Bundesgerichtshof
Urt. v. 14.10.1992, Az.: VIII ZR 100/91
Kapitalgesellschaft; Volkseigene Betriebe; Handlungsgeschäft; Fälligkeit; Vertragsgericht; Schiedsspruch; Berufung ; Wirtschaftsvertrag; Rechtswirksamkeit; Vergütungsanspruch
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 14.10.1992
- Aktenzeichen
- VIII ZR 100/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1992, 14594
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- BGHWarn 1992, 645-652
- DB 1993, 581 (Volltext mit amtl. LS)
- DtZ 1993, 59
- LM H. 5 / 1993 § 37 DDR-VertragsG Nr. 1
- MDR 1993, 94-95 (Volltext mit amtl. LS)
- NJ 1992, 548-549 (Kurzinformation)
- NJ 1993, 95-96 (amtl. Leitsatz)
- WM 1992, 2151-2155 (Volltext mit amtl. LS)
- ZIP 1992, A121-A122 (Kurzinformation)
- ZIP 1992, 1793-1797 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
In Kapitalgesellschaften umgewandelte frühere Volkseigene Betriebe der DDR sind berechtigt, auch für vor dem 1.7.1990 begründete Forderungen aus beiderseitigen Handlungsgeschäften ab 1.7.1990 gem. § 352 HGB 5 % Fälligkeitszinsen zu verlangen, soweit ihnen kein anderweitiger höherer Zinsanspruch zusteht.
- 2.
Ein vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik gegen den Schiedsspruch eines Vertragsgerichts zulässigerweise eingelegter und noch nicht erledigter Einspruch ist nach dem Beitritt als Berufung im Verfahren der ZPO zu behandeln.
- 3.
Zur Rechtswirksamkeit und Durchsetzbarkeit eines Vergütungsanspruchs aus einem im März 1990 zwischen ehemaligen VEB geschlossenen Vertrages über die entgeltliche Übernahme von Kraftfahrzeugen aus dem Bestand des ehemaligen Amtes für Nationale Sicherheit.
Tatbestand
Die Parteien sind in Gesellschaften mit beschränkter Haftung umgewandelte ehemalige Wirtschaftseinheiten (Volkseigene Betriebe) der DDR.
Mit Vertrag vom 1. März 1990 "übernahm" der Rechtsvorgänger der Klägerin (i. f. nur noch: Klägerin) von dem ehemaligen Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) der DDR aus dessen Bestand 73 gebrauchte Kraftfahrzeuge zu einem Preis von 950.085 Mark der DDR. Noch am selben Tag schlossen die Rechtsvorgänger der Parteien über diese Kraftfahrzeuge einen Vertrag, in dem ein von der Rechtsvorgängerin der Beklagten (i. f. nur noch: Beklagte) zu zahlender Preis von 1.026.090 Mark der DDR (= 950.085 Mark der DDR zzgl. einer Handelsspanne von 76.005 Mark der DDR) vereinbart wurde. Die Beklagte war bereits seit Mitte Februar 1990 aufgrund einer Verfügung des Leiters der von der Regierung der DDR zur Auflösung des AfNS im Bezirk K.-M.-S. eingerichteten Arbeitsgruppe bei dem Rat des Bezirks vom 9. Februar 1990 im Besitz der Fahrzeuge. In dieser Verfügung ist weiter bestimmt worden, daß die Beklagte die Fahrzeuge der Klägerin zur Schätzung und Bezahlung vorzuführen hatte.
Mit Schreiben vom 26. Februar 1990 teilte die Beklagte dem Vorsitzenden des Rats des Bezirks K.-M.-S. mit, ihr sei eine Entscheidung der Regierung bekannt geworden, nach der alle übernommenen Fahrzeuge zu bezahlen seien; sie bitte aber um Prüfung, ob im vorliegenden Fall nicht eine kostenlose Übernahme in Betracht käme.
Am 16. März 1990 reichte die Beklagte der Klägerin die inzwischen erteilte Rechnung über 1.026.090 Mark der DDR mit dem Bemerken zurück, sie habe vom Rat des Bezirks erfahren, daß die Fahrzeuge nicht bezahlt werden müßten. Das wies die Klägerin mit Schreiben vom 28. März 1990 unter Hinweis auf eine Besprechung beim Rat des Bezirks im Februar 1990 zurück, anläßlich derer keine Festlegung dahin getroffen worden sei, daß die Abrechnung über Vermittlungsgebühren vorzunehmen sei. Sie bestehe daher auf Bezahlung der vereinbarten Vergütung.
