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Bundesgerichtshof
Urt. v. 01.02.1993, Az.: II ZR 260/91

Gutgläubiger Erwerb; Baumaschine; Betriebserlaubnis; Original-Betriebserlaubnis

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
01.02.1993
Aktenzeichen
II ZR 260/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1993, 14787
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BB 1993, 751-752 (Volltext mit amtl. LS)
  • BauR 1993, 354-355 (Volltext mit amtl. LS)
  • DB 1993, 1415 (Volltext mit amtl. LS)
  • IBR 1993, 227 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • JuS 1993, 868 (Volltext mit amtl. LS)
  • LM H. 9 / 1993 § 932 BGB Nr. 42
  • MDR 1993, 919-920 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1993, 1649-1650 (Volltext mit amtl. LS)
  • WM 1993, 1203-1205 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZBB 1993, 118
  • ZfBR 1993, 170-171 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZfBR 1993, 97 (amtl. Leitsatz)

Amtlicher Leitsatz

Übergibt der Verkäufer einer betriebserlaubnispflichtigen Baumaschine dem Käufer lediglich eine Ablichtung der Betriebserlaubnis, so muß sich der Käufer, um gutgläubig Eigentum erwerben zu können, jedenfalls bei Hinzutreten weiterer verdächtiger Umstände nach dem Verbleib des Originals erkundigen und die Angaben des Verkäufers nachprüfen.

Tatbestand:

1

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Herausgabe des Radladers.

2

Diesen Radlader hat die Beklagte, die sich mit der Vermietung von Baumaschinen befaßt, Ende August 1989 von der Herstellerfirma zum Preise von 108. 300, -- DM (einschl. Mehrwertsteuer) erworben. Am 7. Dezember 1989 vermietete sie diesen Radlader an den damals im offenen Strafvollzug befindlichen R. F.. Dieser hatte die Maschine bereits am 6. Dezember 1989 für 18.490, 80 DM (einschl. Mehrwertsteuer) an N. B. verkauft. Am 8. Dezember 1989 kaufte die Klägerin von B. den Radlader zum Preise von 66. 120, -- DM einschl. Mehrwertsteuer. In der Rechnung vom selben Tage versicherte B. als Verkäufer, daß die verkaufte Baumaschine sein Eigentum sei und Rechte Dritter nicht beständen. Bei der Übergabe des Radladers stellte er der Klägerin eine Ablichtung der Betriebserlaubnis zur Verfügung.

3

Am 11. August 1990 entfernte die Beklagte den Radlader eigenmächtig von einer Baustelle der Klägerin und verbrachte ihn in ihren Besitz. Die Parteien verständigten sich in der Folgezeit darauf, daß der Radlader bis zum rechtskräftigen Abschluß des vorliegenden Verfahrens auf dem Betriebsgelände der Beklagten untergestellt werden kann.

4

Die Klägerin hat von der Beklagten unter Berufung darauf, daß ihr von der Unterschlagung durch F. nichts bekannt gewesen sei und sie folglich kraft guten Glaubens das Eigentum erworben habe, die Herausgabe des Radladers verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

6

I. Das Berufungsgericht hat es als nicht widerlegt angesehen, daß die Klägerin beim Kauf des Radladers von B. hinsichtlich dessen Eigentums im guten Glauben war. Die Beklagte habe keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen, aus denen sich die grob fahrlässige Unkenntnis vom fehlenden Eigentum des B. ergebe.

7

II. Die Revision rügt, das Berufungsgericht sei zu seiner Entscheidung auf verfahrensfehlerhafte Weise gelangt. Es habe Beweisantritte der Beklagten übergangen und deren Vorbringen nicht ausgeschöpft (§ 286 Abs. 1 ZPO). Diese Rüge ist begründet.

8

1. Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz vorgetragen, die Behauptung der Klägerin, sie habe sich bei B. nach dem Verbleib des Originals der Betriebserlaubnis erkundigt und dieser habe versprochen, es nachzureichen, sei frei erfunden. Die Klägerin habe gewußt, daß B. das Original der Betriebserlaubnis gar nicht habe erbringen können. Sie habe auch nach dem Original gar nicht gefragt. Die Beklagte hat hierfür Beweis angetreten durch Benennung des Zeugen B..

9

Das Berufungsgericht hat den Zeugen zwar geladen, aber trotz Erscheinens im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht vernommen. Im angefochtenen Urteil hat es hierzu ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob B. zugesichert hat, die Original-Betriebserlaubnis umgehend nachzureichen. Für die Klägerin habe nämlich keine Veranlassung bestanden, nach der Original-Betriebserlaubnis zu fragen und die Angaben des Verkäufers B. zu überprüfen, weil deren Existenz und Inhalt schon aus der zur Verfügung gestellten Ablichtung ersichtlich gewesen seien.

10

Das Berufungsgericht hat hierbei die Bedeutung des Vorbringens der Beklagten verkannt und seine Entscheidungserheblichkeit zu Unrecht verneint.

