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Bundesgerichtshof
Urt. v. 22.01.1992, Az.: IV ZR 59/91

Krankentagegeldversicherungsende; Berufsunfähigkeitsrente; Rentenbezug; Rückgewähr von Krankengeld

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
22.01.1992
Aktenzeichen
IV ZR 59/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1992, 14738
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BGHZ 117, 92 - 100
  • BB 1992, 571
  • MDR 1992, 454-455 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1992, 1164-1166 (Volltext mit amtl. LS)
  • VersR 1992, 477-479 (Volltext mit red. LS)

Amtlicher Leitsatz

1. Der Bezug einer Rente wegen Berufsunfähigkeit beendet das Krankentagegeldversicherungsverhältnis nicht (Abweichung von Senat vom 12.7.1989 - IVa ZR 201/88 = VersR 89, 943).

2. Die gebotene ergänzende Vertragsauslegung führt jedoch zu einem Anspruch des Versicherers auf Rückgewähr von Krankentagegeld, das er in Unkenntnis eines gleichzeitigen Rentenbezugs gezahlt hat.

Tatbestand:

1

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückzahlung von Krankentagegeld in Anspruch.

2

Der Beklagte, ein selbständiger Klempner- und Installateurmeister, hat bei der Klägerin eine Krankentagegeldversicherung abgeschlossen, der die Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung (MB/KT 78, VerBAV 1978, 230) zugrunde liegen. Er leidet an einer schizophrenen Psychose. Die Klägerin zahlte ihm wegen Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 23. November 1985 bis 3. April 1987 das vereinbarte Krankentagegeld von täglich 150 DM. Auf Antrag vom 6. August 1986 wurde dem Beklagten mit Bescheid der Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz vom 10. Januar 1987 eine Rente auf Zeit wegen Berufsunfähigkeit, rückwirkend ab 25. Mai 1986 und längstens bis 30. November 1987, bewilligt. Die Rente betrug einschließlich eines Zuschusses zum Krankenversicherungsbeitrag bis 30. Juni 1986 monatlich 861,51 DM und danach 880,62 DM. Nachdem die Klägerin von dieser Rentenbewilligung im Juni 1987 Kenntnis erlangt hatte, forderte sie den Beklagten auf, das für die Zeit vom 1. September 1986 bis 3. April 1987 gezahlte Krankentagegeld abzüglich der ihm für diesen Zeitraum zu erstattenden Versicherungsbeiträge zurückzuzahlen. Die Klägerin hat diese Rückforderung in ihrem Schreiben vom 29. Juni 1987 und im Prozeß damit begründet, daß das Versicherungsverhältnis gemäß § 15 Buchstabe a MB/KT 78 in Verbindung mit Satz 2 in Nr. 2 des unstreitig vereinbarten Tarifs V, Teil II A ("Nicht versicherungsfähig ist, wer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder Altersruhegeld bezieht") rückwirkend zum 31. August 1986 geendet habe.

3

Ihrer Klage auf Zahlung von 30.223,30 DM nebst Zinsen hat das Landgericht nur in Höhe von 14.311,08 DM nebst Zinsen stattgegeben. Es hat dabei den Beklagten für verpflichtet gehalten, die von der Klägerin um die jeweiligen Versicherungsbeiträge gekürzten Krankentagegeldzahlungen für den Zeitraum vom 27. Januar 1987 bis 3. April 1987 in voller Höhe zurückzuerstatten; für den davorliegenden Zeitraum vom 1. September 1986 bis zum 26. Januar 1987, dem Tag, an dem der Rentenbescheid der Landesversicherungsanstalt RheinlandPfalz der Ehefrau des Beklagten ausgehändigt wurde, hat es den Beklagten dagegen nur zu Rückzahlungen in Höhe der ihm rückwirkend bewilligten monatlichen Berufsunfähigkeitsrente auf Zeit als verpflichtet angesehen.

4

Die Berufung der Klägerin gegen die Teilabweisung ihrer Klage ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt sie den in Höhe von 15.912,22 DM aberkannten Rückzahlungsanspruch nebst 7% Zinsen seit 26. Januar 1988 weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist begründet.

