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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 24.11.1993, Az.: BLw 32/93

Voraussetzungen für eine Rechtsbeschwerde in Landwirtschaftssachen; Abfindungsanspruch in Höhe des Wertes der geleisteten Inventarbeiträge und gleichstehender Leistungen eines ausgeschiedenen Mitglieds; Verletzung der Pflicht zur Amtsermittlung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
24.11.1993
Aktenzeichen
BLw 32/93
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1993, 19596
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Weißenfels - 24.02.1993

Fundstellen

  • MDR 1994, 630-631 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJ 1994, 143 (amtl. Leitsatz)
  • WM 1994, 311-313 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Auskunft zur Vorbereitung eines Abfindungsanspruchs

Sonstige Beteiligte

1. Ruth G. Haus Nr. ..., K.

2. Agrargenossenschaft L./B./L. e.G.,
gesetzlich vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Dr. K., Postfach ..., L.

Amtlicher Leitsatz

Zu Voraussetzung und Umfang eines Auskunftsanspruchs, der der Vorbereitung eines Abfindungsanspruchs dient.

Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen,
hat am 24. November 1993
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Hagen und
die Richter Dr. Vogt und Dr. Wenzel sowie
die ehrenamtlichen Richter Frhr. v. Ketteler und Jostock-Welter
beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird das Urteil des Amtsgerichts Weißenfels, Landwirtschaftsgericht, vom 24. Februar 1993 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landwirtschaftsgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin und ihr verstorbener Ehemann waren seit 1972 Mitglied einer LPG, der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin. Sie brachten als Inventarbeitrag und Fondsausgleich 31.578,75 DM ein. Die Antragsgegnerin ist durch Umwandlungsbeschluß vom 13. Dezember 1991 entstanden und seit 23. Juli 1992 im Genossenschaftsregister eingetragen.

2

Mit Schreiben vom 3. September 1990 kündigte die Antragstellerin ihre Mitgliedschaft in der LPG. Sie hat nach entsprechendem vorprozessualen Schriftwechsel klageweise verlangt:

  1. 1.

    ihr Auskunft zu erteilen über Aktiva und Passiva der nächsten ordentlichen Bilanz gemäß § 44 Abs. 6 LwAnpG, die ihrem Ausscheiden zum 3. September 1990 gefolgt ist,

  2. 2.

    ihr die Summe aller Pfichtinventarbeiträge und die Summe aller Fondsausgleichbeträge gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 LwAnpG bekanntzugeben und ihr ihren relativen Anteil an der Summe der Pflichtinventarbeiträge bzw. der Fondsausgleichsbeträge mitzuteilen.

3

Das Landwirtschaftsgericht hat die "Klage" abgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihre Anträge weiterverfolgt.

4

II.

Das Landwirtschaftsgericht hält die Zivilprozeßordnung für anwendbar und verneint einen Auskunftsanspruch der Klägerin. Zwar hätten ausgeschiedene Mitglieder grundsätzlich ein Recht auf Auskunft, um die Angemessenheit eines Barabfindungsangebots zu prüfen oder ihren Abfindungsanspruch zu berechnen. Dazu seien in jedem Fall die Umwandlungsbilanz oder die Jahresbilanz wichtig. Die Klägerin wolle sich offenbar nicht mit der angebotenen Barabfindung zufrieden geben. Wenn ihr Auskunftsanspruch hierzu die Vorstufe sei, so sei der Klägerin aber schon Auskunft dadurch erteilt worden, daß die Jahresbilanz ausgelegen habe und die Beklagte zudem angeboten habe, diese Bilanz könne nach Terminabsprache eingesehen werden. Auch zur Vorbereitung eines Abfindungsanspruchs nach § 44 Abs. 1 LwAnpG habe die "Klägerin" kein Recht darauf, daß außer der unstreitig erstellten Jahresbilanz eine zusätzliche Bilanz hergestellt werde. Dafür, daß die vorliegende Jahresbilanz unrichtig erstellt worden sei, gebe es keinen Anhaltspunkt.

