Bundesgerichtshof
Urt. v. 28.04.1992, Az.: X ZR 129/90
Vergütungsanspruch; Ersparte Aufwendungen; Abzug; Ermittlung von Amts wegen
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 28.04.1992
- Aktenzeichen
- X ZR 129/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1992, 14846
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
Fundstelle
- NJW 1992, 2427-2428 (Volltext mit red. LS)
Redaktioneller Leitsatz
Ein Anspruch auf Vergütung besteht nur insoweit, als ersparte Aufwendungen abgezogen werden.
Hinweise:
BGH BauR 1981, 198 = DB 1981, 315; BauR 1986, 577 = NJW-RR 1986, 1026.
Tatbestand:
I. Zwischen der Klägerin, einem Glasveredelungsunternehmen, und der Beklagten, einem Großhandelsunternehmen für Glas- und Keramikwaren, wurde am 15. Januar 1986 ein Vertrag geschlossen, in dem sich die Klägerin verpflichtete, für die Dauer von fünf Jahren in von der Beklagten angemieteten Räumen Glaswaren, die die Beklagte zur Verfügung gestellt hatte, im Stücklohn für diese zu bearbeiten und dabei ausschließlich für die Beklagte tätig zu sein, es sei denn, die Beklagte habe der Tätigkeit der Klägerin für einen Dritten schriftlich zugestimmt. Die Klägerin verlegte ihren Betrieb an den Sitz der Beklagten und nahm dort ihre Tätigkeit auf. In der Folgezeit zeigte der zwischen den Parteien getätigte Umsatz - von einigen Spitzen abgesehen - insgesamt eine abnehmende Tendenz.
Schon im Januar 1986 hatte die Beklagte für sich zwei Sandstrahlkabinen angeschafft, einen Glasveredeler eingestellt und von da ab selbst Arbeiten der Art verrichtet, wie sie der Klägerin mit dem genannten Vertrag übertragen worden waren. Die Klägerin kündigte den Vertrag am 3. Dezember 1986 fristlos und stellte ihre Tätigkeit für die Beklagte ein. Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei ihr schadensersatzpflichtig, weil sie durch Aufnahme einer eigenen Glasveredelung treuwidrig dem Geist des Vertrages zuwidergehandelt und ihren Umsatz und Gewinn dadurch geschmälert habe.
II. Das Begehren der Klägerin hatte bezüglich der Auskunft über den Umfang der von der Beklagten in der Zeit vom 1. Juli bis 3. Dezember 1986 vorgenommenen Glasveredelungsarbeiten in der Berufungsinstanz Erfolg. Nach Auskunftserteilung über Stückzahl und Art der von der Beklagten in der Zeit vom 1. Juli 1986 bis 3. Dezember 1986 veredelten Glaswaren hat die Klägerin den Gesamtbetrag des entgangenen Umsatzes auf 46.684,41 DM berechnet. Von diesem Betrag hat sie ersparte Kosten für Strahlsand in Höhe von 222,78 DM und für Abdeckfolie in Höhe von 17,78 DM in Abzug gebracht. Die Klägerin hat eine Ersparnis an Lohnkosten verneint, weil sie die zusätzlichen Arbeiten mit den vorhandenen Kräften, deren Zahl monatlich zwischen fünf und 13 schwanke, hätte erledigen können.
Die Klage hatte wegen des so berechneten Schadensersatzanspruchs vor dem Landgericht im wesentlichen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat sie in vollem Umfang abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin, das Urteil des Landgerichts wiederherzustellen. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache.
I. Das Berufungsgericht legt seinem Erkenntnis zugrunde, die Klägerin habe das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs in einer bestimmten Höhe weder schlüssig dargetan noch unter Beweis gestellt.
