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Bundesgerichtshof
Urt. v. 24.11.1993, Az.: BLw 57/92

Landwirtschaft; Ermittlung des Abfindungsanspruchs; LPG; Auskunftsanspruch des Mitglieds; Vermögensauseinandersetzung; Ordnungsgemäße Buchführung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
24.11.1993
Aktenzeichen
BLw 57/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1993, 15302
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BGHZ 124, 199 - 204
  • BB 1995, 144 (amtl. Leitsatz)
  • MDR 1994, 631-632 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJ 1994, 173 (Volltext mit amtl. LS)
  • WM 1994, 262-263 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZIP 1994, A5 (Kurzinformation)
  • ZIP 1994, 234-235 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

1. Zur Ermittlung seines Abfindungsanspruchs steht dem ausgeschiedenen oder ausscheidenden Mitglied gegen die LPG bzw. deren Nachfolgeorganisation ein umfassendes Auskunfts- und Einsichtsrecht in alle maßgebenden Unterlagen zu.

2. Für die Vermögensauseinandersetzung ist das Eigenkapital zugrunde zu legen, das dem nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung ermittelten tatsächlichen Wert aller Vermögensgegenstände entspricht.

Gründe

1

I. Die Antragstellerin war Mitglied der Antragsgegnerin. Das Mitgliedsschaftsverhältnis ist durch Kündigung spätestens mit Wirkung zum 10. April 1991 beendet worden. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Antragsgegnerin bereits in Liquidation. Die Liquidationseröffnungsbilanz lag bei der Vollversammlung am 2. Juli 1992 sowie zwei Wochen vorher zur Einsichtnahme aus.

2

Die Antragstellerin verlangt von der Antragsgegnerin zwecks Ermittlung eines Abfindungsanspruchs Auskunft unter anderem

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"unter Vorlage diesbezüglicher Belege, Wertgutachten und Verträge bzw. Fotokopien hiervon ... über die von ihr getätigten Verkäufe von

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1 Brennerei, gelegen in K.,

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Vieh (Kühe) im Herbst 1990,

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diverse Gegenstände, Ausrüstungen sowie bauliche Anlagen an die Agrargenossenschaft GmbH K."

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Das Landwirtschaftsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Hiergegen richtet sich die - zugelassene - Rechtsbeschwerde, mit der die Antragsgegnerin die Zurückweisung des Antrags weiterverfolgt. Die Antragstellerin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

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II. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

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1. Zutreffend hält das Landwirtschaftsgericht den Antrag auf Erteilung der Auskunft für genügend bestimmt. Es legt ihn dahin aus, daß die Antragsgegnerin sämtliche Schriftstücke vorzulegen hat, welche den Verkauf der Brennerei in K., den Verkauf von Vieh im Herbst 1990 sowie alle getätigten Verkäufe an die Agrargenossenschaft GmbH K. betreffen. Es geht weiterhin erkennbar davon aus, daß es sich bei dem hinter dem Vieh befindlichen Klammerzusatz "Kühe" nur um eine beispielhafte Aufzählung handelt und die Auskunft nicht auf den Verkauf von Kühen begrenzt sein soll. Damit ist der Gegenstand des Auskunftsbegehrens sowie der Zeitraum, auf den sich das Begehren bezieht, hinreichend genau angegeben und der dahin lautende Titel vollstreckungsfähig.

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2. Dem Auskunftsbegehren fehlt - entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung - auch nicht das Rechtsschutzinteresse, selbst wenn eine Auszahlung von Inventarbeiträgen aufgrund des Schuldenstandes nicht in Betracht kommt, wie die Antragsgegnerin behauptet. Denn die Antragstellerin hat ein rechtliches Interesse daran, gerade dieses nachprüfen zu können.

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3. Zutreffend geht das Landwirtschaftsgericht ferner davon aus, daß die Antragsgegnerin mit der Vorlage der Liquidationsbilanz ihre Auskunftspflicht noch nicht vollständig erfüllt hat, sondern zusätzlich Rechnungslegung für jedes einzelne der Bilanz zugrundeliegende Geschäft schuldet, weil dieses auch den Abfindungsanspruch der Antragstellerin berührt.

