Bundesgerichtshof
Urt. v. 01.07.1994, Az.: BLw 95/93
LPG; Mitgliedschaft
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 01.07.1994
- Aktenzeichen
- BLw 95/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 15020
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 41 LAnpG
- § 242 BGB
Fundstellen
- MDR 1994, 1154 (amtl. Leitsatz)
- NJ 1995, 33-34 (Volltext mit amtl. LS)
- WM 1994, 1944-1945 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
1. Ein Beschluß der LPG Vollversammlung, wonach die Mitgliedschaft bei allen Mitgliedern mit Erreichen des Rentenalters erlischt, wenn sie ihre Arbeitskraft nicht mehr zur Verfügung stellen, ist unwirksam.
2. Ein Austritt aus der LPG Typ I ohne Beteiligung der Mitgliederversammlung war ausgeschlossen.
3. Die Mitgliedschaft in einer LPG kann nicht verwirkt werden, sondern allenfalls die aus der Mitgliedschaft folgenden Rechte.
Gründe
I. Die Antragsteller wurden 1960 Mitglieder der Antragsgegnerin, einer LPG des Typs I, die in der Folgezeit einen Großteil ihrer Anbauflächen zum Aufbau des Stadtteils J. - W. verlor und hierfür Ausgleichszahlungen erhielt.
Seit Anfang der 80er Jahre nahmen die Antragsteller nicht mehr am genossenschaftlichen Leben der Antragsgegnerin teil; sie beteiligten sich nicht an den von den Mitgliedern zu entrichtenden Rückführungsbeiträgen, zahlten keine Sozialversicherungsbeiträge und reichten der Antragsgegnerin auch keine Jahressteuererklärung ein. Sie erhielten von der Antragsgegnerin weder Bodenanteile noch Naturalien.
Mit Beschluß vom 14. Oktober 1982 legte die Vollversammlung der Antragsgegnerin fest, daß die Mitgliedschaft bei allen Mitgliedern mit Erreichen des Rentenalters erlösche, wenn diese ihre Arbeitskraft nicht mehr zur Verfügung stellen. Die Einladung zur Mitgliederversammlung erfolgte wie üblich durch Aushang an einem schwarzen Brett.
Mit Beschluß vom 20. November 1989 legte die Mitgliederversammlung der Antragsgegnerin einzelne Stufen der Auflösung fest, und zwar im Zusammenhang mit der beabsichtigten Übergabe der Produktionsflächen, der Beteiligungen an Fremdgenossenschaften und der Grundmittel an die LPG (P) B.. Die Antragsgegnerin wurde am 31. Dezember 1989 im Genossenschaftsregister gelöscht; die Verhandlungen mit der LPG (P) B. scheiterten.
Mit Beschluß vom 1. Dezember 1990 beschloß die Mitgliederversammlung der Antragsgegnerin, das Landratsamt, auf die Auflösung der Antragsgegnerin und deren Streichung im Register hinzuweisen, damit sie "zum 31. Dezember 1990 endgültig aufgelöst sei".
In einem Rechtsstreit zwischen den Antragstellern zu 1 bis 3 und der Antragsgegnerin ist rechtskräftig entschieden, daß die Beschlüsse der Mitgliederversammlung vom 20. November 1989 und vom 1. Dezember 1990 nichtig sind (Urt. des BezG Gera v. 10. Juni 1992, Az. 1 U 22/91).
Mit der Behauptung, sie seien weiterhin Mitglied der Antragsgegnerin, verlangen die Antragsteller im Wege eines Stufenantrags
a) umfassende Auskunft darüber, über welche Vermögenswerte die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses vom 20. November 1989 verfügte, wie und in welcher Höhe Vermögenswerte an Teile der Mitglieder verteilt worden sind, durch Vorlage eines Vermögensverzeichnisses, welches auch alle Beteiligungen der Antragsgegnerin an LPGs und genossenschaftlichen Einrichtungen berücksichtige,
b) die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben an Eides statt durch ihre gesetzlichen Vertreter zu versichern und
c) die den Antragstellern aus dem Mitgliedschaftsverhältnis zustehenden und derzeit noch nicht bezifferbaren "Anteile am Vermögen der Beklagten herauszugeben".
Das Kreisgericht, Landwirtschaftsgericht, hat dem Antrag a) stattgegeben. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, die die Zurückweisung des Antrags weiterverfolgt.