Am 20. März 1990 teilte der Vorsitzende des Rats des Bezirks K.-M.-S. der Beklagten mit, nach umfassender Prüfung sei, entgegen der grundsätzlichen Festlegung, die Übernahme beweglicher Grundmittel des AfNS habe gegen Bezahlung zu erfolgen, ausnahmsweise entschieden worden, daß die Beklagte die Kraftfahrzeuge unentgeltlich erhalten könne. Vermittlungsgebühren müßten jedoch bezahlt werden. In der Folgezeit verweigerte die Beklagte unter Hinweis auf die vorgenannte Entscheidung vom 20. März 1990 die Zahlung.
Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte sei aufgrund des wirksam geschlossenen Vertrages vom 1. März 1990 verpflichtet, die vereinbarte Vergütung zu bezahlen. Die Entscheidung vom 20. März 1990 könne in diese getroffene Vereinbarung nicht eingreifen. Im übrigen habe sich die Beklagte am 1. März 1990 vertraglich gebunden, obwohl über ihren Antrag vom 26. Februar 1990 auf unentgeltliche Übernahme der Fahrzeuge noch nicht entschieden worden sei, so daß sie sich auch aus diesem Grunde nicht von der Zahlungspflicht lösen könne. Auch sei nicht einzusehen, warum die Beklagte nichts zahlen solle, während die Klägerin ihrerseits für die Fahrzeuge am 23. März 1990 950. 085 Mark der DDR bezahlt habe.
Auf Antrag der Klägerin vom 9. Mai 1990 hat das Bezirksvertragsgericht Chemnitz durch Schiedsspruch vom 21. Juni 1990 entschieden, daß die Beklagte verpflichtet sei, 1.026.090 Mark der DDR zuzüglich 18 % Zinsen hieraus seit 1. April 1990 an die Klägerin zu bezahlen. Mit Schriftsatz ihres Rechtsanwalts vom 1. August 1990 reichte die Beklagte beim Stadtgericht Berlin, dort eingegangen am 2. August 1990, einen "Antrag auf Nachprüfung" des Schiedsspruchs ein. Das Stadtgericht Berlin unterrichtete die "Verfahrenspartner", mit Verfügung vom 28. September 1990 davon, daß die anhängige "Berufungs- und Beschwerdesache" weisungsgemäß dem Bezirksgericht Chemnitz zur weiteren Bearbeitung übertragen worden sei. Die Verfügung trägt den Eingangsstempel des Bezirksgerichts Dresden vom 12. November 1990. Dort wurde das Verfahren, von Gericht und Parteien als Berufung behandelt, auch weiterbetrieben. Mit Urteil vom 15. April 1991 wies das Bezirksgericht Dresden die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurück, daß der im Schiedsspruch zugesprochene Betrag vom 1. April 1990 bis 30. September 1990 mit 18 % p.a. und ab dem 1. Oktober 1990 mit 4 % p.a. zu verzinsen sei.
Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter, die Klägerin will mit ihrer Anschlußrevision erreichen, daß die Beklagte den zugesprochenen Betrag ab 1. Oktober 1990 mit 9,5 % p.a. zu verzinsen hat.
Entscheidungsgründe
I.
Die Revisionen sind zulässig.
Nach § 545 Abs. 1 ZPO ist gegen die in der Berufungsinstanz erlassenen Endurteile der Oberlandesgerichte die Revision statthaft. Gemäß Anl. I Kap. III, Sachgeb. A, Abschn. III, Nr. 1 h Abs. 1 Einigungsvertrag erfüllen nach der Vereinigung im Beitrittsgebiet die Bezirksgerichte die Aufgaben der Oberlandesgerichte als Berufungsinstanz. Ausdrücklich hat das Bezirksgericht Dresden das bei ihm betriebene Verfahren als Berufung behandelt und durch Urteil abgeschlossen. Damit liegt eine revisionsfähige Entscheidung vor. Die weiteren Förmlichkeiten der Revisionen sind gewahrt.
In der Sache erweist sich die Revision der Beklagten als unbegründet. Die Anschlußrevision der Klägerin bleibt im wesentlichen ebenfalls erfolglos.