11

Die Betriebserlaubnis nach § 18 Abs. 3, § 21 StVZO - wie sie für den umstrittenen Radlader erteilt worden war - hat zwar für den Gutglaubensschutz eines Erwerbers nicht dieselbe, grundlegende Bedeutung wie der Kraftfahrzeugbrief bei einem zulassungspflichtigen Kraftfahrzeug (vgl. hierzu BGHZ 68, 323, 325; Sen.Urt. v. 11. März 1991 - II ZR 88/90, NJW 1991, 1415, 1416, jew. m.w.N. ). Anders als im Kraftfahrzeugbrief (vgl. § 25 Abs. 1 Satz 1 StVZO) ist in der Betriebserlaubnis der Name des Fahrzeughalters nicht angegeben. Sie ist rein fahrzeugbezogen. Aus ihrem Inhalt - den das Berufungsgericht durch die Kopie als nachgewiesen angesehen hat - läßt sich daher kein Rückschluß auf die Eigentümerstellung ziehen. Gleichwohl kann es den Vorwurf grober Fahrlässigkeit im Sinne von § 932 Abs. 2 BGB begründen, wenn der Käufer sich bei Nichtvorlage der Original-Betriebserlaubnis durch den Verkäufer nicht nach deren Verbleib erkundigt und die Angaben des Verkäufers gegebenenfalls nachprüft (vgl. OLG Braunschweig, WM 1977, 1212, 1.S.); dies gilt insbesondere bei Hinzutreten weiterer verdächtiger Umstände (etwa ungewöhnlich niedriger Preis, Auffälligkeiten bei den persönlichen oder geschäftlichen Verhältnissen des Verkäufers oder bei den Umständen des Vertragsabschlusses). Das Berufungsgericht hätte daher, da die Beklagte auch derartige besondere Umstände vorgetragen und unter Beweis gestellt hat, den vorgenannten Beweisantritt nicht unbeachtet lassen dürfen. Die von ihm hierfür gegebene Begründung, Existenz und Inhalt der Betriebserlaubnis seien schon aus der zur Verfügung gestellten Ablichtung ersichtlich gewesen, trägt die Nichterhebung des Beweises nicht. Existenz und Inhalt der Betriebserlaubnis besitzen, wie bereits angeführt, in bezug auf die Eigentümerstellung ohnehin keine Aussagekraft. Entscheidend für die Frage des guten Glaubens eines Erwerbers ist vielmehr nur, daß es jedenfalls Argwohn wecken und zu weiterer Abklärung Anlaß geben muß, wenn der Veräußerer einer betriebserlaubnispflichtigen Arbeitsmaschine nicht in der Lage ist, die Betriebserlaubnis im Original vorzulegen.

12

2. Die Revision hat mit der Rüge einer Verletzung des § 286 Abs. 1 ZPO auch insoweit Erfolg, als das Berufungsgericht das Unterlassen der Vernehmung des von der Beklagten benannten Zeugen B. auch darauf gestützt hat, daß der Beweisantritt auf eine unzulässige Ausforschung gerichtet gewesen sei. Hierbei hat das Berufungsgericht nicht genügend beachtet, daß der Beweis einer "inneren Tatsache", wie er hier der - für die Bösgläubigkeit der Klägerin beweispflichtigen - Beklagten obliegt, oftmals nur mittelbar geführt werden kann. In solchen Fällen einer erschwerten Beweisführung kann eine Partei sogar genötigt sein, eine von ihr nur vermutete Tatsache zu behaupten und unter Beweis zu stellen (BGH, Urt. v. 19. September 1985 - IX ZR 138/84, NJW 1986, 246, 247; v. 14. Januar 1988 - III ZR 4/87, WM 1988, 1478, 1479; v. 13. Juli 1988 - IV a ZR 67/87, NJW-RR 1988, 1529). Zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis wird eine solche Beweisführung erst bei offensichtlicher Willkür oder Rechtsmißbrauch (vgl. BGH, Urt. v. 23. Oktober 1986 - VII ZR 195/85, WM 1987, 110; v. 14. Januar 1988 - III ZR 4/87, aaO.), insbesondere wenn der Beweisführer ohne jede tatsächliche Grundlage "aus der Luft gegriffene" Behauptungen aufstellt, um sich mittels der Beweiserhebung bestimmte Erkenntnisse erst zu verschaffen (BGH, Urt. v. 19. September 1985 - IX ZR 138/84, aaO.; Prütting in: Münch.Komm. ZPO, 1992, § 284 Rdn. 73). Für einen solchen Rechtsmißbrauch ist vorliegend nichts ersichtlich.

13

III. Die von der Beklagten beantragte Vernehmung des Zeugen B. hätte somit nicht unterbleiben dürfen. Dieser Verfahrensmangel nötigt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, da es auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (§ 549 Abs. 1, § 564 Abs. 1 ZPO). Dem Berufungsgericht ist durch Zurückverweisung der Sache (§ 565 Abs. 1 ZPO) Gelegenheit zu geben, die unterlassene Beweiserhebung nachzuholen, erforderlichenfalls weitere Beweise - auch zu den sonstigen von der Beklagten behaupteten Auffälligkeiten - sowie den von der Klägerin angetretenen Gegenbeweis zu erheben und sich unter Gesamtwürdigung der vorgetragenen und festgestellten Umstände die Überzeugung vom Fehlen oder Vorhandensein des guten Glaubens der Klägerin zu bilden.