6

1. Die Klägerin beruft sich auf den Vertragsbeendigungsgrund des

7

§ 15 Buchstabe a MB/KT 78; er lautet:

8

"Das Versicherungsverhältnis endet hinsichtlich der betroffenen versicherten Personen

9

a) bei Wegfall einer im Tarif bestimmten Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit zum Ende des Monats, in dem die Voraussetzung weggefallen ist. Besteht jedoch zu diesem Zeitpunkt in einem bereits eingetretenen Versicherungsfall Arbeitsunfähigkeit, so endet das Versicherungsverhältnis nicht vor dem Zeitpunkt, bis zu dem der Versicherer seine im Tarif aufgeführten Leistungen für diese Arbeitsunfähigkeit zu erbringen hat, spätestens aber drei Monate nach Wegfall der Voraussetzung."

10

Das Berufungsgericht meint, der Klägerin stehe der eingeklagte Anspruch nicht zu, selbst wenn zu ihren Gunsten davon auszugehen sein sollte, daß der Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente auf Zeit zu einer Vertragsbeendigung führe, was allerdings bedenklich sei. Darauf komme es hier jedoch nicht an. Bei der Berechnung, wann die Leistungspflicht der Klägerin geendet habe, sei nicht von dem Zeitpunkt der rückwirkend eingeräumten Rentenberechtigung des geklagten, dem 25. Mai 1986, auszugehen, sondern von dem Zeitpunkt, seit dem sich der Versicherungsnehmer auf diesen Rentenbezug in seiner Lebensführung habe einstellen können. Das sei erst der Fall, wenn er von der Rentenbewilligung Kenntnis erhalte. Sollte von einer wirksamen Zustellung des Rentenbescheides am 26. Januar 1987 auszugehen sein, so sei die Drei-Monats-Frist des 15 Buchstabe a MB/KT 78 bei Zahlungseinstellung am 4. April 1987 noch nicht abgelaufen gewesen. Die Klägerin könne deshalb nichts zurückfordern.

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2. Mit dieser Begründung hat das Berufungsurteil keinen Bestand. Sie widerspricht der in VersR 1988, 397 [OLG Saarbrücken 03.12.1986 - 5 U 7/86] veröffentlichten Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken und der Entscheidung des erkennenden Senates vom 25. Januar 1989 (IVa ZR 178/87 - VersR 1989, 392). Das hat das Berufungsgericht auch zur Zulassung der Revision veranlaßt.

12

Wäre die Regelung in § 15 Buchstabe a MB/KT 78 in Verbindung mit der genannten Tarifbestimmung unbedenklich (s. dazu aber unter 3.), so wäre das Vertragsverhältnis in dem Zeitpunkt beendet worden, von dem an der Beklagte rentenbezugsberechtigt war. Nicht abzustellen wäre dagegen darauf, wann er den Rentenbescheid zur Kenntnis nehmen konnte, und zwar auch nicht deshalb, weil der Bescheid, wie häufig, auch einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum umfaßt.

13

Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 MB/KT 78 hat der Krankentagegeldversicherer das vereinbarte Krankentagegeld nur für die Dauer einer Arbeitsunfähigkeit zu zahlen. Berufsunfähigkeit (in der Definition der MB/KT 78) und eine Arbeitsunfähigkeit, die einen Anspruch auf Krankentagegeldleistungen begründet, schließen sich gegenseitig aus (Grundsatz der Spezialität zwischen Krankentagegeld- und Berufsunfähigkeitsversicherung, s. Senatsurteil vom 25. Januar 1989 - IVa ZR 178/87 - VersR 1989, 392 = VVGE § 15 MB/KT Nr. 2), ferner Senatsurteil vom 12. Dezember 1990 - IV ZR 163/89 - VersR 1991, 451).