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III.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Es handelt sich um eine Rechtsstreitigkeit nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz, denn die geltend gemachten Auskunftsansprüche dienen der Vorbereitung eines Abfindungsanspruchs nach § 44 Abs. 1 LwAnpG. Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nur unter den Voraussetzungen der §§ 24 bis 29 LwVG zulässig (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 4. Dezember 1992, BLw 19/92, AgrarR 1993, 87). Die Antragstellerin hat aber dargelegt, daß das Landwirtschaftsgericht schon verfahrensrechtlich von der ständigen Rechtsprechung des Senats abweicht (§ 24 Abs. 2 Nr. 1 LwVG), weil es die Zivilprozeßordnung für anwendbar hält, der Senat jedoch schon mehrfach entschieden hat (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 4. Dezember 1992, a.a.O.), daß dies nicht zutrifft, vielmehr Streitigkeiten nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz nach § 9 LwVG und den Vorschriften des Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit zu behandeln sind, mit der Folge, daß die eingereichte Klage in einen Antrag nach § 14 Abs. 1 LwVG hätte umgedeutet werden müssen und der Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln war (§ 12 FGG). Darauf beruht auch die angefochtene Entscheidung, wie im folgenden dargelegt wird.

6

IV.

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

7

Der Antragstellerin steht als ausgeschiedenem Mitglied ein Abfindungsanspruch in Höhe des Wertes der geleisteten Inventarbeiträge und gleichstehender Leistungen (z.B. Fondsausgleichsbeträge) zu (erste Stufe § 44 Abs. 1 Nr. 1 LwAnpG), der allerdings entsprechend zu kürzen ist, falls der Wert aller eingebrachten Inventarbeiträge den Wert des Eigenkapitals übersteigt (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 LwAnpG). Der Wert des Eigenkapitals im Sinne des § 44 Abs. 1 LwAnpG ist aufgrund der Bilanz zu ermitteln, die nach der Beendigung der Mitgliedschaft als ordentliche Bilanz aufzustellen ist (§ 44 Abs. 6 LwAnpG). Die Mitgliedschaft der Antragstellerin endete einen Monat nach Eingang ihrer Kündigung vom 3. September 1990 (§ 43 Abs. 2 Satz 2 LwAnpG). Die geltend gemachten Auskunftsansprüche dienen der Vorbereitung eines Abfindungsanspruchs, nicht aber der Kontrolle eines Barabfindungsangebots (§§ 36, 37 LwAnpG). Dies folgt schon daraus, daß die Antragstellerin vor dem Umwandlungsbeschluß vom 13. Dezember 1991 aus der LPG ausgeschieden ist. Unerheblich für den Auskunftsanspruch ist auch, ob und in welchem Umfang die Antragstellerin Ansprüche ihres versterbenen Ehemanns (als Erbin?) geltend machen kann, der mit seinem Tod aus der LPG ausgeschieden ist (Senatsbeschl. v. 4. Dezember 1992, BLw 37/92, AgrarR 1993, 218), weil sie jedenfalls schon zur Berechnung ihrer eigenen Ansprüche die begehrte Auskunft verlangen kann (Senatsbeschl. v. 24. November 1993, BLw 57/92, zur Veröffentlichung bestimmt).

8

Das Landwirtschaftsgericht meint offenbar, die geltend gemachten Auskunftsansprüche seien erfüllt, stellt insoweit aber nur auf eine angebliche Jahresbilanz ab und verneint einen Anspruch der Antragstellerin auf eine "gesonderte" Bilanzerstellung. Es fehlt damit schon jede Begründung für die Ablehnung des Antrags unter Nr. 2, mit der die Bekanntgabe aller Inventarbeiträge und gleichstehender Leistungen (in diesem Sinne versteht der Senat den Antrag) verlangt wird, um beurteilen zu können, ob ein Anspruch nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 LwAnpG in voller Höhe oder nur in gekürzter Form erhoben werden kann. Das Landwirtschaftsgericht hat nämlich nicht einmal festgestellt (§ 12 FGG), ob die von ihm erwähnte Jahresbilanz die insoweit notwendigen Angaben überhaupt enthält.

