Bundesgerichtshof
Urt. v. 13.03.1991, Az.: XII ZR 71/90
Abschluß eines Haustürwiderrufsgeschäfts; Vertretung des Kunden; Widerrufsrecht bei Vertretung; Vollmachtloser Vertreter; Vertreter ohne Vertretungsmacht; Nachträgliche Genehmigung; Ausschluß des Widerrufs; Selbständige Erwerbstätigkeit; Zweck des Vertrages
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 13.03.1991
- Aktenzeichen
- XII ZR 71/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1991, 14285
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 179 BGB
- § 1 Abs. 1 HWiG
- § 6 HWiG
Fundstellen
- BB 1991, 1669-1670 (Volltext mit amtl. LS)
- DB 1991, 2032-2033 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1991, 942-943 (Volltext mit amtl. LS)
- NJ 1991, 330 (amtl. Leitsatz)
- NJW-RR 1991, 1074-1075 (Volltext mit amtl. LS)
- WM 1991, 860-862 (Volltext mit amtl. LS)
- ZBB 1991, 269
Redaktioneller Leitsatz
1. Fraglich ist, ob der Abschluß eines Haustürgeschäfts wirksam ist, wenn der Kunde durch einen Dritten vertreten wurde.
2. Ist der Vertreter gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 - 3 HWiG zum Vertragsabschluß bestimmt worden, so kann der Kunde den Vertrag widerrufen.
3. Dies gilt auch, wenn der Vertreter ohne Vollmacht gehandelt hat und der Kunde nicht nachträglich den Vertrag genehmigt hat.
4. Ein Widerrufsrecht ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Vertrag für Zwecke selbständiger Erwerbstätigkeit des Kunden geschlossen wurde.
Tatbestand:
Die Klägerin, die Automaten vermietet, nimmt die Beklagte als Vertreterin ohne Vertretungsmacht auf Erfüllung eines Mietvertrages über einen Blumenautomaten in Anspruch.
Am 7. Oktober 1987 erschien ein Vertreter der Klägerin auf dem Grundstück B. Landstraße 42 in B., auf dem der Ehemann der Beklagten ein Blumengeschäft betreibt und sich auch die Wohnung der Eheleute befindet. Er traf die Beklagte an und fragte sie nach dem Inhaber des Blumengeschäftes. Was die Beklagte darauf erwiderte, ist streitig. Während die Klägerin vorträgt, die Beklagte habe sich als Inhaberin der Blumenhandlung ausgegeben, behauptet diese, sie habe geantwortet, nicht sie, sondern ihr Ehemann sei der Inhaber. Es kam zum Einvernehmen über die Anmietung eines Blumenautomaten mit zehn Fächern für die Dauer von 48 Monaten zu einem monatlichen Mietzins von 189 DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Beklagte unterzeichnete einen Mietvertrag, bei dem sie die für die Bezeichnung des Mieters vorgesehenen Zeilen mit einem Aufkleber versah, der ihren Namen und ihre Anschrift trägt. Am 9. Oktober 1987 erhielt die Klägerin von dem Ehemann der Beklagten die Mitteilung, daß er der Inhaber des Blumengeschäftes sei und die Genehmigung des Mietvertrages, zu dessen Abschluß die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, verweigere. Als die Klägerin sich in der Folge an die Beklagte hielt, berief sich diese auf das Widerrufsrecht nach dem Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften vom 16. Januar 1986 (HTürGG, BGBl. I S. 122) und erklärte mit Schreiben vom 14. September 1988 den Widerruf.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Übergabe eines Blumenautomaten 48 Monate lang monatlich 189 DM zuzüglich Mehrwertsteuer zu zahlen. Die Klage war in beiden Vorinstanzen erfolgreich. Mit der (zugelassenen) Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
1. Das Oberlandesgericht hat dargelegt, daß die Beklagte den Mietvertrag, bei dem es sich um ein erkennbar unternehmensbezogenes Geschäft gehandelt habe, im Namen ihres Ehemannes als des Inhabers des Blumengeschäfts abgeschlossen, dabei aber ohne dessen Vollmacht gehandelt habe und daß der Ehemann die Genehmigung verweigert habe. Das ist frei von rechtlichen Bedenken und wird von der Revision auch nicht angegriffen.