II.
Revision der Beklagten:
1.
a)
Die Revision der Beklagten ist der Auffassung, das Berufungsurteil sei bereits wegen Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Gebot des gesetzlichen Richters aufzuheben. Das Berufungsgericht habe zwar den im Zeitpunkt seiner Einlegung (1. August 1991 (1) ) nach damaligen Verfahrensvorschriften noch statthaften Einspruch der Beklagten gegen den Schiedsspruch vom 21. Juni 1990 richtigerweise als Berufung behandelt. Zuständiges Gericht sei aber gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 der Durchführungsverordnung zum Gerichtsverfassungsgesetz der DDR - Umgestaltung des Staatlichen Vertragsgerichts - vom 6. Juni 1990 (GBl. DDR I 284, i. f.: GVG DVO) das Stadtgericht Berlin gewesen, an dessen Stelle nach der Vereinigung das Kammergericht Berlin getreten sei.
b)
Dieser Angriff der Revision bleibt erfolglos.
Der von der Beklagten auf der Grundlage der Verordnung über die Aufgaben und Arbeitsweise des Staatlichen Vertragsgerichts in der Fassung der zweiten Änderungsverordnung vom 12. März 1970 (GBl. DDR II 209 ff, i. f.: SVGVO) am 2. August 1990 eingelegte Einspruch ist nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland als Berufung (§ 511 ZPO) anzusehen, für deren Entscheidung das Bezirksgericht Dresden zuständig war.
aa)
In Anl. I, Kap. III, Sachgeb. A, Abschn. III,
Nr. 28 i Einigungsvertrag ist u.a. bestimmt, daß sich die Zulässigkeit eines Rechtsmittels, das am 3. Oktober 1990 bereits eingelegt war, nach Bundesrecht richtet. Das Bundesrecht kennt einen Einspruch gegen Entscheidungen des Staatlichen Vertragsgerichts nicht. Gleichwohl ist der Einspruch der Beklagten nicht etwa mit der in Anl. I, Kap. III, Sachg. A, Abschn. III, Nr. 28 j Einigungsvertrag vorgesehenen Kostenfolge als unzulässig zu verwerfen. Der Gegenstand des Rechtsstreits ist nach dem System der in Kraft gesetzten Vorschriften zivilrechtlicher Natur. Eine nach der Vereinigung ergehende, den Rechtsstreit erstmals abschließende Entscheidung hätte daher gemäß Anl. I, Kap. III, Sachgeb. A, Abschn. III, Nr. 28 g Einigungsvertrag, den Vorschriften der Zivilprozeßordnung folgend, durch ein mit der Berufung anfechtbares Urteil ergehen müssen. Den zivilrechtlichen Charakter handelsrechtlicher Streitigkeiten hat bereits der Verordnungsgeber der DDR berücksichtigt, indem er ab 1. Juli 1990 alle Handelssachen den ordentlichen Gerichten zuwies und die nach diesem Zeitpunkt anhängig werdenden Verfahren der Zivilprozeßordnung der DDR mit der dort in § 147 vorgesehenen Möglichkeit der Berufung unterstellte (§§ 1, 2, 4 Abs. 1 GVG DVO). Für am 1. Juli 1990 bereits anhängige und im Zeitpunkt des Beitritts noch nicht endgültig abgeschlossene Streitigkeiten kann nichts anderes gelten.
bb)
Für die Entscheidung über den ab 3. Oktober 1990 als Berufung zu behandelnden Einspruch war das Bezirksgericht Dresden zuständig.
