Bundesgerichtshof
Urt. v. 10.12.1991, Az.: XI ZR 119/91
Kundenbelastende Zinsberechnung; Zinsberechnungsklausel; Vertragsklausel; Transparenzgebot; Transparenz; AGB; Inhaltskontrolle
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 10.12.1991
- Aktenzeichen
- XI ZR 119/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1991, 14221
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 9 AGBG
Fundstellen
- BB 1992, 230-231 (Volltext mit amtl. LS)
- DB 1992, 1569-1570 (Volltext mit amtl. LS)
- LM H. 8 / 1992 § 9 (Bl) AGBG Nr. 41
- MDR 1992, 368 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1992, 1108-1109 (Volltext mit amtl. LS)
- WM 1992, 218-219 (Volltext mit amtl. LS)
- ZBB 1992, 59
- ZIP 1992, 105-106 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Zur Frage, welche Anforderungen eine kundenbelastende Zinsberechnungsklausel erfüllen muß, um dem Transparenzgebot nach § 9 AGBG zu genügen.
Tatbestand:
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der nach seiner Satzung Verbraucherinteressen vertritt. Die beklagte Bank verwendete bis Dezember 1986 bei Abschluß von Darlehensverträgen in ihren vorformulierten Bedingungen unter II Abs. 4 folgende Klausel:
"Die Zinsen werden im Kalenderjahr der Auszahlung aus dem Darlehensbetrag und in den Folgejahren aus dem Kapitalbetrag per 31.12. des Vorjahres berechnet. Die in den Monatsraten enthaltenen Tilgungsanteile werden nur zum Schluß des Kalenderjahres auf die Darlehensschuld verrechnet."
Unter IV der Bedingungen ist die Rückzahlung des Darlehens in gleichbleibenden Monatsraten geregelt.
Der Kläger hält die Klausel in II Abs. 4 wegen eines Verstoßes gegen § 9 AGBG für unwirksam, weil die Zinsberechnung für den Durchschnittskunden nicht genügend transparent sei. Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hat die Beklagte mit der Begründung verweigert, die beanstandete Klausel sei ausreichend verständlich.
Auf die Klage nach § 13 AGBG hat das Berufungsgericht der Beklagten untersagt, in bezug auf Darlehensverträge, die nach dem 1. April 1977 abgeschlossen worden sind, gegenüber Nichtkaufleuten die beanstandete oder eine inhaltsgleiche AGB-Klausel zu verwenden oder sich bei Abwicklung von Darlehensverträgen darauf zu berufen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat die streitige Zinsberechnungsklausel für unwirksam erachtet. Zur Begründung hat es auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Transparenzgebot verwiesen (BGHZ 106, 42 ff. [BGH 24.11.1988 - III ZR 188/87]; 112, 115 ff.) und ausgeführt: Da von der Beklagten kein Effektivzins angegeben worden sei, habe der Durchschnittskunde die zinssteigernde Wirkung der Zinsberechnungsklausel nicht hinreichend klar erkennen können. Das gelte insbesondere deshalb, weil die Zinsberechnungsklausel zusammen mit der Klausel über die Verrechnung der in den Monatsraten enthaltenen Tilgungsanteile entgegen der Erwartung des Durchschnittskunden zu einer Weiterverzinsung bereits getilgter Schuldbeträge führe.
II.
Das angefochtene Urteil ist zutreffend. Die streitige AGB-Regelung hält wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot der Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 AGBG nicht stand.
1. In der von der Beklagten vorformulierten Schuldurkunde war nur der Nominalzins, nicht aber der Effektivzins angegeben. Deshalb mußte die Beklagte, wie das Berufungsgericht mit Recht ausgeführt hat, AGB-Klauseln mit zinserhöhender Wirkung so formulieren, daß auch der Durchschnittskunde diese ihn belastende Wirkung klar erkennt, zumal die hier streitige Regelung im Ergebnis zu einer Weiterverzinsung bereits getilgter Schuldbeträge führt.
Es bleibt Aufgabe des Kunden, zwischen der Zinsberechnung und der Tilgungsverrechnung einen inneren Zusammenhang herzustellen und zu erkennen, daß die Tilgungsverrechnungsklausel die unausgesprochene Konsequenz hat, daß der Darlehensnehmer bereits getilgte Schuldbeträge bis zum Jahresende weiter verzinsen muß (vgl. BGHZ 112, 115, 120 f.), und damit zu einer gegenüber dem Nominalzins höheren Verzinsung führt. Daran ändert auch der der Zinsberechnungsklausel nachgestellte Satz nichts, weil auch er die zinserhöhende Wirkung mangels sachlicher Verzahnung nicht augenfällig macht.
Im Gegensatz zur Ansicht der Revision steht das Urteil des Senats vom 9. Juli 1991 - XI ZR 72/90 - (WM 1991, 1452, 1455 [BGH 09.07.1991 - XI ZR 72/90] unter V.) der Annahme eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot nicht entgegen. In der dort zu beurteilenden Klausel war ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sich Tilgungsbeträge nicht sofort, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt in der Zinsberechnung auswirken. Daran fehlt es hier.
2. Daß eine intransparente AGB-Klausel im Verbandsklageverfahren nach § 13 AGBG verboten werden kann, hat der Senat in seinem Urteil vom 15. Oktober 1991 - XI ZR 192/90 (WM 1991, 1944 ff. [BGH 15.10.1991 - XI ZR 192/90]) entschieden.
3. Auch daß das Berufungsgericht das Verwendungsverbot umfassend und nicht auf die Abwicklung von Altverträgen beschränkt ausgesprochen hat, ist zutreffend (vgl. Senatsurteil vom 15. Oktober 1991 aaO.). Die Wiederholungsgefahr ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte die Wiedereinführung der bei Neuverträgen nicht mehr verwendeten Klausel nach ihrer Erklärung nicht beabsichtigt. Sie hat die Zulässigkeit der Klausel im Streit um die Altverträge bis zuletzt verteidigt und auch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abgelehnt. Die bloße Absichtserklärung der Beklagten bietet keine hinreichende Gewähr gegen eine erneute Verwendung der Klausel aufgrund veränderter Überlegungen oder Umstände.