2. Das Berufungsgericht hat die Beklagte gemäß § 179 Abs. 1 BGB für verpflichtet erachtet, entsprechend der Wahl der Klägerin den Vertrag zu erfüllen.
a) Es hat einen Ausschluß der Haftung nach § 179 Abs. 3 BGB verneint und dazu ausgeführt, eine Nachforschungspflicht des anderen Teiles bestehe regelmäßig nicht, solange keine Anhaltspunkte beständen, die Zweifel an der Vollmacht rechtfertigten. Solche Anhaltspunkte fehlten hier. Die von der Beklagten angeführten Umstände - Hinweis auf einen anderen Inhaber des Ladens, Ort der Vertragsverhandlungen, Verwendung des Aufklebers mit dem eigenen Namen der Beklagten hätten nicht auf das Fehlen einer Vollmacht schließen lassen, sondern lediglich auf das Vorliegen eines Fremdgeschäftes. Die Unterzeichnung des Vertrages deute darauf hin, daß die Beklagte selbst davon ausgegangen sei, für das Geschäft und ihren Ehemann tätig werden zu können. Eine solche Vollmacht des Ehepartners sei im Rahmen eines kleinen Erwerbsgeschäftes nicht außergewöhnlich.
Hiergegen macht die Revision geltend, daß sich aus der Art des Geschäftes und aus den Umständen Zweifel an der Vertretungsmacht der Beklagten ergeben und die Klägerin verpflichtet hätten, das Vorhandensein der Vollmacht nachzuprüfen. Damit kann die Revision indessen nicht durchdringen.
Ihre Ansicht, bei der Anmietung des Blumenautomaten habe es sich um ein so außergewöhnliches Geschäft gehandelt, daß die Bevollmächtigung der Beklagten schon deshalb zweifelhaft gewesen sei, teilt der Senat nicht. Daß die Aufstellung eines Blumenautomaten von der hier gegebenen Größe eine Maßnahme dargestellt hätte, die von vornherein über den Rahmen des von dem Ehemann betriebenen Blumengeschäftes hinausgegangen oder sonst mit dem Zuschnitt des Geschäftes nicht vereinbar gewesen wäre, läßt sich dem Tatsachenvortrag der Beklagten, der dazu keinerlei näheren Aufschluß bietet, nicht entnehmen. Eine solche Annahme versteht sich auch nicht von selbst. Die Beklagte hatte sich nach ihrem Vortrag dem Vertreter der Klägerin als mitarbeitende Ehefrau des Geschäftsinhabers zu erkennen gegeben. Das war geeignet, ihn in der Annahme zu bestärken, daß sie bei Abwesenheit ihres Ehemannes zu dessen umfassender Vertretung berechtigt und dabei auch zur Abgabe unternehmensbezogener Willenserklärungen befugt sei. Die übrigen von der Revision angeführten Umstände hat das Berufungsgericht ausdrücklich gewürdigt. Seine Beurteilung unterliegt keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
b) Das Berufungsgericht ist ferner zu dem Ergebnis gelangt, daß die Haftung der Beklagten auch nicht aufgrund des von ihr erklärten Widerrufs entfallen sei. Es hat dargelegt, dieser Widerruf sei unwirksam, weil das HTürGG hier keine Anwendung finde. Zwar stehe es seiner Anwendbarkeit nicht entgegen, daß die Beklagte Erfüllung des Vertrages nicht aufgrund Rechtsgeschäftes, sondern kraft gesetzlicher Garantiehaftung schulde. Indessen scheide der Widerruf hier aus, weil für den Anwendungsbereich nach § 6 HTürGG auf die Person abzustellen sei, die bei einem wirksamen Vertragsschluß Vertragspartei geworden wäre. Kunde im Sinne von § 1 Abs. 1 HTürGG sei in Fällen einer wirksamen Stellvertretung der Vertretene und nicht der Vertreter. Andernfalls unterfielen dem Gesetz eine Vielzahl von Erwerbsgeschäften, bei denen Geschäftsherr zwar ein Gewerbetreibender sei, sein Vertreter diese Voraussetzung jedoch nicht erfülle. Das Fehlen der Vollmacht verändere diese Zuordnung nicht. Durch § 179 Abs. 1 BGB werde kraft Gesetzes eine Haftung wie durch Rechtsgeschäft begründet, also mit dem Inhalt des Erfüllungsanspruches, der gegen den Vertretenen bestanden hätte. Eine inhaltliche Änderung dahin, daß nunmehr der vollmachtlose Vertreter Kunde werde, ergebe sich nicht. Etwas anderes folge auch nicht aus dem Schutzzweck des HTürGG. Durch das Gesetz werde der Kunde privilegiert, weil er sich in einer besonderen Situation befinde. Ein vollmachtloser Vertreter, der für einen Gewerbetreibenden handele, verlasse diesen Schutzbereich. Subjektiv füge er der auf den Vertragsschluß gerichteten Willenserklärung ein weiteres Verhalten hinzu, das nicht typischerweise durch den Überrumpelungseffekt des Haustürgeschäftes hervorgerufen werde. Objektiv begründe er Vertrauen in ein gewerbsmäßiges Rechtsgeschäft, das die andere Vertragspartei hindere, der Belehrungspflicht nach § 2 HTürGG nachzukommen und damit die Wochenfrist für den Widerruf in Lauf zu setzen. An dieses Vertrauen knüpfe gerade die Haftung nach § 179 Abs. 1 BGB an.
Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.
Nach § 1 Abs. 1 HTürGG kann der Kunde eine auf den Abschluß eines Vertrages über eine entgeltliche Leistung gerichtete Willenserklärung widerrufen, zu der er von der anderen Vertragspartei oder auf deren Veranlassung unter den in Nr. 1 bis 3 der Vorschrift näher bezeichneten Umständen bestimmt worden ist. Ist auf seiten des Kunden ein Dritter eingeschaltet, der rechtsgeschäftlich für ihn handelt, so begründet es das Widerrufsrecht, wenn der Vertreter durch die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 HTürGG vorausgesetzte Willensbeeinflussung zum Vertragsabschluß bestimmt worden ist (vgl. MünchKomm/Ulmer, 2. Aufl. § 1 HTürGG Rdn. 15; Palandt/Putzo, BGB 50. Aufl. Rdn. 3 vor § 1 HTürGG; Soergel/Wolf, BGB 12. Aufl. § 1 HTürGG Rdn. 14; Teske BB 1988, 869, 870; Werner/Machunsky, HTürGG § 1 Rdn. 47). Hat der Vertreter ohne die erforderliche Vertretungsmacht gehandelt und der Vertretene die Genehmigung verweigert, so kann der Vertreter das Widerrufsrecht anstelle des Vertretenen ausüben. Daß es für den Vertreter nicht um die Auflösung vertraglicher Bindungen, sondern allein darum geht, der gesetzlichen Garantiehaftung nach § 179 Abs. 1 BGB zu begegnen, steht nicht entgegen. Insoweit kann nichts anderes gelten als im Falle der Anfechtbarkeit des Vertretergeschäftes aufgrund eines Willensmangels des vollmachtlosen Vertreters. Ebenso wie dieser das Anfechtungsrecht ausüben kann, steht ihm auch die Ausübung eines etwaigen Widerrufsrechts zu (ebenso Palandt/ Heinrichs aaO § 179 Rdn. 2; Teske aaO; vgl. ferner AG Reutlingen NJW-RR 1988, 826, 827 [AG Reutlingen 15.04.1988 - 4 C 2164/87]; AG Hamburg BB 1988, 889; Werner/Machunsky aaO Rdn. 50).
Der vorliegende Fall erfährt seine Besonderheit dadurch, daß der Mietvertrag, den die Beklagte im Namen ihres Ehemannes abgeschlossen hat, für diesen ein Rechtsgeschäft darstellt, bei dessen Abschluß er selbst in Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit gehandelt hätte. Hängt der Abschluß eines Geschäftes durch einen Kunden in dieser Weise mit dessen Erwerbstätigkeit zusammen, so finden nach § 6 Nr. 1 HTürGG die Vorschriften des Gesetzes keine Anwendung mit der Folge, daß dem Kunden ein Widerrufsrecht nicht zusteht, auch wenn die Anwendungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 HTürGG an sich erfüllt sind. Der Grund für diese Einschränkung seines Anwendungsbereichs liegt darin, daß das Gesetz grundsätzlich nur den Kunden vor überraschenden Angeboten schützen will, der für eigene private Bedürfnisse Verträge abschließt. Wer dagegen für Zwecke seiner selbständigen Erwerbstätigkeit ein Haustürgeschäft abschließe, werde in aller Regel häufiger solche Geschäfte eingehen, hierbei Erfahrungen erworben haben und deswegen nicht schutzbedürftig sein (Begründung des Entwurfs des Bundesrates, BT-Drucks. 10/2876 S. 14). Bedient sich der Kunde beim Abschluß eines Rechtsgeschäftes, das durch § 6 Nr. 1 HTürGG von der Anwendung des Gesetzes ausgenommen wird, eines Vertreters, so kommt er nicht deshalb in den Genuß des Verbraucherschutzes, weil der Vertreter die vom Gesetz erwartete geschäftliche Erfahrung und Gewandtheit vermissen läßt. Die genannte Vorschrift sieht für die Fälle der Einschaltung eines Vertreters keine Modifizierung vor. Ob sie eingreift oder nicht, richtet sich vielmehr nach der Person des Kunden (ebenso Teske aaO; Werner/Machunsky aaO Anm. 49). Ist er selbständig erwerbstätig und stellt sich der Vertragsabschluß als ein Geschäft dar, das mit seiner Erwerbstätigkeit zusammenhängt, so bleibt es von der Anwendung des HTürGG und dem dort vorgesehenen Widerrufsrecht ausgenommen, ohne daß es noch auf die Person des Vertreters ankäme.