Das Stadtgericht Berlin hatte am 28. September 1990 entsprechend dem zu diesem Zeitpunkt noch anwendbaren § 53 SVGVO das Bezirksgericht Chemnitz als das zur Entscheidung über den Einspruch (nunmehr: Berufung) zuständige Gericht bestimmt. Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland wurden für Berufungen in Handelssachen im Sinne des § 95 GVG (mit Ausnahmen der Nr. 4 c und f) die Bezirksgerichte (Senate für Handelssachen), in deren Bezirk die jeweilige Landesregierung ihren Sitz hat, zuständig (Anl. I, Kap. III, Sachgeb. A, Abschn. III, Nr. 1 h, Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Nr. 1 e Abs. 2 Einigungsvertrag). Infolge dieser Zuständigkeitskonzentration mußte das Bezirksgericht Chemnitz, ohne daß es hierfür eines Verweisungsantrags oder einer förmlichen Entscheidung bedurft hätte, die Akten nach dem 3. Oktober 1990 an das Bezirksgericht Dresden versenden (Anl. I, Kap. III, Sachgeb. A, Abschn. III, Nr. 28 k). 2. Das Berufungsgericht hat den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag nach den Vorschriften des Gesetzes über das Vertragssystem in der sozialistischen Wirtschaft (VertragsG) vom 25. März 1982 (GBl. DDR I 293 ff) beurteilt und demgemäß § 37 Abs. 1 VertragsG als Anspruchsgrundlage der Klägerin auf Zahlung der vereinbarten Vergütung angesehen.
Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der Senat hat in dem am gleichen Tage verkündeten Urteil in der Sache VIII ZR 91/91III ZR 91/91 (dort unter II 1, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) entschieden, daß er revisionsrechtlich gemäß § 549 Abs. 1 ZPO zur Nachprüfung des früheren, noch entscheidungserheblichen Rechts der DDR befugt ist und daß das Vertragsgesetz - mit Ausnahme einzelner, der neu eingeführten marktwirtschaftlichen Ordnung widersprechender Bestimmungen - trotz seiner Aufhebung zum 1. Juli 1990 weiter auf von seinem Geltungsbereich umfaßte Schuldverhältnisse, die vor dem 1. Juli 1990 entstanden waren, anwendbar bleibt.
Soweit die Revision meint, das Berufungsgericht habe die durch _ 331 Abs. 2 des Gesetzes über Wirtschaftsverträge (GW), in der ab 1. Juli 1990 geltenden Fassung des Gesetzes über die Aufhebung bzw. Änderung von Gesetzen der Deutschen Demokratischen Republik vom 28. Juni 1990 (GAufhÄndG; GBl. DDR I 483), möglich gewordene Rechtswahl zugunsten des Gesetzes über Wirtschaftsverträge und die sich hieraus ergebende Darlegungs- und Beweislastverteilung übersehen, so verkennt sie, daß nach dem konstruktiven Aufbau des § 331 Abs. 2 GW die Rechtswahl nicht der Grundsatz, sondern die Ausnahme ist. Der Partner, der ein vor dem 1. Juli 1990 entstandenes Schuldverhältnis nach dem Gesetz über Wirtschaftsverträge beurteilt sehen wollte, konnte dies nach § 331 Abs. 2 innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Aufhebungs- und Änderungsgesetzes (l. Juli 1990) von dem anderen Partner fordern. Widersprach dieser nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang dieser Forderung, so galt das Gesetz über Wirtschaftsverträge als vereinbart. Da hier die Beklagte Rechtsnormen des Gesetzes über Wirtschaftsverträge für sich in Anspruch nehmen möchte, wäre es ihre Sache gewesen, die Voraussetzungen einer zugunsten dieses Gesetzes getroffenen Rechtswahl darzulegen. Das ist nicht geschehen.
3.
a)
Die Revision der Beklagten ist der Auffassung, auch bei Fortgeltung des Vertragsgesetzes sei der Zahlungsanspruch der Klägerin jedenfalls nicht mehr durchsetzbar, weil der entgeltlichen Überlassung der Fahrzeuge an die Beklagte keine Planentscheidung zugrunde gelegen habe und schon deshalb der Vertrag gemäß § 78 Abs. 1 VertragsG habe aufgehoben werden müssen. Darüber hinaus habe der Rat des Bezirks Karl-Marx-Stadt mit seiner Entscheidung vom 20. März 1990 die unentgeltliche Übernahme der Fahrzeuge durch die Beklagte angeordnet. Damit sei von befugter staatlicher Stelle in den Vertrag eingegriffen worden, mit der Folge, daß die Beklagte die Zahlung zu Recht verweigern könne.
b)
Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Hat dem entgeltlichen Erwerb der Fahrzeuge durch die Beklagte auch kein Plan zugrunde gelegen, so entsprach er doch jedenfalls staatlichen Bestimmungen.