Es sei nicht nachvollziehbar, daß der Klägerin zusätzliche Lohnkosten nicht entstanden wären, wenn sie die zusätzlichen Arbeiten für die Beklagte ausgeführt hätte. Der geltend gemachte Schaden decke sich der Höhe nach fast mit dem infolge der Eigenarbeit der Beklagten entgangenen Umsatz. Dem hält das Berufungsgericht entgegen, daß die bloße Zahl der in einem Monat Beschäftigten schon deshalb keine geeignete Bezugsgröße für die Ermittlung des für eine bestimmte Arbeit notwendigen Aufwandes darstelle, weil die bloße Beschäftigtenzahl keine hinreichende Aussagekraft für die Arbeitsleistung der Beschäftigten habe. Nach der Lebenserfahrung sei zum Beispiel davon auszugehen, daß bei einer bestimmten Anzahl von Beschäftigen Leistungsausfälle infolge Urlaubs und Krankheit unvermeidbar seien. Vorliegend handele es sich zudem um Arbeitskräfte mit geringer Stundenzahl, die die Klägerin nach Bedarf beschäftigt habe bzw. hätte beschäftigen können. Die bloße Beschäftigtenzahl sei somit keine für eine Berechnung des entgangenen Gewinns verwertbare Größe. Vielmehr sei die richtige Bezugsgröße der Lohnaufwand gewesen, den die Klägerin hatte, um ihren - unstreitigen - Umsatz mit der Beklagten zu erzielen.
Selbst wenn man aber das Vorbringen der Klägerin insoweit als schlüssig ansehe, bleibe ihr Begehren gleichwohl ohne Erfolg. Die Klägerin habe für ihre entscheidungserheblichen Behauptungen keinen Beweis angetreten. Ein solcher Beweisantritt sei aber erforderlich gewesen, nachdem die Beklagte die Behauptung der Klägerin über den Personalbestand bestritten habe. Es habe der Klägerin oblegen, die Tatsachen zu beweisen, auf die sie ihren Schadensersatzanspruch stütze. Es handele sich bei diesem Bestreiten der Beklagten nicht um das Vorbringen schadensmindernder Faktoren, für die die Beklagte beweispflichtig sei. Vielmehr gehe es um den Nachweis der für die Bestimmung der Schadenshöhe maßgeblichen Rechnungsposten. Dieser obliege allein der Klägerin. Die Beweislast habe sich auch nicht umgekehrt.
Es habe kein Anlaß bestanden, die Klägerin auf die fehlende Schlüssigkeit ihres Vorbringens und den fehlenden Beweisantritt hinzuweisen. Es habe ferner auch kein Anlaß bestanden, entsprechend dem Antrag der Klägerin die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Mit neuem Vorbringen wäre sie überdies ausgeschlossen.
II. Diese Auffassung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt bestehen keine Anhaltspunkte für einen grenzüberschreitenden Warenverkehr, auch wenn die Klägerin ihren Firmensitz in Frankreich hat. Die Rechtsbeziehungen der Parteien bestimmen sich sonach nach deutschem Recht.
Das Berufungsgericht hat - ohne diesen Gesichtspunkt zu erörtern - die Auffassung des Landgerichts gebilligt, daß der Klägerin gegen die Beklagte nach dem rechtskräftigen Urteil über den Auskunftsanspruch ein Schadensersatzanspruch aus positiver Forderungsverletzung zustehe. Die Revision stimmt diesem Ausgangspunkt des Berufungsgerichts zu.
Rechtsfehler treten insoweit nicht hervor, auch wenn bei einer Stufenklage die Verurteilung zur Auskunft oder Rechnungslegung keine Rechtskraft für den Grund des Zahlungsanspruchs schafft (Einzelheiten hierzu BGH, Urt. v. 14.11.1984 VIII ZR 228/83, NJW 1985, 862; BGH NJW 1969, 880; s.a. BGHR ZPO § 254 Berufungsverfahren 1). Die von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung der zwischen Klägerin und Beklagter geschlossenen Vereinbarung, es sei der Beklagten verwehrt gewesen, systematisch eine eigene Produktion aufzubauen oder die Sandstrahlarbeiten nachhaltig durch Drittfirmen ausführen zu lassen, ist möglich.
Die Klägerin hat sonach zutreffend der Berechnung der Restvergütung als Grundlage des von ihr geltend gemachten Schadensersatzanspruchs die nach der Auskunft der Beklagten von dieser selbst hergestellte Zahl von veredelten Stücken zugrunde gelegt. Von der einem solchen Auftragsumfang entsprechenden Vergütung hat sie die ersparten Aufwendungen abgezogen, weil der Anspruch von vornherein nur abzüglich der ersparten Aufwendungen gegeben ist (Einzelheiten bei Münch.Komm./Emmerich, 2. Aufl., § 324 Rdn. 25; s.a. Palandt/Thomas, BGB, 51. Aufl., 1992, § 649 Rdn. 2 u. 3; Münch.Komm./Soergel, 2. Aufl., § 649 Rdn. 13).