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Eine Rente wegen Berufsunfähigkeit bezieht nur, wer mit Erfolg geltend machen konnte, er sei berufsunfähig geworden. Von einem (auch rückwirkenden) Leistungsbescheid kann demnach kein Versicherungsnehmer überrascht werden. Die Versicherer haben sich in den MB/KT 78 verpflichtet, dann, wenn der Versicherungsfall Arbeitsunfähigkeit zunächst eingetreten war, über seine Fortdauer hinaus noch drei Monate lang die bisherige tägliche Leistung zu erbringen. Damit haben sie Umstellungsschwierigkeiten ihrer Vertragspartner angemessen Rechnung getragen. Diese hatten nämlich bereits zu dem Zeitpunkt, als sie ihren Antrag auf Bewilligung von Rente wegen Berufsunfähigkeit stellten, Anlaß, sich zu vergewissern, welchen Einfluß ein Erfolg des Antrags auf ihr Krankentagegeldversicherungsverhältnis hat.

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3. Das Berufungsgericht hält die Beendigung des Versicherungsvertrages für bedenklich, weil der Beklagte aufgrund seiner Vorerkrankung, sollte er eines Tages wieder als Klempner- und Installateurmeister arbeiten können, erneuten Versicherungsschutz bei einem Krankentagegeldversicherer (wenn überhaupt) nur gegen erhöhte Prämienzahlungen finden könne. Seine Zweifel sind begründet. Zwar ist der Senat in seinem Urteil vom 12. Juli 1989 (IVa ZR 201/88 - VersR 1989, 943 unter 3) zu dem Ergebnis gelangt, daß die in § 15 Buchstabe a MB/KT 78 in Verbindung mit der Tarifbestimmung vorgesehene Regelung - Vertragsbeendigung zu dem Zeitpunkt, von dem an der Versicherungsnehmer eine Rente auf Zeit wegen Berufsunfähigkeit bezieht - der Kontrolle gemäß §§ 3 und 9 AGBG standhält. Dabei ist jedoch nicht berücksichtigt worden, daß eine Krankentagegeldversicherung, die der sozialen Absicherung erwerbstätiger Personen dient, auch für denjenigen wieder existentielle Bedeutung erlangen kann, der zwar berufsunfähig geworden ist, dies aber nicht für den Rest seines Erwerbslebens bleibt. Er hat dann seinen Anspruch auf Rentenfortzahlung wegen Berufsunfähigkeit verloren und kann sich unter Umständen wieder der Gefahr neuerlicher Arbeitsunfähigkeit und damit des zeitweiligen Verdienstausfalles ausgesetzt sehen. Die vorangegangene endgültige Beendigung seines Krankentagegeldversicherungsverhältnisses wäre demnach nur unbedenklich, wenn er dann einen im wesentlichen gleichwertigen Versicherungsschutz erneut begründen könnte.

16

Das ist jedoch typischerweise nicht der Fall.

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a) Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 6. Juli 1983 - BGHZ 88, 78 - eine Klausel als nicht vereinbar mit §§ 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AGBG angesehen, nach der dem Krankentagegeldversicherer ein zeitlich unbegrenztes Kündigungsrecht zustehen sollte. Dabei war tragender Gesichtspunkt, daß erwerbstätige Personen, soweit sie nicht Sozialversicherungsschutz genießen, zu ihrer sozialen Absicherung auf eine Krankentagegeldversicherung angewiesen sind. Sie stellen mit zunehmendem Alter jedoch ein erhöhtes Risiko für den Versicherer dar, was im Falle eines Neuabschlusses ungünstige Eintrittskonditionen für sie zur Folge hat.