Bereits Anfang des Jahres 1990 wurde die Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit und des Amtes für Nationale Sicherheit vom Ministerrat der DDR eingeleitet. Dieser Auflösungswille wurde u.a. manifestiert durch den auch von der Revision zitierten Beschluß des Ministerrats der DDR Nr. 13/4/90 vom 8. Februar 1990 "über die weiteren Maßnahmen zur Auflösung des AfNS" sowie den weiteren Beschluß Nr. 6/6/90 vom 16. Mai 1990 "über weitere Aufgaben und Maßnahmen, die sich aus der Auflösung des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit (MfS/AfNS) ergeben", der den ersten Beschluß aufhob. Im Zuge der Auflösung des AfNS hat der Leiter der Arbeitsgruppe bei dem Rat des Bezirks K.-M.-S., bestätigt von dem Regierungsbeauftragten der DDR, am 9. Februar 1990 angeordnet, daß die Beklagte die Fahrzeuge übernehmen solle. Diese Übernahme hatte, weil mit ihr ein Wechsel der "Fondsinhaberschaft" verbunden sein sollte, gemäß Nr. 3. 7 i.V.m. Nr. 5. 3 der Anl. 1 des Ministerratsbeschlusses vom 16. Mai 1990, der über Nr. 3. 1 auch für bereits abgeschlossene Vorgänge gilt, in jedem Fall durch Verkauf, also entgeltlich, zu erfolgen. Es bedarf daher keiner Entscheidung darüber, ob die Verfügung des Rats des Bezirks Karl-Marx-Stadt vom 20. März 1990, die Beklagte könne die Fahrzeuge gegen Zahlung einer Vermittlungsgebühr, im übrigen aber unentgeltlich übernehmen, einen Eingriff in die vertragliche Vereinbarung der Parteien vom 1. März 1990 darstellte und die Beklagte deshalb gemäß § 78 VertragsG die Zahlung der Vergütung mit dem Hinweis verweigern konnte, der Vertrag sei aufgrund einer anderweitigen staatlichen Entscheidung in bezug auf die Zahlungspflicht zu ändern. Denn diesem sich möglicherweise aus § 78 VertragsG ergebenden Anspruch wäre mit der rückwirkenden "Verkaufsanordnung" des Ministerratsbeschlusses vom 16. Mai 1990 der Boden entzogen worden.
4.
a)
Die Revision der Beklagten trägt vorsorglich weiter vor, der Klägerin habe bei Vertragsschluß am 1. März 1990 die Verfügungsbefugnis über die Fahrzeuge gefehlt. Diese habe die Klägerin, wenn überhaupt, erst am 23. März 1990 mit Erfüllung ihrer Verpflichtung aus dem Kaufvertrag mit dem AfNS erhalten, denn nach § 57 Abs. 1 VertragsG wechsele die "Fondsinhaberschaft", die dem Eigentumsrecht entspreche, erst mit Bezahlung der Vergütung. Darüber hinaus habe die Klägerin, wie sie selbst vortrage, das Entgelt nicht, wie es der Ministerratsbeschluß vom 16. Mai 1990 in Nr. 3. 2 vorsehe, an den Staatshaushalt abgeführt, sondern an das AfNS gezahlt. Auch sei zu berücksichtigen, daß das gesamte Volksvermögen der DDR, wozu auch die Fahrzeuge, als Grundmittel des AfNS, gehörten, mit deren Gründung am 1. März 1990 auf die Treuhandanstalt übergegangen sei. Bereits deshalb habe der Rechtsvorgängerin der Klägerin am 1. März 1990 die Verfügungsbefugnis gefehlt.
b)
Auch diese Einwände der Revision greifen nicht durch. Zwar mag im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (1. März 1990) die Klägerin zur rechtswirksamen Übertragung der Fahrzeuge an die Beklagte nicht imstande gewesen sein, weil sie ihrer Zahlungsverpflichtung aus dem Vertrag mit dem AfNS noch nicht nachgekommen war. Davon hängt aber die Wirksamkeit der von der Beklagten eingegangenen Zahlungsverpflichtung nicht ab. Möglicherweise hätte die Beklagte die Erfüllung so lange verweigern können, bis die Klägerin zur Leistung in der Lage war; mit der Zahlung seitens der Klägerin am 23. März 1990 war dieses Erfüllungshindernis indessen entfallen. Die weitere Annahme der Revision der Beklagten, auch danach könne von einer "Fondsinhaberschaft" der Klägerin nicht ausgegangen werden, weil der Kaufpreis nach den eigenen Behauptungen der Klägerin entgegen der Bestimmung in Nr. 3. 2 des Ministerratsbeschlusses vom 16. Mai 1990 nicht an den Staatshaushalt geflossen sei, findet in dem festgestellten Sachverhalt keine Stütze. Aus dem Vortrag der Klägerin läßt sich nur entnehmen, daß die Vergütung auf ein von dem AfNS angegebenes Konto überwiesen wurde. Da die Beklagte nie behauptet hat, dieses Konto sei kein Konto des Staates gewesen, ist für die Revisionsinstanz davon auszugehen, daß die Klägerin mit der Zahlung am 23. März 1990 ihrer Zahlungsverpflichtung nachgekommen ist und damit die "Fondsinhaberschaft" an den Kraftfahrzeugen erworben hat.