2. a) Der Vortrag der Klägerin hierzu ist entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung schlüssig.
Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 23.04.1991, WM 1991, 1737) ist ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs schlüssig und damit erheblich, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nur dann erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind. Das Gericht muß nur in der Lage sein, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs vorliegen. Zergliederungen der Sachdarstellung in Einzelheiten können allenfalls bedeutsam werden, wenn der Gegenvortrag dazu Anlaß bietet. Das bedeutet jedoch nicht, daß derjenige, der ein Recht beansprucht, schon deshalb, weil der Gegner bestreitet, gezwungen ist, den behaupteten Sachverhalt in allen Einzelheiten wiederzugeben. Dem Grundsatz, daß der Umfang der Darlegungslast sich nach der Einlassung des Gegners richtet, liegt nicht etwa der Gedanke zugrunde, ein Kläger sei zur Förderung der Wahrheitsermittlung und zur Prozeßbeschleunigung verpflichtet, um den bestreitenden Gegner in die Lage zu versetzen, sich möglichst eingehend auf die Klagebehauptungen einzulassen. Der Grundsatz besagt vielmehr nur, daß der Tatsachenvortrag der Ergänzung bedarf, wenn er infolge der Einlassung des Gegners unklar wird und nicht mehr den Schluß auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zuläßt.
Vorliegend hat die Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts geltend gemacht, daß sie mit den von ihr beschäftigten Arbeitskräften die von der Beklagten durchgeführten Arbeiten hätte durchführen können. Sie hätte keine zusätzlichen Arbeitskräfte einzustellen brauchen. Sie hat dementsprechend ihre Bruttoeinnahmen angegeben und die aus ihrer Sicht ersparten Aufwendungen (Strahlsand, Abdeckfolie) abgezogen und den Saldo zu ihren Gunsten geltend gemacht. Dieser Vortrag ist schlüssig.
Schon aus diesem Grunde kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.
b) Aufgrund des vom Berufungsgericht (BU 6) geschilderten Sachvortrags der Beklagten zur Begründung ihrer Berufung steht fest, daß auch nach deren Ansicht der Klägerin ein Schaden entstanden ist. Die Beklagte möchte an Ersparnis Lohnaufwendungen in Höhe von 18.370,-- DM, Geräteverschleiß in Höhe von 1.000,-- DM, Ausschußware im Wert von 383,-- DM und Energiekosten in Höhe von 1.000,-- DM berücksichtigt sehen. Auch ohne Beweiserhebung hätte das Berufungsgericht unter Zugrundelegung dieses Sachvortrags der Klägerin einen Schadensersatz zuerkennen müssen; denn es ergibt sich aufgrund ihres schlüssigen und revisionsrechtlich bindenden Vortrags ein Saldo zu ihren Gunsten.
3. Im übrigen wird auf folgendes hingewiesen:
Ob und in welcher Höhe der ersatzberechtigten Klägerin ein Schaden aus entgangenem Gewinn entstanden ist, den die Beklagte nach § 249 Satz 1, § 252 Satz 1 BGB zu ersetzen hat, ist vom Tatrichter nach § 287 Abs. 1 ZPO zu entscheiden. Danach ist der Richter bei der Schadensfeststellung freier gestellt. Es reicht bei der Entscheidung über die Schadenshöhe eine erhebliche, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit für die richterliche Überzeugungsbildung aus. Darüber hinaus ist die Beweiserhebung gemäß § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt. Das Gericht kann auch den Beweisführer gemäß § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPOüber den Schaden vernehmen. Um der Beweisnot des Geschädigten abzuhelfen, hat der Richter den Schaden zu schätzen, wenn und soweit die festgestellten Umstände dafür eine genügende Grundlage sind. Eine Schätzung entfällt nur, wenn sie mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge (BGH, Urt. v.09.04.1992 IX ZR 104/91 - zur Veröffentlichung bestimmt - Umdruck S. 5 und 6). Allerdings besteht im Rahmen des § 287 ZPO grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen abstrakter und konkreter Berechnung. Eine abstrakte Berechnung ist dann unzulässig, wenn der Beweispflichtige einen Beweis für die ihm günstigere konkrete Berechnung angehoben hat.
Nach allem sind wegen der Höhe des der Klägerin zustehenden Schadensersatzanspruchs vom Berufungsgericht noch tatsächliche Feststellungen zu treffen. Ihm war auch die Entscheidung über die Kosten der Revision zu übertragen.