Bundesgerichtshof
Urt. v. 21.04.1993, Az.: BLw 55/92
Landwirtschaft; Auszahlung; Pflichtinventarbeitrag; Mitgliederversammlung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 21.04.1993
- Aktenzeichen
- BLw 55/92
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1993, 15242
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 44 Abs. 1 LAnpG
Fundstellen
- LM H. 11 / 1993 § 44 LwAnpG Nr. 8
- MDR 1994, 1256 (amtl. Leitsatz)
- NJ 1993, 575 (amtl. Leitsatz)
- WM 1993, 1309-1310 (Volltext mit amtl. LS)
- ZIP 1993, 870-871 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Die freiwillige Auszahlung von Pflichtinventarbeiträgen war nach dem 16.3.1990 zulässig. Sie bedurfte jedoch eines wirksamen Beschlusses der Mitgliederversammlung.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 1 war Mitglied der Beteiligten zu 2. Deren Vorstand beschloß am 6. Juli 1990, allen über 75 Jahre alten Mitgliedern den Pflichtinventarbeitrag auszuzahlen. Mit Schreiben vom 10. September 1990 kündigte der Beteiligte zu 1 seine Mitgliedschaft. Mit Schreiben vom 10. Oktober 1990 bestätigte die Beteiligte zu 2 die Kündigung, bezifferte den Inventarbeitrag auf 9394,40 DM sowie die Bodenanteile auf 2200 DM. Der Bitte um die Mitteilung eines Kontos zur Auszahlung des Gesamtanspruchs von 11594,40 DM kam der Beteiligte zu 1 nach. Eine Zahlung ist nicht erfolgt. Die Beteiligte zu 2 ist der Ansicht, der Vorstandsbeschluß über die Auszahlung des Inventarbeitrags an die über 75 Jahre alten Genossenschaftsbauern sei unwirksam. Ein gesetzlicher Abfindungsanspruch bestehe nicht, weil sie überschuldet sei.
Das Landwirtschaftsgericht hat die Beteiligte zu 2 - bis auf den Zinszeitpunkt - antragsgemäß zur Zahlung von 11594,40 DM nebst Zinsen verurteilt. Hiergegen richtet sich die - zugelassene - Rechtsbeschwerde.
II. Das Landwirtschaftsgericht meint, die Beteiligte zu 2 sei aufgrund des Vorstandsbeschlusses vom 6. Juli 1990 zur Zahlung verpflichtet. Der Beschluß sei wirksam.
Dies hält der rechtlichen Prüfung nicht stand. Die angefochtene Entscheidung ist schon deswegen fehlerhaft, weil der Vorstandsbeschluß sich ausweislich der getroffenen Feststellungen nur mit den gezahlten Pflichtinventarbeiträgen befaßt und schon aus diesem Grund keine Rechtsgrundlage für die verlangten Bodenanteile von 2200 DM darstellen kann.
Aber auch hinsichtlich der Pflichtinventarbeiträge in Höhe von 9394,40 DM hat der Vorstandsbeschluß keine Zahlungsverpflichtung begründet. Der Beschluß befaßt sich nur mit der Auszahlung der Pflichtinventarbeiträge an die über 75 Jahre alten Mitglieder und nicht mit der Abfindung ausscheidender oder ausgeschiedener Genossenschaftsbauern, die der Beteiligte zu 1 hier geltend macht. Er legt im übrigen einen Rückzahlungstermin nicht fest, sondern macht die Auszahlung von der wirtschaftlichen Lage der LPG abhängig. Schließlich scheidet er als Anspruchsgrund für den Beteiligten zu 1 auch deswegen aus, weil er keine Wirksamkeit erlangt hat.
Die freiwillige Auszahlung von Pflichtinventarbeiträgen, die früher als Bestandteil der unteilbaren Produktionsgrundmittel- und Produktionsumlaufmittelfonds (§ 14 Abs. 4 LPG-Gesetz) zum unverteilbaren genossenschaftlichen Eigentum gehörten (LPG-Recht, Lehrbuch, 1976, S. 199), war nach der durch das am 16. März 1990 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des LPG-Gesetzes vom 6. März 1990 (GBl I S. 133) erfolgten Streichung des § 25 Abs. 3 Satz 2 LPG-Gesetz im Zeitpunkt der Beschlußfassung durch den Vorstand der Beteiligten zu 2 zwar gesetzlich zulässig, bedurfte aber einer wirksamen Beschlußfassung durch die Mitgliederversammlung. Der Vorstand war hierfür nicht zuständig, weil es sich um eine Angelegenheit handelte, welche in den ausschließlichen Aufgabenkreis der Vollversammlung fiel. Nach Ziff. 61 Abs. 2 Buchst. f des Musterstatuts der LPG/Pflanzenproduktion vom 28. Juli 1977 (GBl 1977 Sonderdruck Nr. 937) war die Vollversammlung ausschließlich zuständig für die Entscheidung über die Verwendung der Fonds der Genossenschaft. Zu diesen Fonds gehörten auch die Pflichtinventarbeiträge. Hieran hat die Aufhebung der Unverteilbarkeit der Fonds durch das Gesetz vom 6. März 1990 nichts geändert. Folglich konnte nur die Mitgliederversammlung die Auszahlung beschließen. Da es sich um eine ausschließliche Zuständigkeit handelte, war der hiergegen verstoßende Beschluß des Vorstandes von vornherein unwirksam.
Ein Zahlungsanspruch kann auch nicht auf das Schreiben der Beteiligten zu 2 vom 10. Oktober 1990 gestützt werden. Selbst wenn hierin ein Anerkenntnis zu sehen wäre, hätte es die Beteiligte zu 2 nicht verpflichtet. Da der Gegenstand den Wert von 1000 DM übersteigt, konnte der Vorsitzende die Beteiligte zu 2 insoweit nicht allein vertreten (§ 43 Abs. 1 LPG-Gesetz). Für das Vorliegen eines Vertretungsrechts nach § 43 Abs. 2 LPG-Gesetz liegen keine Anhaltspunkte vor. Der Vorsitzende kann auch nicht als durch den - unwirksamen - Beschluß des Vorstandes vom 6. Juli 1990 insoweit als bevollmächtigt angesehen werden, als das Schreiben vom 10. Oktober 1990 die Auszahlung der Pflichtinventarbeiträge aus Anlaß des Ausscheidens des Beteiligten zu 1 betrifft. Denn der Beschluß behandelt, wie bereits ausgeführt, einen anderen Anspruch. Schließlich kann aus dem von dem Hauptbuchhalter der Beteiligten zu 2 unterzeichneten Schreiben vom 12. November 1990 ebenfalls kein Verpflichtungstatbestand hergeleitet werden.
In Betracht kommt nach alledem allenfalls ein gesetzlicher Abfindungsanspruch nach §§ 51 a Abs. 1, 44 LwAnpG n.F. Da das Landwirtschaftsgericht hierzu jedoch keine Feststellungen getroffen hat, ist die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.