Auch aus dem Beschluß zur Gründung der Treuhandanstalt vom 1. März 1990 (GBl. DDR I 107) läßt sich für die Revision nichts gewinnen. Mit Nr. 2 des Beschlusses zur Gründung der Treuhandanstalt ging lediglich das volkseigene Vermögen auf die Treuhandanstalt über, das sich in "Fondsinhaberschaft" von Betrieben, Einrichtungen, Kombinaten sowie wirtschaftsleitenden Organen und sonstigen in Registern der volkseigenen Wirtschaft eingetragenen Wirtschaftseinheiten befunden hat. Der Grundmittelbestand des AfNS zählte hierzu nicht. Erst mit § 1 der Vierten Durchführungsverordnung zum Treuhandgesetz vom 12. September 1990 (GBl. DDR I 1465) ging das Vermögen des AfNS zum 1. Oktober 1990 auf die Treuhandanstalt über. Zu diesem Zeitpunkt waren die Kraftfahrzeuge aber bereits aus der "Fondsinhaberschaft" des AfNS ausgeschieden.
5.
a)
Die Revision der Beklagten meint, selbst wenn man von einer grundsätzlich bestehenden Verpflichtung der Beklagten zur Bezahlung der Fahrzeuge ausgehe, fehle es an einer wirksamen Vereinbarung der Parteien über die Höhe der Vergütung. Die Parteien seien, wie das Berufungsgericht unterstelle, von der Fortgeltung der staatlichen Preisbildungsvorschriften für Gebrauchtwagenverkäufe ausgegangen und hätten demzufolge eine Zeitwertermittlung vereinbart. Die Beklagte habe in der Berufungsinstanz die Richtigkeit der von der Klägerin angenommenen Zeitwerte unter Beweisantritt bestritten. Diesen erheblichen Vortrag habe das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft unberücksichtigt gelassen. Selbst wenn man dem nicht folge, hätte sich die Beklagte bei Vertragsschluß jedenfalls darüber geirrt, daß die Preisvereinbarung noch staatlichen Preisbildungsvorschriften folge, denn diese seien bei Vertragsschluß bereits aufgehoben gewesen. Schließlich stelle das Beharren der Klägerin auf Bezahlung der Vergütung rechtsmißbräuchliches Verhalten dar.
b)
Auch dem vermag der Senat nicht beizutreten.
aa)
Mit dem 1. März 1990 wurde nach der "Anordnung über die Aufhebung von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Verkehrswesens" vom 7. Februar 1990 (GBl. DDR I 55) die "Anordnung über den Kauf und Verkauf sowie über die Ermittlung des Preises für gebrauchte Kraftfahrzeuge" vom 24. August 1981 (GBl. DDR I 333) aufgehoben. Die Parteien waren somit bei Vertragsschluß am 1. März 1990 nicht mehr an die staatlichen Preisbildungsvorschriften der Anordnung vom 24. August 1981, insbesondere die dort vorgesehene Zeitwertermittlung gebunden. Einigten sich die Parteien auf einen Preis von 1.029.090 Mark der DDR, so geschah dies am 1. März 1990 aus rechtlicher Sicht infolge freier Preisvereinbarung. Es begegnet daher keinen Bedenken, daß das Berufungsgericht den gegen die Zeitwertermittlung gerichteten und mit Beweisantritt versehenen Vortrag der Beklagten unberücksichtigt gelassen hat.
bb)
Das Berufungsgericht ist nach dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien davon ausgegangen, daß die aufgehobene Anordnung vom 24. August 1981 die Grundlage für die Vereinbarung der Vergütung darstellte. Trifft das zu, so liegt ein Irrtum der Beklagten bei Vertragsschluß darüber nahe, daß der Preis noch nach bindenden Rechtsvorschriften zu berechnen war. Das Berufungsgericht läßt dies ohne Rechtsfehler offen, denn selbst unterstellt, die Beklagte hätte sich hierüber geirrt, wäre ihr daraus kein den Vergütungsanspruch rückwirkend vernichtendes Anfechtungsrecht erwachsen.
