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Bundesgerichtshof
Urt. v. 30.10.1991, Az.: VIII ZR 9/91

Gegenseitiger Vertrag; Nachfrist; Lieferverzug; Schuldnerverzug; Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung; Schadensersatz wegen Nichterfüllung; Verzug; Rücktritt vom Vertrag

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
30.10.1991
Aktenzeichen
VIII ZR 9/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1991, 14686
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BB 1992, 92 (Volltext mit amtl. LS)
  • DB 1992, 373 (Volltext mit amtl. LS)
  • LM H. 6 / 1992 § 326 (C) BGB Nr. 9
  • MDR 1992, 344 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1992, 235 (Volltext mit amtl. LS)
  • WM 1992, 66-68 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZIP 1992, 46-47 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Die Äußerung des in Lieferverzug geratenen Verkäufers, er wisse nicht, wann er den bei einem Vorlieferanten bestellten Kaufgegenstand dem Käufer übergeben könne, macht eine mit Ablehnungsandrohung verbundene Nachfristsetzung nicht entbehrlich.

Tatbestand:

1

Am 29. März 1989 kaufte der Kläger beim Beklagten eine in der Vertragsurkunde näher bezeichnete Motoryacht mit Trailer zum Preise von 42.500 DM. Das Boot, das der Beklagte, wie dem Kläger bekannt war, aus den USA importieren mußte, sollte in "ca. 8 - 10 Wochen" geliefert werden. Zur Übergabe des Bootes war der Beklagte erst am 5. August 1989 bereit und in der Lage. Der Trailer stand im Juli 1989 zur Verfügung.

2

Ebenfalls am 29. März 1989 beauftragte der Kläger den Beklagten damit, den Verkauf seines Pkws zu vermitteln. Im Vertragstext ist als untere Preisgrenze der Betrag von 65.000 DM angegeben. Die Differenz zum Kaufpreis für die Motoryacht, 22.500 DM, zahlte der Beklagte dem Kläger am 30. März 1989 aus.

3

Mit Schreiben vom 26. Juli 1989 teilte der Kläger dem Beklagten mit, da er bis heute keine Nachricht erhalten habe, bis wann das bezahlte Boot ausgeliefert werde, sehe er sich gezwungen, den Bootskauf vom 29. März 1989 zu kündigen. Hierzu hält der Kläger sich für berechtigt, weil der Beklagte auf mehrere Anfragen wegen der Lieferung erklärt habe, er könne nicht sagen, wann das Boot komme und wann es ausgeliefert werde. Dem Beklagten, der gewußt habe, daß die Yacht für den Familienurlaub im Juli 1989 genutzt werden sollte, habe er bei einem Besuch am 13. Juli 1989 gesagt, er solle ihm bis zum 20. Juli ein Boot besorgen. Diese Frist sei ebenso verstrichen, wie anschließende dringliche telefonische Mahnungen seines Schwagers bis zum 26. Juli 1989 nichts gefruchtet hätten.

4

Der Kläger hat Rückzahlung des Kaufpreises von 42.500 DM und Leistung eines Betrages von 5.000 DM aus dem Vermittlungsauftrag verlangt. Das Landgericht hat die Klage ganz abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises verurteilt. Mit der Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt der Beklagte das Ziel vollständiger Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

5

1. Das Berufungsgericht meint, der Kläger habe gemäß § 326 BGB den Bootskaufvertrag "wirksam kündigen" können, so daß der Beklagte gemäß §§ 346, 347 BGB zur Rückgabe des Kaufpreises von 42.500 DM verpflichtet sei. Nach dem Inhalt des schriftlichen Kaufvertrages habe der Kläger mit der Auslieferung des bestellten Bootes in der ersten Juni-Hälfte 1989 rechnen dürfen. Spätestens Anfang Juli habe er erwarten können, daß ihm der Beklagte einen genauen Liefertermin mitteilen werde. Das tatsächliche Verhalten des Klägers am 13. Juli 1989 könne - entgegen der Ansicht des Landgerichts - nur so verstanden werden, daß er den Beklagten zur Erbringung der nach dem Kaufvertrage geschuldeten Leistung aufgefordert, ihn also in Verzug gesetzt habe. Die hierfür notwendige Bestimmtheit und Endgültigkeit sei nicht dadurch entfallen, daß die Parteien über Ersatzlösungen gesprochen hätten.

6

Die Ausführungen der Vorinstanz zur Fälligkeit der vom Beklagten geschuldeten Leistung und zur Begründung des Schuldnerverzuges durch Mahnung greift die Revision nicht an. Sie halten sich in den Grenzen tatrichterlichen Ermessens. Aus Rechtsgründen sind sie nicht zu beanstanden.

7

2. Weitere Voraussetzung für einen wirksamen Rücktritt vom Kaufvertrag gemäß § 326 Abs. 1 BGB ist, daß der Gläubiger dem Schuldner eine Nachfrist zur Erfüllung setzt und ihm für den Fall fruchtlosen Verstreichens die Ablehnung der Erfüllung androht. Das hat das Berufungsgericht gesehen, indessen gemeint, einer Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung habe es im vorliegenden Falle nicht bedurft, weil der Beklagte sich beharrlich geweigert habe, dem Kläger einen genauen Liefertermin zu nennen. Daran hätte sich auch dann nichts geändert, wenn der Kläger ihm insoweit eine Nachfrist gesetzt hätte, denn der Beklagte habe selbst vorgetragen, daß er nicht gewußt habe, wann sein Lieferant aus den USA das Boot anliefern werde. Dem Kläger habe es erlaubt sein müssen, vor Antritt des Urlaubs "sich Klarheit durch eine Kündigung des Kaufvertrages zu verschaffen". Er habe nicht das Risiko eingehen müssen, daß nach Urlaubsbeginn ihm der Beklagte noch am 5. August 1989 das Boot wirksam anbieten könne.

