Bundesgerichtshof
Urt. v. 04.11.1991, Az.: II ZR 26/91
Konkubinat; Gesellschaftsvertrag; Nichteheliche Lebensgemeinschaft; Eigentumswohnung; Vermögenswert; Beiträge
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 04.11.1991
- Aktenzeichen
- II ZR 26/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1991, 14066
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- DB 1992, 630 (Volltext mit amtl. LS)
- DStR 1992, 475 (Volltext mit red. LS)
- FamRZ 1992, 408-409 (Volltext mit amtl. LS)
- FuR 1992, 171-172 (red. Leitsatz mit Anm.)
- JurBüro 1992, 529 (Kurzinformation)
- MDR 1992, 679 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1992, 906-907 (Volltext mit amtl. LS)
- WM 1992, 610-612 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Zur Frage, wie nach Auflösung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wesentliche Beiträge eines Partners zu behandeln sind, mit denen ein Vermögenswert von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung (hier: Eigentumswohnung) geschaffen wurde, dessen Alleininhaber der andere Partner ist (Ergänzung zu BGHZ 77, 55, 57 = NJW 1980, 1520 = LM § 426 BGB Nr. 51 L).
Tatbestand:
Die Parteien zogen zu einer Zeit, als beide noch verheiratet waren, gemeinsam in eine Wohnung, welche die Klägerin mit notariellem Kaufvertrag vom 27. Oktober 1987 erworben hatte. In diesem Vertrag ist ein Kaufpreis von 195.000,-- DM ausgewiesen. Dieser Kaufpreis wurde in Höhe von 75.000,-- DM von dem Beklagten über ein auf den Namen der Klägerin bei der Sparkasse eingerichtetes Konto und in Höhe von 120.000,-- DM aus einem Bankkredit entrichtet, dessen Tilgung die Klägerin übernommen hat. Von dem Konto, auf das der Beklagte insgesamt mindestens 103.619,48 DM eingezahlt hatte, wurden auch verschiedene mit der Wohnung zusammenhängende Aufwendungen für Notariats- und Gerichtskosten sowie für das Inventar beglichen.
Die Klägerin hat dem Beklagten am 10. Februar 1988 ein Darlehen über 5.000,-- DM und am 1. Juli 1988 ein Darlehen über 40.000,-- DM gewährt. Der Beklagte hat sich verpflichtet, ihr die dabei entstandenen Unkosten in Höhe von 771,74 DM zu erstatten. Die Klägerin hat ferner behauptet, sie habe dem Beklagten am 19. Juni 1988 ein weiteres Darlehen über 20.000,-- DM gewährt. Die Ehe der Klägerin ist inzwischen geschieden. Der Beklagte ist zu seiner Familie zurückgekehrt. Die Klägerin wohnt weiterhin in der Wohnung.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage von dem Beklagten die Rückzahlung der genannten Darlehen in Höhe von insgesamt 65.771,74 DM gefordert. Der Beklagte hat mit verschiedenen Posten aufgerechnet und Widerklage erhoben. Mit Teilurteil vom 2. Juni 1989 hat das Landgericht die Klage hinsichtlich des Darlehens über 20.000,-- DM abgewiesen. Mit seinem Schlußurteil vom 3. November 1989 hat es auch die restliche Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage verurteilt, 48.847,64 DM zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil zurückgewiesen und das Schlußurteil dahin abgeändert, daß die Klägerin auf die Widerklage 29.228,26 DM zu zahlen hat.
Mit der Revision, die sich nur gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts über das Schlußurteil richtet, verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag in Höhe von 45.771,74 DM und ihren Abweisungsantrag hinsichtlich der Widerklage weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit es um die Berufung der Klägerin gegen das Schlußurteil des Landgerichts vom 3. November 1989 geht.
Das Berufungsgericht geht davon aus, daß dem Beklagten gegen die Klägerin unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten ein Anspruch auf Rückzahlung der für den Kauf der Eigentumswohnung aufgewendeten 75.000,-- DM zustehe; hiervon seien 45.771,14 DM durch Aufrechnung erloschen, so daß der Restbetrag von 29.228,26 DM dem Beklagten auf seine Widerklage hin zuzusprechen sei. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben im Ergebnis Erfolg.
