Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Urt. v. 05.02.1992, Az.: XII ZB 6/92

Rechtliche Wirkungen des Unterbleibens einer Zustellung eines zustellungspflichtigen Urteils; Anforderungen an eine wirksame Bestellung eines Prozessbevollmächtigten; Prozesskostenhilfe; Prozesskostenhilfeverfahren; Prozessvollmacht eines Rechtsanwaltes; Korrespondenzanwalt; Hauptbevollmächtigter

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
05.02.1992
Aktenzeichen
XII ZB 6/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1992, 14376
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Schleswig - 20.12.1991

Fundstellen

  • FamRZ 1992, 665 (Volltext mit red. LS)
  • NJW-RR 1992, 699 (Volltext mit red. LS)
  • VersR 1992, 1244-1245 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Legt im Prozeßkostenhilfeverfahren ein Rechtsanwalt eine Prozeßvollmacht vor und werden anschließend er als Korrespondenzanwalt und ein anderer Rechtsanwalt als Hauptbevollmächtigte beigeordnet, so ist, wenn letzterer im Termin aufgetreten ist, diesem als dem für den Rechtszug bestellten Prozeßbevollmächtigten das Urteil auch dann zuzustellen, wenn für ihn keine schriftliche Bevollmächtigung vorgelegt wurde.

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerinnen wird der Beschluß des 3. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 20. Dezember 1991 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I.

Die Klägerinnen machen gegen den Beklagten, ihren Vater, Unterhaltsansprüche geltend. Für die beabsichtigte Klage beantragten sie im Oktober 1990 Prozeßkostenhilfe durch die Rechtsanwälte Fu. in Ha., die sich im Antrag als Verfahrensbevollmächtigte bezeichneten. Nachdem der Beklagte bezweifelt hatte, daß seine beiden Töchter ihn auf Unterhalt verklagen wollten, legten deren Verfahrensbevollmächtigte eine auf sie lautende Prozeßvollmacht vom 19. Dezember 1990 vor.

2

Durch Beschluß vom 13. Januar 1991 bewilligte das Amtsgericht - Familiengericht - H. den Klägerinnen Prozeßkostenhilfe und ordnete ihnen Rechtsanwalt F. in H. als Prozeßbevollmächtigten und Rechtsanwalt H. in Ha. als Korrespondenzanwalt bei. Rechtsanwalt F. unterzeichnete am 18. Januar 1991 das Empfangsbekenntnis für eine Ladung zum Termin am 12. Februar 1991, nahm bis zum 23. Januar 1991 Einsicht in die ihm überlassene Gerichtsakte, trat in der mündlichen Verhandlung am 12. Februar 1991 auf und stellte für die Klägerinnen den Antrag aus der Klage. Mit Urteil vom 8. März 1991 wies das Amtsgericht die Klage ab. Das Urteil wurde auf Klägerseite den im Rubrum als Verfahrensbevollmächtigte bezeichneten Rechtsanwälten Fu. und Partner am 21. März 1991 auf dem Postwege zu Händen einer Büroangestellten zugestellt. Die Klägerinnen legten am 3. Mai 1991 gegen das Urteil Berufung ein, die sie nach entsprechender Fristverlängerung am 5, August 1991 begründeten.

3

Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil die Berufungsfrist nicht gewahrt sei. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerinnen.

4

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts war die Frist zur Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts bei Eingang der Berufungsschrift am 3. Mai 1991 nicht abgelaufen; sie hatte durch die Zustellung an den Korrespondenzanwalt nicht zu laufen begonnen, weil das Urteil an den für den ersten Rechtszug bestellten Prozeßbevollmächtigten, Rechtsanwalt F., hätte zugestellt werden müssen (§ 176 ZPO).

5

Das Oberlandesgericht hat die Ansicht vertreten, als Prozeßbevollmächtigte seien nur die Rechtsanwälte Fu. und Partner anzusehen, denn nur diese hätten eine auf sie lautende Prozeßvollmacht (vom 19. Dezember 1990) übersandt. Diese Eigenschaft hätten sie nicht schon durch die Beiordnung des Rechtsanwalts F. "als Prozeßbevollmächtigten" verloren; das genüge nicht, solange die Partei nicht auch diesem Rechtsanwalt Prozeßvollmacht erteilt habe. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Rechtsanwalt F. war als Prozeßbevollmächtigter der Klägerinnen im Sinne des § 176 ZPO bereits vor dem Erlaß des Urteils erster Instanz bestellt. Dazu war es nicht erforderlich, daß die Klägerinnen oder deren im Prozeßkostenhilfeverfahren tätiger Rechtsanwalt ausdrücklich die Bevollmächtigung des beigeordneten Rechtsanwalts dem Gericht anzeigten oder eine Vollmachtsurkunde vorlegten. Die Bestellung eines Prozeßbevollmächtigten ist nicht formgebunden; es reicht aus, daß dem Gericht von dem Vertretungsverhältnis Kenntnis gegeben wird. Dazu ist nicht immer die Vorlegung einer Vollmachtsurkunde nötig, sondern es genügt eine aus den Umständen ersichtliche Unterrichtung und Verlautbarung (BGHZ 61, 308, 311; BGH, Beschluß vom 22. Oktober 1986 - VIII ZB 40/86 - BGHR ZPO § 176 Bestellung 1; Senatsurteil vom 9. Oktober 1985 - IVb ZR 59/84, nicht veröffentlicht; Zöller/Stephan ZPO 17. Aufl. § 176 Rdn. 7; Stein/Jonas/Schumann ZPO 20. Aufl. § 176 Rdn. 18; Wieczorek ZPO 2. Aufl. § 176 Anm. B II a). Ob dafür ausreicht, daß Rechtsanwalt F. das Empfangsbekenntnis für seine Ladung zum, Verhandlungstermin unterzeichnet und anschließend die Gerichtsakten eingesehen hat, kann offenbleiben. Jedenfalls genügt, daß er im Verhandlungstermin am 12. Februar 1991 für die Klägerinnen aufgetreten ist und verhandelt hat. Hieraus war für das Amtsgericht die Bestellung eindeutig erkennbar. Daher hätte Rechtsanwalt F. im Rubrum des erstinstanzlichen Urteils als Prozeßbevollmächtigter der Klägerinnen aufgeführt und das Urteil an ihn zugestellt werden müssen. Es kommt nicht mehr darauf an, daß die Klägerinnen mit Schriftsatz vom 27. Dezember 1991 noch eine Urkunde vorgelegt haben, die ausweist, daß sie Rechtsanwalt F. bereits unter dem 12. Oktober 1990 förmlich Prozeßvollmacht erteilt haben.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: 240 DM