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde (§ 65 Satz 2 LwAnpG a.F. § 24 Abs. 1 LwVG) ist unbegründet. Das Landwirtschaftsgericht hat rechtsfehlerfrei einen Auskunftsanspruch der Antragsteller bejaht. Die Antragsgegnerin, die sich nicht umgewandelt hat, ist kraft Gesetzes aufgelöst (§ 69 Abs. 3 LwAnpG). In diesem Fall erfolgt die Vermögensaufteilung unter Beachtung des § 44 LwAnpG (§ 42 Abs. 1 LwAnpG). Zur Vorbereitung ihrer Ansprüche haben die Antragsteller als Mitglied der Antragsgegnerin ein umfassendes Auskunfts- und Einsichtsrecht in alle maßgeblichen Unterlagen (vgl. Senatsbeschlüsse v. 24. November 1993, BLw 57/92, WM 1994, 262, 263 [BGH 24.11.1993 - BLw 57/92] und BLw 32/93, WM 1994, 311, 312 [BGH 24.11.1993 - BLw 32/93]). Offenbleiben kann deshalb, ob sich die Auskunftsansprüche der Antragsteller auch daraus ergeben, daß - wie das Landwirtschaftsgericht ausführt - Schadensersatzansprüche gegen die Vorstandsmitglieder der Antragsgegnerin nach § 3 a LwAnpG in Betracht kommen.
1. Unstreitig sind die Antragsteller 1960 Mitglieder der Antragsgegnerin geworden. Rechtsfehlerfrei kommt das Landwirtschaftsgericht zum Ergebnis, daß die Antragsteller ihre Mitgliedschaft bis zum 1. Januar 1992 nicht verloren haben.
a) Der Beschluß der Mitgliederversammlung vom 14. Oktober 1982 hat die Mitgliedschaft der Antragsteller nicht beendet, weil für ihn jede Rechtsgrundlage fehlte. Beschlüsse der Mitgliederversammlung einer LPG, insbesondere solche zur Mitgliedschaft, die sich weder aus den gesetzlichen Bestimmungen noch aus sonstigen rechtlichen Grundsätzen herleiten lassen, sind unwirksam (Hähnert, Richter, Rohde, LPG-Recht 1984 S. 87; OG NJ 1970, 528, 529). Die automatische Beendigung der Mitgliedschaft bei Erreichen des Rentenalters und Einstellung der Arbeit widerspricht dem LPG-Recht. Nach Ziff. 25 Abs. 1 des Musterstatuts für die LPG Typ I endete die Mitgliedschaft nur durch Austritt, Ausschluß oder Tod (LPG-Recht 1967 S. 53). Auch die Musterstatuten der LPG (P) und LPG (T) vom 28. Juli 1977 (GBl Sonderdruck Nr. 937) kennen den im genannten Beschluß der Mitgliederversammlung aufgestellten Grund zur Beendigung einer LPG-Mitgliedschaft nicht (vgl. jeweils Ziff. 16 Abs. 1 der Musterstatuten; LPG-Recht 1984 S. 127).
b) Ob die Mitgliedschaft der Antragsteller endete, beurteilt sich nach dem Musterstatut der LPG Typ I. Zwar ist dieses Musterstatut nach dem Ministerratsbeschluß vom 28. Juli 1977 über die Musterstatuten und Musterbetriebsordnungen der LPG (P) und der LPG (T) (GBl Sonderdruck Nr. 937) grundsätzlich zum 31. Dezember 1978 außer Kraft getreten; dies galt jedoch nicht für solche LPGen, bei denen die Voraussetzungen für die Anwendung dieser neuen Musterstatuten noch nicht vorlagen. Insoweit galt weiter die bisherige Regelung für die LPG des Typs I (Minsterratsbeschl. aaO. Nr. 5). Unstreitig blieb die Antragsgegnerin immer eine LPG vom Typ I, ihr Anschluß bzw. Zusammenschluß an die LPG B. ist gescheitert.
Ein Austritt aus der Genossenschaft konnte nur durch schriftliche Erklärung erfolgen (Ziff. 26 Musterstatut LPG Typ I). Dies wurde auch schon vor Erlaß der Musterstatuten vom 28. Juli 1977 dahin verstanden, daß es sich insoweit um einen Antrag an die Vollversammlung handelte; ein Ausscheiden durch Austritt ohne Beteiligung der Vollversammlung war mithin ausgeschlossen (vgl. Arlt, Rechte und Pflichten der Genossenschaftsbauern 1965 S. 374; OG NJ 1963, 571, 573; LPG-Recht 1984 S. 128). Unstreitig haben nach den Feststellungen des Landwirtschaftsgerichts die Antragsteller einen solchen Austrittsantrag nicht gestellt. Mit Rücksicht darauf, daß klar feststehen muß, ob eine LPG-Mitgliedschaft beendet ist, hat das LPG-Recht ein formalisiertes Verfahren zur Beendigung der Mitgliedschaft vorgesehen. Es ist deshalb nicht zulässig, aus einem bestimmten Verhalten der Antragsteller (Nichtteilnahme am genossenschaftlichen Leben, keine Zahlung notwendiger Beiträge, keine Inanspruchnahme von Naturalien) auf deren Austritt aus der LPG zu schließen. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde geht es nicht nur um die Einhaltung der Schriftform, sondern auch um die Beteiligung der Vollversammlung. Auch die Antragsgegnerin hat nie dargelegt, daß die Vollversammlung mit einem Austrittsantrag der Antragsteller befaßt gewesen ist. Davon abgesehen fehlte auch jeder konkrete Sachvortrag der Antragsgegnerin zu einer ausdrücklichen Austrittserklärung der Antragstellerin. Sie hat insoweit in der Tatsacheninstanz nur auf deren.schlüssiges Verhalten und auf den Beschluß vom 14. Oktober 1982 abgehoben. Soweit die Rechtsbeschwerde erstmals behauptet, die Antragsteller zu 1 bis 3 hätten "1981 bzw..1983 den Austritt aus der Beklagten" ausdrücklich erklärt, und dies unter Zeugenbeweis stellt, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht berücksichtigt werden kann (§ 27 Abs. 2 LwVG; § 561 ZPO).