Ebenso entfällt das Widerrufsrecht, wenn der Vertreter ohne Vertretungsmacht handelt und das Geschäft, wie im vorliegenden Fall, für die Zwecke der selbständigen Erwerbstätigkeit des Vertretenen abschließt. Das HTürGG sieht für den Vertreter kein eigenes Widerrufsrecht vor. Dieser kann das Widerrufsrecht aber anstelle des Vertretenen ausüben; denn es besteht keine Veranlassung, die andere Vertragspartei besser zu stellen als bei einem Vertragsschluß durch einen zur Vertretung Berechtigten. Stände jedoch dem Vertretenen seinerseits ein Widerrufsrecht nicht zu, weil die Vorschriften des HTürGG bei ihm nach § 6 Nr. 1 des Gesetzes nicht eingreifen, so liefe es auf eine Schlechterstellung der anderen Vertragspartei hinaus, wenn dem vollmachtlosen Vertreter gleichwohl ein Widerrufsrecht eingeräumt würde. Eine solche Behandlung des Geschäftspartners, dessen Vertrauen der Vertreter veranlaßt und enttäuscht hat, stände mit § 179 Abs. 1 BGB nicht mehr in Einklang. Sie findet auch im HTürGG keine Rechtfertigung, dessen Schutzzweck die rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit des Kunden ist. Zum Personenkreis der Kunden kann der vollmachtlose Vertreter nicht gerechnet werden. Liegen in seiner Person die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Haustürgeschäftes vor, so löst das den Schutz des Gesetzes nicht aus. Vielmehr kommt ihm dieser Schutz nur dann zu, wenn er im Falle von Vertretungsmacht dem vom ihm Vertretenen zustände. Ist der Vertretene, wie hier der Ehemann der Beklagten, nicht schutzbedürftig, weil er nach § 6 Nr. 1 HTürGG nicht in den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes fällt, so steht auch dem Vertreter, hier also der Beklagten, ein Widerrufsrecht nicht zu (ebenso Teske aaO - a.A. Werner/Machunsky aaO Rdn. 51; AG Reutlingen aaO). Wie das Oberlandesgericht zutreffend hervorhebt, begründet der vollmachtlose Vertreter durch seine Handlungsweise in einem solchen Falle regelmäßig das Vertrauen der anderen Vertragspartei in ein gewerbsmäßiges und daher unwiderrufliches Rechtsgeschäft und bewirkt, daß die andere Partei von einer Belehrung nach § 2 Abs. 1 HTürGG von vornherein absieht. Unter diesen Umständen würde die Vertragspartei unzumutbar belastet, wenn dem Vertreter unabhängig von der Person des Vertretenen ein eigenständiges Widerrufsrecht eingeräumt würde. Der von der Gegenmeinung hervorgehobenen Gefahr, daß der Vertreter seine Vertretungsmacht gerade aufgrund des der Haustürsituation immanenten Überraschungs- und Überrumpelungseffektes überschreitet (Werner/Machunsky aaO), muß mit den Möglichkeiten entgegengewirkt werden, die das Gesetz in § 179 Abs. 3 BGB vorsieht.
Hiernach hat das Berufungsgericht das Widerrufsrecht der Beklagten zu Recht verneint. Auch sonst hält das angefochtene Urteil der rechtlichen Nachprüfung stand.