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b) Sehen Krankentagegeldversicherungsbedingungen eine Vertragsbeendigung vor, die weder auf einer Kündigung oder einer Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers noch auf einverständlichem Zusammenwirken von Versicherer und Versicherungsnehmer beruht, so ist bei einer Wirksamkeitskontrolle der getroffenen Regelung zu beachten: Krankheitsanfälligkeit und damit Schutzbedürftigkeit bezüglich der wirtschaftlichen Folgen dieser Anfälligkeit nehmen mit fortschreitendem Alter der betroffenen Personen typischerweise zu. Dem tragen die Krankentagegeldversicherer in ihrer Prämienkalkulation berechtigterweise auch Rechnung. Nicht zuletzt das Eintrittsalter ist ein maßgeblicher Kalkulationsfaktor. Es ist die Konsequenz dieses Systems, daß die Eintrittskonditionen mit zunehmendem Alter der zu versichernden Personen ungünstiger werden; außerdem kann es den Krankentagegeldversicherern nicht verwehrt werden, auf Risikoausschlüssen bezüglich der bei Vertragsabschluß bereits vorhandenen Gesundheitsschädigungen zu bestehen oder einen Vertragsschluß ihretwegen überhaupt abzulehnen. Hiermit muß in verstärktem Maße rechnen, wer bereits einmal wegen Berufsunfähigkeit Rente bezogen hat.

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c) Es ist deshalb ausschlaggebend, daß eine Rentenbewilligung wegen Berufsunfähigkeit noch nicht besagt, der betreffende Versicherungsnehmer könne nie wieder soweit gesunden, daß bei ihm die bedingungsgemäßen Voraussetzungen für einen Rentenbezug wegen Berufsunfähigkeit entfallen. Eine Rentenbewilligung läßt vielmehr die Möglichkeit offen, daß der Bezugsberechtigte wieder ins Erwerbsleben zurückkehren kann und damit erneut der Gefahr von Arbeitsunfähigkeit und ihren wirtschaftlichen Folgen ausgesetzt ist. Diese Möglichkeit läßt sich nicht als extreme und damit vernachlässigbare Ausnahme abtun (zumal auch Fehlbeurteilungen bei der Feststellung von Berufsunfähigkeit nicht auszuschließen sind) schon gar nicht in Fällen, wie dem vorliegenden, in dem nur eine Rente auf Zeit bewilligt wurde. Eine andere Beurteilung stünde auch im Widerspruch damit, daß sich die Berufsunfähigkeitsversicherer aufgrund ihrer Erfahrungen in den Versicherungsbedingungen eine jährliche Überprüfung des Gesundheitszustandes rentenberechtigter Versicherungsnehmer ausbedingen und sich die Berechtigung vorbehalten, ihre bisherigen Leistungen etwaigen Gesundheitsbesserungen anzupassen.

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Für denjenigen, der in Zukunft möglicherweise wieder auf den Schutz einer Krankentagegeldversicherung angewiesen ist, bedeutet die endgültige und ersatzlose Beendigung einer einmal begründeten Krankentagegeldversicherung eine empfindliche Beeinträchtigung seiner Position in rechtlicher wie wirtschaftlicher Hinsicht. Daß sie ihm aufgezwungen wird, ist nicht mit dem Vertragszweck einer Krankentagegeldversicherung zu vereinbaren. Der Versicherungsnehmer verliert damit die Chance, sich erforderlichenfalls wieder sachgerecht in einer Krankentagegeldversicherung versichern zu können.

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d) Eine den Versicherungsnehmer derart belastende Regelung erfordern die berechtigten Belange der Krankentagegeldversicherer nicht. Ihren schutzwürdigen Interessen wäre ausreichend Rechnung getragen, wenn sie den Versicherungsnehmern für die Dauer eines Rentenbezuges wegen Berufsunfähigkeit eine Umwandlung des Versicherungsverhältnisses in eine sogenannte Ruhens- oder Anwartschaftsversicherung zu angepaßten Beiträgen und bei Wegfall der Rentenbezugsberechtigung die Fortsetzung des alten Versicherungsverhältnisses anbieten würden. Der Versicherungsnehmer wäre damit hinreichend geschützt, denn ihm bliebe die Entscheidung überlassen, ob er für einen etwaigen Fall erneuter Arbeitsunfähigkeit vorsorgen will.

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Mit der statt dessen in § 15 Buchstabe a MB/KT 78 in Verbindung mit der genannten Tarifbestimmung vorgesehenen endgültigen Vertragsbeendigung ist die Klägerin zu weit gegangen. Die Folge ist die Unwirksamkeit dieser Regelung gemäß § 9 Abs. 1 mit Abs. 2 Nr. 2 AGBG.

