es jedoch versäumt, dies konkret darzulegen und zu beweisen. Die Bescheinigung der D. Bank, die er vorgelegt habe, besage lediglich, daß zur damaligen Zeit die Möglichkeit bestanden habe, bei einer langfristigen Kapitalanlage 6 % Zinsen zu erzielen. Sie sage hingegen nichts darüber aus, ob der Kläger eine solche Kapitalanlage tatsächlich getätigt hätte, wenn ihm die entsprechenden Geldmittel zur Verfügung gestanden hätten. Im Gegensatz zu Banken, Versicherungen und ähnlichen Unternehmen könne nicht unterstellt werden, daß der Kläger Schmerzensgeldzahlungen, wenn er sie erhalten hätte, in jedem Fall verzinslich angelegt hätte.

7

II.

Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. Das Berufungsgericht durfte den geltend gemachten Zinsanspruch nicht daran scheitern lassen, daß der Kläger insoweit seiner Darlegungs- und Beweislast nicht genügt habe. Der Kläger konnte davon ausgehen, daß das Berufungsgericht seinen Prozeßvortrag dahin verstehen werde, daß er - hätte ihm der Schmerzensgeldkapitalbetrag zur Verfügung gestanden - die in der Bescheinigung der D. Bank aufgezeigte Anlagemöglichkeit wahrgenommen hätte. Der Prozeßstoff, den das Berufungsgericht gemäß § 287 ZPO zu würdigen hatte (vgl. BGH, Urteile vom 9. April 1981 - IV a ZR 144/80 - NJW 1981, 1732 und vom 6. Mai 1981 - IV a ZR 170/80 - NJW 1981, 1729, 1731 f.), bot keinen Anhaltspunkt für die Annahme, daß der Kläger, der bei seinen Eltern wohnte, das Schmerzensgeldkapital für einen anderen Zweck als zur Kapitalanlage verwendet hätte. So hat denn auch das Landgericht das Prozeßvorbringen des Klägers dahin verstanden, daß er von der gebotenen Anlagemöglichkeit Gebrauch gemacht hätte, wenn ihm der Kapitalbetrag zur Verfügung gestanden hätte. In der Berufungsbegründung wird dieses Verständnis nicht angegriffen; es findet sich dort lediglich die allgemeine Bemerkung, daß die vom Landgericht zuerkannten Zinsansprüche auch nicht gerechtfertigt seien. Hierin kann ein rechtswirksames Bestreiten des Vortrags des Klägers nicht erblickt werden (§ 138 Abs. 2 und 3 ZPO), so daß davon auszugehen ist, daß das Prozeßvorbringen des Klägers unstreitig ist. Danach ist der geltend gemachte Zinsanspruch begründet.

Dr. Steffen
Dr. Kullmann
Dr. Lepa
Dr. Müller
Dr. Dressler