Das Vertragsgesetz selbst kennt eine Anfechtung von Willenserklärungen nicht. § 70 ZGB/DDR, der in Inhalt und Rechtsfolgen den in §§ 119 ff BGB geregelten Anfechtungstatbeständen ähnlich ist, kann auf Wirtschaftsverträge nicht entsprechend angewandt werden, weil der an rein gesellschaftlichen Interessen orientierte § 78 VertragsG als Spezialregelung eine die Parteiinteressen berücksichtigende Anfechtung ausschloß (Komm. z. aaO (2) Anm. 1, r. Sp. unten zu § 28). Selbst wenn man, wie die Beklagte meint, die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchesüber die Anfechtung für entsprechend anwendbar hielte, läge lediglich ein auch nach § 119 BGB unbeachtlicher Irrtum über die im Augenblick der Abgabe der Willenserklärung geltende Rechtslage vor (BGH, Urteil vom 20. November 1969 - III ZR 93/69 = NJW 1970, 1418, 1420 unter 4 b 1. Sp. unten; Soergel-Hefermehl, BGB, 12. Aufl., Rdnr. 24 zu § 119).
cc)
Für ein von der Revision behauptetes rechtsmißbräuchliches Verhalten der Klägerin ergeben sich aus dem festgestellten Sachverhalt keine zureichenden Anhaltspunkte.
6.
Die Revision der Beklagten rügt schließlich vergeblich, das Berufungsgericht habe sich zu Unrecht nicht mit der Frage befaßt, ob und inwieweit der Vergütungsanspruch nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bzw. über § 32 Abs. 2 DMBilG anzupassen sei.
a)
Zwar hat der Senat in dem am gleichen Tage verkündeten Urteil in der Sache VIII ZR 91/91III ZR 91/91 (dort unter II 5) entschieden, daß das aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitete Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage grundsätzlich auch auf vor dem 1. Juli 1990 in der DDR entstandene vertragliche Schuldverhältnisse zwischen ehemaligen Wirtschaftseinheiten Anwendung finden könne. Nach dem festgestellten Sachverhalt kommt hier aber eine Anpassung des Vertrages nicht in Betracht. Die Beklagte war, wie sich insbesondere aus dem schriftlichen Antrag auf unentgeltliche Übernahme der Fahrzeuge vom 26. Februar 1990 ergibt, nicht nur Betroffene einer staatlichen Entscheidung, sie war selbst an dem, wenn auch kostenlosen, Erwerb der Fahrzeuge aus Gründen der Stabilisierung ihres Betriebes interessiert. Aus dem genannten Schreiben ergibt sich ferner, daß eine bei der Beklagten vorgenommene Wirtschaftlichkeitsberechnung einen Kauf der Fahrzeuge verbot. So hat die Beklagte in der Berufungsinstanz selbst vorgetragen, daß die ökonomische Situation ihrer Rechtsvorgängerin einen entgeltlichen Erwerb von Anfang an nicht zugelassen habe. Zudem war die Beklagte von der grundsätzlichen Entscheidung der mit der Auflösung des AfNS betrauten Stellen, die "Umsetzung" der Fahrzeuge nur gegen Entgelt zu realisieren, vor Vertragsschluß informiert. Von einem positiven Bescheid auf ihren Antrag vom 26. Februar 1990 konnte die Beklagte daher nicht ausgehen. Wenn sie sich dennoch am 1. März 1990 zu einer Zahlung von 1.029.090 Mark der DDR verpflichtete, muß sie sich an dieser Entscheidung festhalten lassen. Die bloße Hoffnung der Beklagten auf einen kostenlosen Erwerb der Fahrzeuge kann deshalb nicht als Geschäftsgrundlage des Vertrages mit der Klägerin angesehen werden.
b)
Eine Anpassung nach § 32 Abs. 2 DMBilG (im Beitrittsgebiet in Kraft getreten mit dem Einigungsvertrag am 3. Oktober 1990, Anl. II, Kap. III, Sachgeb. D, Abschn. I; neu bekannt gemacht mit Gesetz vom 18. April 1991, BGBl. I 971 ff) kann bereits deshalb nicht in Betracht kommen, weil für die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift nichts festgestellt ist. Daß das Berufungsgericht insoweit erheblichen Sachvortrag der Beklagten übergangen hätte, macht die Revision nicht geltend.