8

Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

9

Klarheit über das rechtliche Schicksal der Erfüllungsansprüche aus dem Bootskaufvertrag hätte der Kläger nach der gesetzlichen Regel des § 326 Abs. 1 BGB durch Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung schaffen können und müssen.

10

Eine Nachfristsetzung ist nur dann entbehrlich, wenn der Schuldner sich beharrlich weigert, die Leistung zu erbringen. In einem solchen Falle entbehrt die Nachfristsetzung ihres Sinnes, dem Schuldner die letzte zeitliche Gelegenheit zu vertragsgerechtem Verhalten einzuräumen. Im vorliegenden Falle hat der Beklagte sich nicht beharrlich geweigert, das Boot zu liefern. Das sieht auch das Berufungsgericht nicht anders. Er hat sich aber auch nicht, wie es im angefochtenen Urteil heißt, beharrlich geweigert, einen genauen Liefertermin zu nennen, sondern erklärt, er könne hierzu keine exakten Angaben machen, weil er nicht wisse, wann der Hersteller in den USA das Boot anliefern werde. Gerade in.diesem Punkt unterscheidet sich der Streitfall der Parteien von dem Sachverhalt, der den Urteilen des erkennenden Senats vom 28. Juni 1957 - VIII ZR 260/56 (= WM 1957, 1343, 1344) und vom 19. September 1983 - VIII ZR 84/82 (= WM 1983, 1153, 1155) zugrunde gelegen hat. In jenen beiden Fällen hat der Schuldner dem Gläubiger gegenüber erklärt, er könne in der von diesem in Aussicht genommenen Nachfrist nicht liefern. Die Äußerung des Schuldners, innerhalb angemessener Nachfrist die Leistung keinesfalls erbringen zu können, steht in der Tat einer Leistungsverweigerung gleich. Steht von vornherein fest, daß die Nachfrist erfolglos verstreichen wird, so wäre es reiner Formalismus, auf der Fristsetzung zu bestehen, um das Erlöschen der beiderseitigen Erfüllungsansprüche aus dem Kaufvertrag herbeizuführen und das Wahlrecht des Gläubigers zwischen Rücktritt und Schadensersatz wegen Nichterfüllung entstehen zu lassen. Erklärt der Schuldner dagegen lediglich, wie hier der Beklagte, wegen der eigenen Abhängigkeit von einem Vorlieferanten nicht zu wissen, ob er innerhalb der Nachfrist werde liefern können, so steht nicht von vornherein fest, daß die Bestimmung einer Nachfrist auf leere Förmelei hinausläuft. Im Interesse der Rechtssicherheit, aber auch im Interesse des Schuldners, dem vor Augen geführt werden soll, daß nach fruchtlosem Ablauf der mit einer Ablehnungsandrohung verknüpften Frist die Erfüllung des Vertrages nicht mehr verlangt werden kann, ist bei derartiger Fallgestaltung die Nachfristsetzung unentbehrlich. Gerade bei Abhängigkeit des Schuldners vom vertragsgemäßen Verhalten eines Vorlieferanten kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Nachfristsetzung als Druckmittel diesem gegenüber doch noch - nachfristgerecht - zur Leistung führt.

11

3. Das angefochtene Urteil läßt sich auch mit anderer Begründung nicht halten.

12

Selbst wenn zugunsten des Klägers berücksichtigt wird, was der Zeuge A. dem Beklagten telefonisch erklärt hat, reicht das nicht aus, um die Voraussetzungen des § 326 Abs. 1 S. 1 BGB als erfüllt anzusehen. Seinem Hinweis, wenn sein Schwager das Boot bis zum Urlaubsbeginn nicht habe, trete der Kläger vom Kaufvertrag zurück, hat er hinzugefügt, "dies bekomme Herr H. jedoch noch schriftlich".

13

Bei der Äußerung des Zeugen handelt es sich danach allenfalls um die Ankündigung einer Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung.

14

Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Nachfristsetzung deshalb entbehrlich war, weil die Leistung für den Kläger am 26. Juli 1989 kein Interesse.mehr hatte, § 326 Abs. 2 BGB. Dies muß nachgeholt werden. Auch wenn das Boot für die Gestaltung des Sommerurlaubs des Klägers und seiner Familie Ende Juli/Anfang August 1989 dienen sollte, liegt der Wegfall des Interesses an einer derartigen Anschaffung nicht auf der Hand, wenn dieser Zweck nicht mehr zu erreichen gewesen sein sollte.

15

4. Das angefochtene Urteil mußte danach aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Da der endgültige Erfolg oder Miß.erfolg der Revision vom Ergebnis der anderweiten Verhandlung und Entscheidung abhängt, war dem Berufungsgericht auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens vorzubehalten.