Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Urt. v. 26.11.1992, Az.: I ZR 108/91
„Neu nach Umbau“

Filialgeschäft; Wiedereröffnung; Rechtsschein; herabgesetzte Preise

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
26.11.1992
Aktenzeichen
I ZR 108/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1992, 14833
Entscheidungsname
Neu nach Umbau
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • GRUR 1993, 563-564 (Volltext mit amtl. LS) "Neu nach Umbau"
  • LM H. 11 / 1993 § 3 UWG Nr. 344
  • MDR 1993, 859 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1993, 870 (Volltext mit amtl. LS) "Neu nach Umbau"
  • WRP 1993, 390-392 (Volltext mit amtl. LS) "Neu nach Umbau"

Amtlicher Leitsatz

Die Werbung Neu nach Umbau aus Anlaß der Wiedereröffnung eines Filalgeschäfts (hier für Brillen) führt den Verkehr für sich allein nicht ohne weiteres zu der Annahme, daß das werbende Unternehmen ein neues Sortiment und/oder herabgesetzte Preise (gegenüber denjenigen vor dem Umbau) anzubieten hat.

Tatbestand:

1

Die Beklagte, die in der gesamten Bundesrepublik Augenoptikgeschäfte unter der Bezeichnung "A. -Optik" betreibt, warb am 28. Juni 1989 in der H. A. - Zeitung mit dem Hinweis "Neu nach Umbau" aus Anlaß der Wiedereröffnung ihres Filialgeschäftes in H. für sechs verschiedene auch früher bereits angebotene Brillen ihres Sortiments zu Preisen, die bereits früher galten und auch in anderen Filialen der Beklagten gelten.

2

Die Klägerin, die Komplementär-Gesellschafterin in über 200 offenen Handelsgesellschaften, den F. -Niederlassungen, ist und als deren Unternehmensgegenstand u.a."die Herstellung und der Vertrieb von Sehhilfen aller Art, optischen Geräten und Zubehör" im Handelsregister eingetragen ist, hält die Werbung der Beklagten für irreführend und hat letztere auf Unterlassung in Anspruch genommen. Sie hat geltend gemacht, mit der Anzeige erwecke die Beklagte bei dem Verbraucher die Vorstellung, es handele sich um "neue" Preise, welche anläßlich der Wiedereröffnung nach Umbau gelten sollten, und als besonders günstig herausgestellt würden. Die Klägerin hat beantragt,

3

die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen,

4

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken bei Wiedereröffnung von Filialen unter dem blickfangartigen Werbeslogan "Neu nach Umbau" Angebote zu bewerben, die preislich nicht günstiger sind als die an gleicher Stelle vor dem Umbau und/oder in anderen Filialen beworbenen Angebote;

5

hilfsweise,

6

es zu unterlassen, so zu werben, wie in der in der Anlage K 1 wiedergegebenen Anzeige in der H. - A. Zeitung vom 28. Juni 1989. Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, die Klägerin sei rein verwaltend tätig und betreibe selbst keine Umsatzgeschäfte, so daß kein Wettbewerbsverhältnis gegeben sei. Eine Irreführung der Verbraucher sei nicht erfolgt, die Angabe "Neu nach Umbau" enthalte keine Aussage über den Preis. Im übrigen hat sie die Einrede der Verjährung erhoben.

7

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte nach dem Hauptantrag verurteilt. Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision hat Erfolg.

9

I. Das Berufungsgericht ist von der Klagebefugnis der Klägerin ausgegangen. Es hat eine Irreführung bejaht, weil ein nicht völlig unbeachtlicher Teil der als potentielle Kunden angesprochenen Brillenträger und -interessenten in ungezwungener Auffassung den Inhalt der angegriffenen Anzeige dahin verstehen werde, daß sowohl das Sortiment als auch die Preise der beworbenen Brillen nach dem Umbau des Ladenlokals neu seien, was den Tatsachen nicht entspreche. Im Geschäftsleben sei es allgemein üblich, nach Umbau, Renovierung oder Erweiterung von Geschäftsräumen mit besonders günstigen Angeboten zu werben; im Optikgeschäftsbereich könne nichts anderes festgestellt werden. Die Erwartung günstiger Preise nach erfolgtem Umbau bestimme erkennbar das Verständnis des umworbenen Kunden, der die beanstandete Anzeige lese.

10

Das Berufungsgericht hat die Verjährungseinrede für durchgreifend erachtet, aber aus dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr die Beklagte zur Unterlassung verurteilt. Es hat insoweit angenommen, daß sich die Beklagte durch ihr Prozeßverhalten, das sich nicht lediglich auf die Rechtsverteidigung beschränkt habe, des Rechts zu ihrer Vorgehensweise berühmt habe.

11

II. 1. Ohne Erfolg wendet sich allerdings die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Parteien stünden in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG). Die Klagebefugnis der Klägerin folgt daraus, daß sie Franchisegeberin der F. -Niederlassungen ist und nach ihrem unwidersprochenen Vortrag die "F. -Leistungen", also das Sortiment der rechtlich selbständigen F. - -Niederlassungen vorhält. Daß die Klägerin damit einer anderen Wirtschaftsstufe angehört als die Beklagte (Hersteller bzw. Großhandel gegenüber Einzelhandel), steht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses nicht entgegen (BGHZ 37, 30, 33 ff. - Selbstbedienungsgroßhandel; BGH, Urt. v. 14.4. 1965 - Ib ZR 72/63, GRUR 1965, 612, 615 = WRP 1965, 253 - Warnschild, insoweit nicht in BGHZ 45, 359 [BGH 04.05.1966 - IV ZR 40/65]; Urt. v. 16. 3. 1989 - I ZR 56/87, GRUR 1989, 673 = WRP 1989, 568 - Zahnpasta).