9

Auch hinsichtlich des Antrags Nr. 1 wird die angefochtene Entscheidung dem Begehren der Antragstellerin nicht gerecht. Wie ausgeführt, kommt es auf die "nächste ordentliche Bilanz" an, die nach dem Ausscheiden der Antragstellerin (vermutlich Anfang Oktober 1990) aufzustellen ist. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil hierzu sind unklar. Das Landwirtschaftsgericht hat auch seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 12 FGG) verletzt, weil es sich nicht die nötige Aufklärung zur Bilanzierung der Antragsgegnerin verschafft hat. Es führt einerseits aus, wichtig sei die Umwandlungsbilanz oder die Jahresbilanz und stellt im folgenden auf die Jahresbilanz ab, die ausgelegen habe oder in die die Antragstellerin habe Einsicht nehmen können. Da es insoweit auf den Vortrag der Antragsgegnerin abhebt, muß vermutet werden, daß sowohl die Antragsgegnerin wie das Landwirtschaftsgericht die anläßlich der Umwandlung erstellte Bilanz meinen. So wird im Schreiben der Antragsgegnerin vom 5. März 1992 auf die "Individualisierungsbilanz" verwiesen, die im Zusammenhang mit der Umwandlung ausgelegen habe. Im Schreiben vom 14. Mai 1992 verweist die Antragsgegnerin erneut darauf, daß Grundlage des "Inventaranspruchs" die Umwandlungsbilanz sei. Im Formularschreiben der Antragsgegnerin vom 23. Juli 1992 wird der Antragstellerin schließlich eine Barabfindung anläßlich der Umwandlung angeboten. Ungeklärt ist damit, ob die Antragsgegnerin nicht verpflichtet gewesen wäre, eine Jahresabschlußbilanz zum 31. Dezember 1990 aufzustellen (vgl. § 242 HGB im Vereinigungsgebiet in Kraft seit 1. Juli 1990 vgl. § 16 InkrG). Insoweit ist entscheidend, ob das Geschäftsjahr der Antragsgegnerin mit dem Kalenderjahr identisch ist, oder davon abweicht. Dies alles hätte das Landwirtschaftsgericht von Amts wegen ermitteln müssen.

10

Davon abgesehen, kann die Antragsgegnerin zur Erfüllung ihrer Auskunftspflicht die Antragstellerin nicht auf eine ausliegende Bilanz oder auf eine mögliche Einsichtnahme verweisen, vielmehr hat sie eine entsprechende Abschrift der Bilanz zur Verfügung zu stellen. Nur so werden die Beteiligten in den Stand gesetzt, ggf. unter Hinzuziehung sachverständiger Personen prüfen zu können, ob und in welcher Höhe ihnen ein Abfindungsanspruch zusteht und ob sie unter Umständen weitere Auskünfte benötigen (vgl. Senatsbeschl. v. 24. November 1993, BLw 57/92, zur Veröffentlichung bestimmt).

11

Ein abschließende Sachentscheidung ist dem Senat nicht möglich. Auf der Grundlage vorstehender Ausführungen muß erst geklärt werden, auf welche Bilanz abzustellen ist und ob daneben eine weitere Auskunft im Sinne des Antrags Nr. 2 erforderlich ist.

12

Bei der anderweiten mündlichen Verhandlung in öffentlicher Sitzung wird das Landwirtschaftsgericht zu berücksichtigen haben, daß die Antragsgegnerin die Zahlung der Barabfindungsbeträge wegen Nichtannahme des Angebots ablehnt und die Antragsteller deswegen die Titulierung ihrer Ansprüche in voller Höhe unter gleichzeitiger Bewilligung der von ihnen eingeräumten Jahresraten verlangen können. Dem werden die - in ihrem Zusammenhang nicht ganz klaren - Aussprüche zu 1 und 2 nicht in vollem Umfang gerecht.

Hagen
Vogt
Wenzel