Bundesgerichtshof
Urt. v. 10.05.1994, Az.: XI ZR 115/93
Bank; Scheckbestätigung; Aufklärungspflicht; Entscheidungskonflikt; Verzugsschaden
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 10.05.1994
- Aktenzeichen
- XI ZR 115/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 15213
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BB 1994, 1664-1665 (Volltext mit amtl. LS)
- DB 1994, 2025 (Volltext mit amtl. LS)
- LM H. 2 / 1995 § 276 (Cc) BGB Nr. 35
- MDR 1994, 1005 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1994, 2541-2542 (Volltext mit amtl. LS)
- WM 1994, 1466-1468 (Volltext mit amtl. LS)
- ZBB 1994, 270
- ZIP 1994, 1168-1170 (Volltext mit amtl. LS)
- ZIP 1994, A85-A86 (Kurzinformation)
Amtlicher Leitsatz
1. Die mit der Einholung einer Scheckbestätigung beauftragte Bank hat dem Auftraggeber alle für ihn erkennbar relevanten Zusatzinformationen mitzuteilen, die sie bei Einholung der Bestätigung erlangt hat.
2. Die Vermutung für "aufklärungsrichtiges" Verhalten gilt nur für die Fälle, in denen es für den aufzuklärenden Partner vernünftigerweise nur eine Möglichkeit der Reaktion gibt, die vollständige und richtige Auskunft also keinen Entscheidungskonflikt ausgelöst hätte.
Tatbestand:
Die Klägerin betreibt einen Autohandel. Sie war seit 1987 Kundin der Beklagten und unterhielt bei ihr ein Girokonto. Anfang 1989 kaufte ein Kunde bei der Klägerin mehrere Neuwagen und übergab ihr am 21. Juni 1989 zur Begleichung des Kaufpreises einen Verrechnungsscheck über 236.423,30 DM. Bezogene war die Volksbank D. Die Fahrzeuge verblieben zunächst noch bei der Klägerin.
Diese reichte den Scheck am nächsten Tag bei der Beklagten ein. Der Zweigstellenleiter der Beklagten sprach im Auftrag der Klägerin telefonisch mit einem Mitarbeiter der Volksbank D. über die Einlösung des Schecks. Nach Erteilung der Auskunft lieferte die Klägerin am 24. Juni 1989 die Fahrzeuge an den Kunden aus. Der Scheck wurde nach Vorlage nicht bezahlt, da keine Deckung bestand. Die Fahrzeuge konnten nicht wiedererlangt werden.
Wegen der Nichteinlösung des Schecks führte die Beklagte einen Rechtsstreit gegen die Volksbank D., der mit einem Vergleich abgeschlossen wurde, in dem sich diese verpflichtete, an die Beklagte einen Betrag von 118.218,40 DM nebst Zinsen zu zahlen. Nach Abzug von Auslagen und Kosten schrieb die Beklagte der Klägerin einen Betrag von 97.303,11 DM gut.
Die Klägerin fordert von der Beklagten wegen des Verlusts der Fahrzeuge - unter Anrechnung der Gutschrift - Schadensersatz. Sie behauptet, der Zweigstellenleiter der Beklagten habe verschwiegen, daß er von dem Mitarbeiter der Volksbank D. ausdrücklich davon unterrichtet worden sei, daß das Guthaben auf dem bezogenen Konto lediglich auf einem unter Vorbehalt bestätigten anderen Scheck beruhte. Nach ihrer Darstellung hat sie im übrigen eine Scheckgarantie verlangt und hätte die Fahrzeuge nicht ausgeliefert, wenn sie über den wahren Sachverhalt unterrichtet worden wäre.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Sie macht geltend, sie habe lediglich den Auftrag zu einer gewöhnlichen Scheckabfrage erhalten; ihr sei auch nicht bekannt gewesen, daß die Deckung des bezogenen Kontos auf einem eingereichten und bestätigten, aber noch nicht gutgeschriebenen Scheck beruht habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das Urteil abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 138.297 DM nebst Zinsen verurteilt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit es die Beklagte beschwert, und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe ein Schadensersatzanspruch zu, und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
1. Die Voraussetzungen einer Scheckgarantie seien nicht gegeben. Bei der Antwort der Volksbank D. auf die Scheckanfrage habe es sich nur um eine bankübliche Bestätigung des Schecks gehandelt mit der zusätzlichen Zusage, bis zum bestätigten Betrag keine Verfügung über das Konto des Ausstellers zuzulassen.
Die Haftung der Beklagten ergebe sich daraus, daß die Beklagte aufgrund ihrer im Auftrag der Klägerin durchgeführten Anfrage bei der Volksbank D. über weitergehende Informationen verfügt habe, die sie jedoch nicht an die Klägerin weitergegeben habe. Der Beklagten sei mitgeteilt worden, daß für das von der Scheckanfrage betroffene Konto ein banküblich bestätigter Scheck einwandfreier Bonität vorliege, der jedoch noch nicht vorbehaltlos gutgeschrieben sei. Diesen Sachverhalt hätte die Beklagte der Klägerin auf jeden Fall mitteilen müssen. Es habe sich um einen das Risiko der Klägerin erhöhenden Umstand gehandelt. Die von der Volksbank D. gegebene Zusage sei davon abhängig gewesen, daß dieser Scheck auch wirklich eingelöst werden würde. Die Sperrung dieses Schecks habe dann auch zur Nichteinlösung des von der Klägerin eingereichten Schecks geführt.