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4. Damit läßt sich ein Rückgewähranspruch der Klägerin nicht aus

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§ 11 Satz 2 MB/KT 78 herleiten; die Klausel regelt lediglich die geschuldete Rückabwicklung für den Fall, daß nach einer Vertragsbeendigung noch beiderseits Leistungen erbracht wurden. Daran fehlt es hier.

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5. Die Klägerin kann den noch streitigen Teilbetrag ihrer Leistungen trotzdem zurückfordern.

26

a) Die Unwirksamkeit der erörterten Vertragsbeendigung berührt den übrigen Bestand des Versicherungsvertrages nicht, § 6 Abs. 1 AGBG. Gemäß § 6 Abs. 2 AGBG richtet sich der Inhalt des Vertrages, soweit durch unwirksame Klauseln Lücken entstehen, vorrangig nach vorhandenen gesetzlichen Vorschriften. Das Versicherungsvertragsgesetz enthält jedoch keine Bestimmungen, die hier zur Lückenfüllung herangezogen werden könnten. Es stellt sich damit die Frage, ob eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht kommt.

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b) In Fällen, in denen eine Lücke in vorformulierten Verträgen nicht auf Einbeziehungs- oder Inhaltskontrollschranken des AGB-Gesetzes beruht, wird in Rechtsprechung und Lehre die ergänzende Vertragsauslegung für zulässig erachtet (vgl. nur BGHZ 92, 363, 370;  103, 228, 234: Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz 6. Aufl. § 6 Rdn. 31; Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz 2. Aufl. § 5 Rdn. 22).

28

c) Gleiches gilt für die ergänzende Vertragsauslegung im Falle der Unwirksamkeit einer Klausel in einem vorformulierten Vertrag. Hierzu hatte der Bundesgerichtshof unter anderem in seinem Urteil vom 1. Februar 1984 (BGHZ 90, 69[BGH 01.02.1984 - VIII ZR 54/83]) Stellung zu nehmen. Eine Ersetzung der gemäß § 9 AGBG unwirksamen Tagespreisklausel in Neufahrzeug-Verkaufsbedingungen durch dispositive gesetzliche Bestimmungen kam nicht in Betracht. Damit blieb der mit dem Vertragsschluß von den Parteien verfolgte Regelungsplan "vervollständigungsbedürftig". Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat es nicht als Hindernis für eine Lückenschließung durch ergänzende Vertragsauslegung angesehen, daß es sich nicht um eine "Unvollständigkeit im Willen oder in der Erklärung der Parteien, sondern um den Wegfall einer unwirksamen Klausel" handelte. Wenn dispositives Gesetzesrecht im Sinne konkreter materiell-rechtlicher Regelungen nicht zur Verfügung stehe und die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel keine angemessene, den typischen Interessen des Klauselverwenders und des Kunden Rechnung tragende Lösung biete, trete diejenige Gestaltungsmöglichkeit ein, die die Parteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre.

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Dieser Rechtsstandpunkt ist in der Folgezeit aufrechterhalten worden (vgl. z.B. BGH, Urteile vom 31. Oktober 1984 - VIII ZR 220/83 - NJW 1985, 621 [BGH 31.10.1984 - VIII ZR 220/83] unter 3; vom 28. Februar 1985 - IX ZR 92/84 - NJW 1985, 2585 unter 4 e; vom 12. Juli 1989 - VIII ZR 298/88 - NJW 1990, 115 [BGH 12.07.1989 - VIII ZR 297/88] unter III 1).

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d) Für das Versicherungsvertragsrecht ist es typisch, daß im Falle einer Klauselunwirksamkeit nach dem AGB-Gesetz dispositive Gesetzesbestimmungen nicht zur Verfügung stehen, so daß das Regelungsgefüge eine Lücke aufweist. Eine ergänzende Vertragsauslegung wird in derartigen Fällen in der Literatur befürwortet (vgl. Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz 6. Aufl. § 6 Rdn. 34, 34a, 35; Brandner, ebenda Anh. §§ 9 - 11 Rdn. 856; Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz 2. Aufl. § 5 Rdn. 23). Auch der erkennende Senat hält sie grundsätzlich für zulässig.