12

2. Nicht beigetreten werden kann dagegen dem Berufungsgericht in seiner Ansicht, daß die angegriffene Anzeige zur Irreführung geeignet sei.

13

a) Soweit das Berufungsgericht ausgeführt hat, ein nicht völlig unbeachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise werde die Werbung in dem Sinne verstehen, daß das Sortiment der Beklagten neu sei, fehlt es für eine dahingehende Verkehrsauffassung an ausreichenden Anhaltspunkten. Ein derartiges Verständnis der Anzeige liegt schon deshalb fern, weil es nicht üblich ist, daß ein Kaufmann nach dem Umbau seines Ladenlokals ein neues Warensortiment anbietet. Hierfür spricht um so weniger, als es sich im Streitfall um die Werbung für einen Filialbetrieb handelt und nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, daß aus Anlaß des Umbaus dieses einen Ladenlokals die Beklagte - sei es nur für diese Filiale, sei es für alle ihre Filialen - ein neues Sortiment eingeführt hat. Auch aus der konkreten Anzeige lassen sich Anhaltspunkte für die Annahme des Berufungsgerichts, es werde ein neues Sortiment beworben, nicht entnehmen. Die Anzeige enthält keine dahingehenden ausdrücklichen Hinweise, denn das durch Druckgröße und Anordnung herausgestellte Wort "Neu" bezieht sich nach dem Aufbau der Anzeige auf die weiteren, wenn auch bei verminderter Druckgröße, ebenso herausgestellten Worte "nach Umbau". Solche Hinweise lassen sich auch der Gesamtgestaltung der Anzeige nicht entnehmen. Es sind drei Sonnenbrillen, eine Zwei-Stärken-Brille, eine Lesebrille und eine Zweitbrille angeboten, denen besondere Gemeinsamkeiten im Sinne eines einheitlichen neuen Sortiments nicht zugeschrieben werden, solche sind im übrigen auch nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Verkehr auch keinen Anlaß, die angebotenen Brillen im Sinne einander zugeordneter Modelle einer (neuen) Moderichtung oder unter sonstigen, z.B. ästhetischen Gesichtspunkten als (neues) Sortiment anzusehen.

14

b) Aber auch soweit das Berufungsgericht angenommen hat, die Beklagte habe tatsachenwidrig mit neuen Preisen geworben, kann dem nicht beigetreten werden. Nach dem Aufbau der in Rede stehenden Anzeige bezieht der angesprochene Verkehr das - wie bereits oben zu a) ausgeführt - durch Druckgröße und Anordnung besonders herausgestellte Wort "Neu" auf die weiteren, ebenfalls herausgestellten Worte "nach Umbau". Dieses Verständnis wird noch durch die dem Wort "Neu" durch teilweise Überschneidung sichtlich zugeordnete Angabe "Ab Freitag 30. 6. G. Straße 22" gefördert, wobei die Ortsangabe durch die mit einem Sternchen markierte Fußnote "Alles neu nach Umbau: G. Straße 22, H. mit Kontaktlinsen-Studio" aufgenommen und weitergehend im Sinne des Zusammenhangs mit dem Umbau erläutert wird. Daß zwischen dem Wort "Neu" und der weiteren Angabe "nach Umbau" die bildliche Darstellung einer bebrillten Frau mit einem Kaninchen angeordnet ist, ändert hieran nichts, weil die bildliche Darstellung keinen Bezug zu den in Rede stehenden Angaben aufweist und deshalb auch kein anderes Verständnis der Worte nahegelegt wird.

15

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Angabe "Neu" werde vom Verkehr nicht nur auf die Worte "nach Umbau", sondern als für sich stehende Überschrift auch auf die jeweiligen Preise der beworbenen Brillen bezogen, muß auf dieser Grundlage als erfahrungswidrig erachtet werden. Gegen die Annahme des Berufungsgerichts spricht auch, daß in der Anzeige nicht klar und deutlich mit (preislich besonders günstigen) Eröffnungsangeboten geworben wird. Nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, daß ein Kaufmann, sofern er mit herabgesetzten Preisen werben will, dies für den Verkehr unzweifelhaft deutlich macht. Demgemäß erwartet der Verkehr in derartigen Fällen eine entsprechende ohne weiteres verständliche Angabe und wird versteckte Hinweise, deren Verständnis in dem in Rede stehenden Sinne sich nicht ohne weiteres sicher erschließt, nicht als eine solche Werbung mit herabgesetzten Preisen ansehen. Diese Annahme ist im Streitfall um so mehr gerechtfertigt, als der Verkehr unter neuen Preisen nicht ohne weiteres herabgesetzte Preise versteht, weil der Begriff "neue Preise" erfahrungsgemäß auch für gegenüber zuvor geforderten Preisen heraufgesetzte Preise verwendet wird, um eine infolge der Heraufsetzung der Preise verursachte negative Wirkung auf die Verbraucher durch ein positiv wirkendes Wort, wie das Adjektiv neu, zu überdecken. Da sich aus der in Rede stehenden Anzeige selbst auch sonst keine Umstände entnehmen lassen, die eine hiervon abweichende Beurteilung im Sinne der Würdigung des Berufungsgerichts rechtfertigen, kann von einer Irreführung durch die angegriffene Anzeige nicht ausgegangen werden.

16

III. Demgemäß war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung gegen das landgerichtliche Urteil zurückzuweisen.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.