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a) Die Rechtsbeschwerde nimmt hin, daß die Antragstellerin durch Kündigung ihrer Mitgliedschaft spätestens mit Wirkung zum 10. April 1991 aus der Antragsgegnerin ausgeschieden ist. Auch wenn sich diese zu diesem Zeitpunkt bereits in Liquidation befand, steht der Antragstellerin damit ein Abfindungsanspruch nach § 44 Abs. 1 LwAnpG und nicht nur ein Anspruch auf Verteilung des Vermögens im Rahmen der Liquidation unter Beachtung des § 44 LwAnpG (§ 42 Abs. 1 LwAnpG) zu. Denn der Abfindungsanspruch ist immer dann gegeben, wenn das Mitglied sein Recht, die Mitgliedschaft durch Kündigung zu beenden, wirksam ausgeübt hat. Hat das Mitglied die Kündigung erklärt, wird der Anspruch nicht dadurch ausgeschlossen, daß die LPG vor Wirksamwerden der Kündigung die Liquidation beschließt. Insoweit gilt dasselbe wie im Falle eines nach der Kündigung von der LPG gefaßten Beschlusses zur Umwandlung (vgl. Senatsbeschl. v. 4. Dezember 1992, BLw 20/92, NJW 1993, 1207 [BGH 04.12.1992 - BLw 20/92]; Senatsbeschl. v. heutigen Tag, BLw 19/93, ebenfalls zur Veröffentlichung bestimmt). Ob hiervon im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben eine Ausnahme gemacht werden kann, bedarf hier mangels entsprechender Umstände keiner Entscheidung. Daß die Kündigung erst nach der Liquidationseröffnung erklärt und damit unwirksam gewesen wäre (§ 42 LwAnpG i.V. mit § 87 Abs. 1 GenG; vgl. Lang/Weidmüller, GenG 32. Aufl. § 87 Rdn. 16), macht die Rechtsbeschwerde nicht geltend. Der danach für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu unterstellende Abfindungsanspruch ist auf der Grundlage der nach dem Ausscheiden erstellten nächsten ordentlichen Bilanz, hier der Bilanz zum 31. Dezember 1991, festzustellen.