31

Allerdings ist besonders darauf zu achten, daß sie nicht zu einer Erweiterung des Vertragsgegenstandes führt (vgl. dazu BGHZ 77, 301, 304[BGH 25.06.1980 - VIII ZR 260/79] m.w.N.). Außerdem ist es gemäß § 6 Abs. 3 AGBG notwendig, daß sich feststellen läßt, für den Versicherer sei es unzumutbar, an dem lückenhaften Vertrag festgehalten zu werden. Andererseits muß der ergänzte Vertrag für den Versicherungsnehmer typischerweise von Interesse sein.

32

6. Der Senat vertritt die Ansicht, daß es über den Schutzzweck einer Versicherung, der die MB/KT 78 zugrunde liegen, hinausginge, dem Versicherten einen Anspruch auf Krankentagegeldzahlungen auch für den Zeitraum zuzugestehen, in dem er eine Rente wegen Berufsunfähigkeit bezieht (s. oben unter 2.). Der Anspruch auf Krankentagegeld ist in dem Leistungsversprechen, das § 1 MB/KT 78 enthält, ausschließlich an Eintritt und Fortdauer von bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit geknüpft. Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit sind unterschiedliche Arten einer gesundheitlich bedingten Beeinträchtigung und schließen einander - jedenfalls typischerweise - aus. Niemand kann deshalb erwarten, daß er aus ärztlicher Sicht, auf die in den Bedingungswerken für Krankentagegeld- wie Berufsunfähigkeitsversicherungen und ebenso im Sozialversicherungsrecht abgestellt zu werden pflegt, als arbeits- und zugleich berufsunfähig beurteilt wird. Die Krankentagegeldversicherung soll nur den Schaden ausgleichen, der im Falle von Arbeitsunfähigkeit durch Verdienstentgang entsteht, nicht aber Schäden, die darauf beruhen, daß eine wegen Berufsunfähigkeit gezahlte Rente einen Verdienstausfall nicht in der Höhe abdeckt, wie es Krankentagegeldzahlungen vermöchten. Durch Berufsunfähigkeit entstehende Schutzbedürftigkeit ist von vornherein nicht Gegenstand einer Krankentagegeldversicherung.

33

Deshalb wäre es planwidrig und zugleich eine unzumutbare Härte für Krankentagegeldversicherer, wenn sie wegen Berufsunfähigkeit Rentenberechtigten nur deshalb weiterhin Krankentagegeld schuldeten, weil die Klausel zur Vertragsbeendigung unwirksam ist, aus der sie die Zahlungsverweigerung oder das Rückforderungsrecht herleiten. Andererseits bleiben alle in einer Krankentagegeldversicherung schützenswerten Belange des Versicherungsnehmers auch dann gewahrt, wenn er Krankentagegelder, die während seiner Rentenbezugsberechtigung gezahlt worden sind, nicht behalten darf bzw. für diesen Zeitraum Krankentagegeld von vornherein nicht erhält.

34

Es läßt sich deshalb feststellen, daß die Parteien, wäre ihnen die Unwirksamkeit der Vertragsbeendigung bewußt gewesen, bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Regelung getroffen hätten, die diese Lücke ausfüllt. Sie hätten redlicherweise vereinbart, daß der Versicherer mit der bloßen Berufung auf einen tatsächlichen Rentenbezug nicht nur die Leistung (im bereits eingetretenen Versicherungsfall spätestens nach Ablauf der Drei-MonatsFrist) verweigern kann, sondern auch in Unkenntnis des Rentenbezugs erbrachte Leistungen zurückfordern darf.

35

7. Aufgrund dieser ergänzenden Vertragsauslegung ist die Klägerin berechtigt, den Klagebetrag zurückzufordern. Der Beklagte beruft sich zwar auf den Wegfall seiner Bereicherung. Mit diesem Einwand dringt er jedenfalls deshalb nicht durch, weil er eine Entreicherung nicht hinreichend substantiiert vorgetragen hat.