I. Soweit das Berufungsgericht es ablehnt, den von dem Beklagten für den Kauf der Wohnung aufgebrachten Betrag von 75.000,-- DM als Schenkung zu bewerten, sind die Rügen der Revision allerdings unbegründet.
Richtig ist, daß die Prozeßbevollmächtigten der Parteien die Zuwendungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 30. Juni 1989 ausdrücklich und übereinstimmend als "Schenkungen" bezeichnet haben. Hierin liegt jedoch kein Geständnis im Sinne des § 288 Abs. 1 ZPO. Zwar können Rechtsbegriffe oder Rechtsverhältnisse als inhaltlich tatsächliches Vorbringen angesehen werden, wenn sie einfach und allgemein bekannt sind. In solchen Fällen ist ihre Einführung in den Prozeß ihrer Zerlegung in die einzelnen Elemente gleich zu achten, so daß ein Geständnis das Gericht hindert, die Wahrheit eines solchen Vorbringens zu prüfen (vgl. Sen.Urt. v. 7. Juli 1986 - II ZR 167/85, BGHR ZPO § 288 Abs. 1 - Rechtsbegriff 1). Es kann auf sich beruhen, ob es sich bei dem Rechtsbegriff der Schenkung in der Regel um einen solchen einfachen Begriff handelt. Das ist jedenfalls für einen Sachverhalt, wie er hier zu beurteilen ist, zu verneinen. Es ist äußerst umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen Zuwendungen, die im Rahmen von nichtehelichen Lebensgemeinschaften zur Schaffung bleibender Vermögenswerte erbracht werden, unter den Rechtsbegriff der Schenkung im Sinne der §§ 516 ff. BGB fallen. Daher ist zumindest im vorliegenden Fall der Begriff der Schenkung einem Geständnis nicht zugänglich, zumal der Vortrag der Parteien über den Zweck der Zuwendung nicht übereinstimmt.
II. Die Revision ist jedoch begründet, weil der bereicherungsrechtliche Ansatz des Berufungsgerichts den Besonderheiten des Falles nicht Rechnung trägt.
1. Die Parteien lebten in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Bei einer solchen Gemeinschaft stehen die persönlichen Beziehungen derart im Vordergrund, daß sie auch das die Gemeinschaft betreffende vermögensmäßige Handeln der Partner bestimmen und daher nicht nur in persönlicher, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht keine Rechtsgemeinschaft besteht. Wenn die Partner nicht etwas besonderes unter sich geregelt haben, werden dementsprechend persönliche und wirtschaftliche Leistungen nicht gegeneinander aufgerechnet (BGHZ 77, 55, 58). Ein Ausgleichsanspruch nach den Vorschriften über die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft kann allerdings bestehen, wenn die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten einen entsprechenden Gesellschaftsvertrag geschlossen haben. Auch wenn ein ausdrücklich oder stillschweigend geschlossener Gesellschaftsvertrag nicht vorliegt, bejaht der Senat die Möglichkeit, im Bereich der nichtehelichen Lebensgemeinschaften unter Umständen gesellschaftsrechtliche Grundsätze anzuwenden. Das gilt u.a. für den Fall, daß beide Partner in nichtehelicher Lebensgemeinschaft durch gemeinsame Leistungen zum Bau und zur Erhaltung eines zwar auf den Namen des einen Partners eingetragenen, aber als gemeinsames Vermögen betrachteten Anwesens beigetragen hatten (BGHZ 77, 55, 56; 84, 388, 390 f.; Sen.Urt. v. 1. April 1965 - II ZR 182/62, WM 1965, 793; v. 2. Mai 1983 - II ZR 148/82, WM 1983, 840, 841 = NJW 1983, 2375 [BGH 02.05.1983 - II ZR 148/82]; v. 24. Juni 1985 - II ZR 255/84, WM 1985, 1268). Mindestvoraussetzung dafür, derartige Regeln in Betracht zu ziehen, ist aber, daß die Parteien überhaupt die Absicht verfolgt haben, mit dem Erwerb des Vermögensgegenstandes einen - wenn auch nur wirtschaftlich - gemeinschaftlichen Wert zu schaffen, der von ihnen für die Dauer der Partnerschaft nicht nur gemeinsam benutzt werden würde, sondern ihnen nach ihrer Vorstellung auch gemeinsam gehören sollte (BGHZ 77, 55, 56 f.; 84, 388, 390; Sen.Urt. v. 23. Februar 1981 - II ZR 124/80, LM BGB § 705 Nr. 32 = NJW 1981, 1502 = WM 1981, 526, 527; v. 2. Mai 1983 - II ZR 148/82, aaO.; v. 24. Juni 1985 - II ZR 255/84, aaO.; BGH, Urt. v. 10. Januar 1985 - III ZR 93/83, NJW 1985, 1841).
2. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats spricht es gegen die Absicht der Partner, mit dem Erwerb eines Vermögensgegenstandes, insbesondere eines Baugrundstücks oder Familienhauses, einen gemeinschaftlichen Wert zu schaffen, wenn der eine Partner zwar (ebenfalls) Leistungen für den Erwerb erbringt, der andere Partner aber Alleineigentümer wird (BGHZ 77, 55, 57; Sen.Urt. v. 2. Mai 1983 - II ZR 148/82, aaO.); der Umstand, daß der Partner, der nicht Eigentümer wird, zum Erwerb in erheblichem Umfang beigetragen hat, vermöge für sich allein hieran grundsätzlich nichts zu ändern (Sen.Urt. v. 2. Mai 1983 - II ZR 148/82, aaO.). Diese Rechtsprechung ist auf Kritik gestoßen (vgl. Lieb, Gutachten A zum 57. Dt. Juristentag, S. 32; Hausmann, Nichteheliche Lebensgemeinschaften und Vermögensausgleich, 1989, S. 601 ff.). Ihr ist darin zuzustimmen, daß für Partner, die mit dem Erwerb eines Vermögensgegenstandes einen wirtschaftlich gemeinsamen Wert schaffen wollen, der ihnen nach ihrer Vorstellung auch gemeinsam gehören soll, die formal-dingliche Zuordnung dieses Gegenstandes nach außen aus verschiedenen Gründen in den Hintergrund treten kann. Die Position des Alleineigentümers kann infolgedessen nicht in jedem Falle als ausschlaggebendes Indiz gegen eine - wirtschaftlich gesehen - gemeinschaftliche Wertschöpfung herangezogen werden. Soweit sich die Absicht der gemeinschaftlichen Wertschöpfung nicht bereits aus den getroffenen Absprachen (vgl. BGHZ 45, 258, 261) oder etwa aus Äußerungen des dinglich allein berechtigten Partners gegenüber Dritten (vgl. BGHZ 84, 388, 390) zweifelsfrei ergibt, können im Rahmen einer Gesamtwürdigung jedenfalls bei Vermögenswerten von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, wozu in der Regel auch ein gemeinsam erworbenes oder erbautes Haus oder eine gemeinsam gekaufte Eigentumswohnung zählen (vgl. Hausmann, aaO. S. 600), wesentliche Beiträge des Partners, der nicht (Mit-)Eigentümer ist, einen Anhaltspunkt für eine gemeinschaftliche Wertschöpfung bilden. Ob das der Fall ist und welche Beiträge im einzelnen eine solche Annahme nahelegen, läßt sich nur von Fall zu Fall entscheiden und hängt insbesondere von der Art des geschaffenen Vermögenswertes und den finanziellen Verhältnissen der beiden Partner in der konkreten Lebensgemeinschaft ab (vgl. Hausmann, aaO. S. 600, 604).
III. Unter diesen Gesichtspunkten muß der Sachverhalt tatrichterlich neu beurteilt werden. Damit die Parteien Gelegenheit erhalten, hierzu Stellung zu nehmen, und die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.