2. Die Pflichtverletzung der Beklagten sei auch kausal für den ihr entstandenen Schaden gewesen. Die Klägerin habe dargelegt, daß sie die Fahrzeuge nicht an den Kunden ausgeliefert hätte, wenn sie von dem anderen noch nicht eingelösten Scheck gewußt hätte. Die Beklagte habe zwar die Ursächlichkeit der Verletzung der Aufklärungspflicht für den Schaden bestritten. Sie treffe jedoch die Beweislast dafür, daß der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten eingetreten wäre. Bei Verletzung einer vertraglichen Aufklärungs- oder Beratungspflicht treffe diese Beweislast den Verpflichteten. Die Beklagte habe jedoch insoweit keinen Beweis angetreten.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Das Berufungsgericht geht allerdings ohne Rechtsfehler von einer schuldhaften Pflichtverletzung der Beklagten aus. Diese war nach dem im Rahmen der laufenden Geschäftsverbindung erteilten Auftrag, den Scheck abzufragen, verpflichtet, die von der Volksbank D. erhaltene Auskunft richtig und vollständig weiterzugeben. Dazu gehörte auch die Information, daß der Käufer seinerseits einen banküblich bestätigten Scheck einwandfreier Bonität auf das bezogene Konto eingereicht hatte, der aber noch nicht eingelöst worden war.
Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben ohne Erfolg. Sie macht geltend, der Mitarbeiter der Volksbank D. habe gegenüber dem Zweigstellenleiter der Beklagten zwar den auf dem bezogenen Konto eingereichten Scheck erwähnt, er habe aber weder dessen Betrag genannt, noch habe er die Scheckbestätigung bzw. die Sperrzusage davon abhängig gemacht, daß dieser Scheck tatsächlich eingelöst werde. Ob dieser von der Klägerin teilweise bestrittene Sachvortrag zutrifft, kann offenbleiben. Im vorliegenden Fall handelte es sich um die übliche Scheckbestätigung unter Kreditinstituten, bei der den Beteiligten die maßgebenden Grundsätze bekannt waren. Die das Risiko für die Klägerin erhöhende Bedeutung jenes Schecks ergab sich bereits aus seiner Erwähnung im Zusammenhang mit der Scheckbestätigung. Bei dem Ersuchen um eine Scheckbestätigung kann der Anfragende erwarten und verlangen, daß der Befragte bei der von ihm erteilten Auskunft - insbesondere bei einem kritischen Kontostand - alle verfügbaren geschäftlichen Unterlagen berücksichtigt. Dazu gehören sogar die vorliegenden - zu einer Kontobelastung führenden - Schecks, Wechsel und Überweisungen, die sich im Geschäftsgang befinden und noch nicht auf dem Konto gebucht sind (vgl. BGHZ 49, 167, 169 [BGH 29.11.1967 - Ib ZR 165/65]; 61, 176, 177) [BGH 25.06.1973 - II ZR 26/72]. Dem Zweigstellenleiter der Beklagten mußte daher klar sein - auch wenn dies nicht besonders hervorgehoben worden sein sollte -, daß der der Volksbank D. vorliegende, aber noch nicht vorbehaltslos gutgeschriebene Scheck und dessen Bestätigung deshalb erwähnt wurden, weil ohne ihn für den außergewöhnlich hohen Betrag des von der Klägerin eingereichten Schecks keine Deckung bestanden hätte. Von der Weitergabe dieser Information an die Klägerin durfte die Beklagte unter den gegebenen Umständen nicht absehen.
2. Rechtlichen Bedenken begegnet jedoch die Begründung, mit der das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, die schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten sei für den aus der Nichteinlösung des Schecks entstandenen Schaden auch kausal gewesen.
Das Berufungsgericht läßt unberücksichtigt, daß diese Kausalitätsvermutung bei einer Aufklärungspflichtverletzung nur für "aufklärungsrichtiges" Verhalten besteht und deshalb voraussetzt, daß es für den anderen Teil vernünftigerweise nur eine bestimmte Möglichkeit der Reaktion auf die vollständige Aufklärung gibt und die Möglichkeit eines Entscheidungskonfliktes ausscheidet (Senatsurteil vom 16. November 1993 - XI ZR 214/92, WM 1994, 149, 151 [BGH 16.11.1993 - XI ZR 214/92] m.w.Nachw.). Nur mit dieser Einschränkung läßt sich die Beweislastumkehr rechtfertigen.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Hätte die Beklagte die Auskunft zutreffend und vollständig dahin erteilt, daß der hier streitige Scheck in Ordnung gehe, weil für das bezogene Konto ein banküblich bestätigter Scheck einwandfreier Bonität vorliege, hätte dies unterschiedliche Reaktionen der Klägerin zugelassen und die Herausgabe der Fahrzeuge nicht von vornherein ausgeschlossen, zumal sie die Fahrzeugpapiere bereits vor der Rückfrage hinausgegeben hatte. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts hatte sie keine Scheckgarantie verlangt und war auf die Risiken einer bloßen Scheckanfrage hingewiesen worden. Es kann offenbleiben, ob ein Kaufmann, der diese Risiken zu übernehmen bereit war, die Herausgabe der Fahrzeuge nicht in Betracht gezogen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, daß die Deckung für den eingereichten Scheck von der noch nicht gesicherten Gutschrift eines anderen Schecks abhing. Jedenfalls wenn - wie hier - mitgeteilt wird, daß dieser Scheck bankbestätigt ist und von einem Aussteller mit einwandfreier Bonität stammt, ist die Risikoerhöhung nicht so erheblich, daß nur noch eine Reaktion als vernünftig angesehen werden kann. Die Schadensersatz fordernde Klägerin muß daher nach den allgemeinen Grundsätzen den Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem ihr entstandenen Schaden beweisen. Sie hat hierfür Beweis angeboten.
III. Das Berufungsurteil mußte daher aufgehoben und die Sache zur Klärung der Kausalitätsfrage an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.