7.
Nach allem muß die Revision der Beklagten erfolglos bleiben. Allerdings verweist sie zu Recht darauf, daß der Tenor des Berufungsurteils, entgegen den Entscheidungsgründen, versehentlich die Währungsumstellung zum 1. Juli 1990 nicht berücksichtigt. Dies hat der Senat nunmehr nachgeholt.
III.
Anschlußrevision der Klägerin:
Die Anschlußrevision der Klägerin bleibt im wesentlichen erfolglos. Einen Verzugsschaden in Höhe der nunmehr geforderten Verzinsung ab 1. Oktober 1990 hat die Klägerin in den Tatsacheninstanzen nicht behauptet. Das Berufungsgericht war aus seiner Hinweispflicht gemäß §§ 278 Abs. 3, 139 ZPO nicht gehalten, die Klägerin auf die sich aus dem rechtlichen Gesichtspunkt eines Verzugsschadens ergebende Möglichkeit, höhere als die gesetzlichen Zinsen zu verlangen, aufmerksam zu machen. § 278 Abs. 3 ZPO betrifft ohnehin Nebenforderungen nicht. Aber auch nach § 139 ZPO obliegt es dem Gericht nur, innerhalb der gestellten Anträge auf die Beibringung des zur Entscheidung erforderlichen Tatsachen- und Beweismaterials hinzuwirken, nicht jedoch auf neue bzw. erweiterte Anspruchsgrundlagen hinzuweisen (Zöller-Stephan, ZPO, 17. Aufl., Rdnr. 11 zu § 139). Übersehen hat das Berufungsgericht allerdings, daß die Klageforderung gemäß § 352 HGB ohne weiteren Nachweis ab 1. Oktober 1990 mit 5 % p.a. zu verzinsen ist. Die Parteien des Rechtsstreits sind bereits vor dem 1. Juli 1990 auf der Grundlage der Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften - Umwandlungsverordnung - vom 1. März 1990 (GBl. DDR I 107) Gesellschaften mit beschränkter Haftung geworden. Die Eintragung der Klägerin in das Handelsregister erfolgte am 27. Juni 1990, die der Beklagten am 10. März 1990. Mit § 16 des Gesetzes über die Inkraftsetzung von Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland in der Deutschen Demokratischen Republik (RVInkrsG, sog. MantelG) vom 21. Juni 1990 (GBl. DDR I 357 ff) wurden in der DDR zum 1. Juli 1990 das erste bis vierte Buch des Handelsgesetzbuchs in der im damaligen Bundesgebiet geltenden Fassung (mit Ausnahme der Vorschriften über Handlungsgehilfen) in Kraft gesetzt. Damit sind beide Parteien jedenfalls seit dem 1. Juli 1990 Formkaufleute gemäß § 6 HGB, mit der Folge, daß sie für Geldforderungen, die - wie hier - aus beiderseitigen Handelsgeschäften stammen, 5 % p. a. gesetzliche Zinsen verlangen können. Dieser Regelung ging bis 30. September 1990 die Bestimmung des § 8 der Anordnung über die Fälligkeit von Geldverbindlichkeiten aus Warenlieferungen und Leistungen (FälligkAnO) vom 13. Oktober 1983 (GBl. DDR I 298) vor, nach dem Wirtschaftseinheiten einen Verspätungszinssatz von 18 % p.a. fordern konnten. Nach Auslaufen der sich aus § 15 Nr. 4 Satz 2 Aufhebungs- und Änderungsverordnung vom 28. Juni 1990 (GBl. DDR I 509 ff) ergebenden Sonderregelung ist der gesetzliche Zinssatz § 352 HGB zu entnehmen. Dies hat der Senat auf die Anschlußrevision der Klägerin berücksichtigt.