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b) Um einen ihm zustehenden Abfindungsanspruch berechnen zu können, hat jedes ausscheidende und ausgeschiedene LPG-Mitglied ein umfassendes Auskunfts- und Einsichtsrecht in die für seinen Abfindungsanspruch maßgebenden Unterlagen. Das Einsichtsrecht verschafft ihm die Möglichkeit, sich selbst ein Bild über die Grundlagen zu machen, die für die Ermittlung des Abfindungsanspruchs von Bedeutung sind. Insoweit gelten die von der Rechtsprechung für das Einsichtsrecht des ausgeschiedenen Gesellschafters einer Personengesellschaft entwickelten Grundsätze (BGH, Urt. v. 17. April 1989, II ZR 258/88, ZIP 1989, 768) entsprechend. Da der Abfindungsanspruch sich nach dem Anteil am Eigenkapital richtet und das Eigenkapital aufgrund der Bilanz zu ermitteln ist, die nach Beendigung der Mitgliedschaft als ordentliche Bilanz aufgestellt werden muß (§ 44 Abs. 6 LwAnpG), ist im allgemeinen diese die für die Berechnung des Abfindungsanspruchs maßgebliche Grundlage, in die das Mitglied Einsicht nehmen darf. Hierauf ist das Auskunfts- und Einsichtsrecht jedoch nicht beschränkt, weil die "ordentliche Bilanz" den kaufmännischen Bewertungsvorschriften und den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entsprechen muß (§§ 243, 252 f. HGB; Schweizer/Thöne, Recht der landwirtschaftlichen Betriebe 1993, 87 f.). Um dies prüfen zu können, hat das Mitglied deswegen das Recht, alle Unterlagen einzusehen, die hierfür von Bedeutung sind. Das können die Vorbilanzen, Jahresabschlußberichte, Prüfberichte, Bücher und einzelne Papiere sein. Auch Unterlagen über in der Vergangenheit abgeschlossene Geschäfte, wie Kaufverträge, Einzelbelege oder Wertgutachten über einen Geschäftsgegenstand gehören hierzu, wenn sie zur Prüfung benötigt werden ob. das in der maßgebenden Bilanz ausgewiesene Eigenkapital dem nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung ermittelten tatsächlichen Wert aller Vermögensgegenstände entspricht. Denn für die Vermögensauseinandersetzung sind die so ermittelten tatsächlichen Werte und nicht die reinen Buchwerte maßgebend (Schweizer/Thöne aaO S. 91). Dies ergibt sich aus der Zielsetzung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes, die Mitglieder an dem tatsächlich vorhandenen Vermögen der Genossenschaft und nicht nur an dem "betriebswirtschaftlich zu ermittelnden Ertragswert" (Behr, AgrarR 1993, Sonderheft LwAnpG, S. 37, 38) zu beteiligen. Ist aber eine Abfindung nach bloßen "bilanzpolitisch" gestaltbaren (Behr aaO) Buchwerten unzulässig, hat das abfindungsberechtigte Mitglied Anspruch auf Einsicht in alle Unterlagen, die zur Ermittlung dieser tatsächlichen Werte von Bedeutung sind. Hierzu gehören auch die Schriftstücke über den Verkauf eines Vermögensgegenstandes, weil es für den Bestand des noch vorhandenen Vermögens von Bedeutung ist, ob der Gegenstand zum Nachteil der Genossenschaft unter Wert veräußert wurde und dieser deswegen ein Schadensersatzanspruch zusteht, der in die Bilanz aufzunehmen wäre.

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Nach alledem hat die Antragstellerin Anspruch auf die begehrte Auskunft. Entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung kann sie diesen Anspruch schon deswegen außerhalb der Hauptversammlung geltend machen, weil sie seit 10. April 1991 nicht mehr Mitglied der Antragsgegnerin ist und es ihr gar nicht möglich war, in den späteren Vollversammlungen Auskunft zu verlangen. Im übrigen bezieht sich das von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommene, auf die Generalversammlung beschränkte, Auskunftsrecht in der Genossenschaft regelmäßig nur auf die zur Verhandlung oder Entscheidung anstehenden Tagesordnungspunkte (Lang/Weitmüller/Metz, GenG 32. Aufl. § 43 Rdn. 41). Hängt dagegen, wie hier, die Ausübung wichtiger Mitgliedschaftsrechte von der Erteilung einer bestimmten Auskunft ab, kann diese auch im Genossenschaftsrecht außerhalb der Generalversammlung verlangt werden, so daß es offenbleiben kann, ob die Grundsätze des Genossenschaftsrechts insoweit bei der LPG überhaupt Anwendung finden.

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Die Auskunft ist schließlich auch schriftlich durch Vorlage der begehrten Urkunden oder entsprechender Fotokopien hiervon zu erteilen. Nur so wird die Antragstellerin in den Stand gesetzt, ggf. unter Hinzuziehung eines Sachverständigen prüfen zu können, ob und inwieweit ihr ein Abfindungsanspruch zusteht. Insofern besteht ein Unterschied zu jenen Auskünften, die in der Generalversammlung der Genossenschaft grundsätzlich nur mündlich zu erteilen sind (vgl. Lang/Weitmüller/Metz aaO Rdn. 44).

16

Insgesamt ist die Rechtsbeschwerde daher zurückzuweisen.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44 Abs. 1, 45 Abs. 1 LwVG, die Festsetzung des Geschäftswerts auf §§ 33, 34 Abs. 2 LwVG, 30 Abs. 2 KostO.