c) Ob das Verhalten der Antragsteller nach LPG-Recht Anlaß gegeben hätte, sie aus der LPG auszuschließen (Ziff. 25 Abs. 2 und 3 Musterstatut LPG Typ I), kann dahinstehen, denn unstreitig sind die Antragsteller nicht aus der LPG ausgeschlossen worden.
d) Mit Recht verneint das Landwirtschaftsgericht schon im Ansatz, daß die Antragsteller ihre Mitgliedschaft als solche verwirkt haben. Verwirkt werden können nur subjektive Rechte (vgl. MünchKomm/Roth, BGB, 2. Aufl., § 242 Rdn. 328), weil nur bei ihnen davon gesprochen werden kann, ihre Ausübung stehe in Widerspruch zur längerdauernden Nichtausübung, die bei der Gegenseite (Schuldner) einen entsprechenden Vertrauenstatbestand begründet (vgl. etwa BGH, Urt. v. 3. Dezember 1981, VII ZR 282/80, WM 1982, 101, 102). Die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft ist aber kein subjektives Recht, sondern ein personenrechtliches Rechtsverhältnis und als solches Grundlage von Rechten und Pflichten des einzelnen Genossen im Verhältnis zur Genossenschaft (vgl. Meyer-Meulenbergh/Beuthien, GenG, 12. Aufl., § 18 Rdn. 6; Müller, GenG, 2. Aufl., § 18 Rdn. 66). Für die LPG galt insoweit nichts anderes (Arlt/Kraus, LPG-Recht 1989, § 29 Anm. 2; Hähnert, Richter, Rohde, LPG-Recht 1984 S. 32 und S. 108 ff). Demgemäß können nur die aus der Mitgliedschaft folgenden Rechte verwirkt werden, nicht aber die Stellung als Mitglied. Die hier maßgeblichen Ansprüche der Antragsteller aus ihrer Mitgliedschaft können aber nicht verwirkt sein, weil sie erst mit der gesetzlichen Auflösung der Antragsgegnerin zum 1. Januar 1992 entstanden sind (vgl. auch unter Ziff. 2), das vorliegende Verfahren aber schon im Januar 1992 rechtshängig wurde.
2. Zutreffend geht das Landwirtschaftsgericht auch davon aus, daß die Beschlüsse der Mitgliederversammlung vom 20. November 1989 und vom 1. Dezember 1990 nichtig sind. Dies ist im Verhältnis zwischen den Antragstellern zu 1 bis 3 und der Antragsgegnerin rechtskräftig festgestellt. Es spricht vieles dafür, daß diese Feststellung auch zwischen der Antragstellerin zu 4 und der Antragsgegnerin wirkt (vgl. § 51 Abs. 5 Satz 1 GenG; Müller, GenG, 1. Aufl., § 51 Rdn. 33; §§ 248, 249 AktG analog), weil es sich insoweit um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz handelt, der auch im LPG-Recht Geltung haben dürfte. Dies kann jedoch offenbleiben, denn das Landwirtschaftsgericht hat in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Bezirksgerichts Gera zutreffend angenommen, daß die genannten Beschlüsse wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nichtig waren, weil die Antragsteller zu den Vollversammlungen nicht eingeladen worden sind (vgl. dazu auch Senatsbeschluß v. 1. Juli 1994, BLw 17/94, zur Veröffentlichung bestimmt). Dies greift die Rechtsbeschwerde nicht an.
3. Als fehlerhaft erweist sich allerdings die vom Landwirtschaftsgericht getroffene Kostenentscheidung. Wie auch das Erstgericht nicht verkennt, handelt es sich um einen Teilbeschluß im Rahmen des Stufenverfahrens. Die Kostenentscheidung ergeht erst in der Schlußentscheidung, um eine einheitliche Kostenentscheidung sicherzustellen (vgl. MünchKomm-ZPO/Lüke, § 254 Rdn. 29; MünchKomm-ZPO/Musielak, § 301 Rdn. 20; Zöller/Greger, ZPO, 18. Aufl., § 254 Rdn. 1 und Zöller/Vollkommer aaO. § 301 Rdn. 11).
4. Die Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 44 LwVG.