Bundesgerichtshof
Urt. v. 16.01.1991, Az.: 2 StR 527/90
Strafbarkeit wegen versuchten Betrugs; Hervorrufen des Irrtums, der den Getäuschten zu der schädigenden Vermögensverfügung bestimmen und damit den Schaden herbeiführen soll; Beginn des Versuchs beim Betrug; Verwirklichung von Merkmalen des Betrugstatbestands; Beginn der tatbestandsmäßigen Täuschungshandlung beim Betrug
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 16.01.1991
- Aktenzeichen
- 2 StR 527/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1991, 11903
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Frankfurt am Main - 23.05.1990
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHSt 37, 294 - 298
- JR 1992, 121-122 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
- JZ 1992, 379-380 (Volltext mit amtl. LS)
- JuS 1991, 965
- Kienapfel, JR 92, 121
- Kriminalistik 1992, 322
- MDR 1991, 462-463 (Volltext mit amtl. LS)
- NJ 1991, 279 (amtl. Leitsatz)
- NJW 1991, 1839-1840 (Volltext mit amtl. LS)
- NStZ 1991, 385-386 (Volltext mit amtl. LS)
- StV 1991, 418-419
Verfahrensgegenstand
Versuchter Betrug
Prozessgegner
Dieter F. aus A. (Niederlande), geboren am ... 1943 in H., zur Zeit in Untersuchungshaft
Amtlicher Leitsatz
Versuchter Betrug liegt noch nicht vor, solange der Täter lediglich solche Täuschungshandlungen vornimmt, die weder nach der wirklichen Sachlage noch nach seiner Vorstellung dazu ausreichen, denjenigen Irrtum hervorzurufen, der den Getäuschten zu der schädigenden Vermögensverfügung bestimmen und damit den Schaden herbeiführen soll.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs
hat
in der Sitzung vom 16. Januar 1991,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Herdegen,
die Richter am Bundesgerichtshof
Maier
Theune
Niemöller
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt ... in der Verhandlung,
Richterin am Amtsgericht ...
bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ... aus ... als Verteidiger des Angeklagten,
Justizangestellte ... als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23. Mai 1990 aufgehoben.
Der Angeklagte wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Betrugs verurteilt und zum Schuldspruch im wesentlichen folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der Angeklagte verfolgte 1989 zusammen mit seinem Bekannten de C. den Plan, einen Kundenservice der Firma A. E. I., Inc. (im folgenden: A.) auszunutzen, um daraus ungerechtfertigte Vorteile zu ziehen. Der Service besteht darin, daß der Kunde an jedem beliebigen Ort, an dem sich ein Reisebüro befindet, Geld abholen kann, sofern nur der entsprechende Betrag an anderer Stelle eingezahlt ist. Der Angeklagte und de C. beabsichtigten, die A. in F. über die Einzahlung von Geldern zu täuschen, um so einen entsprechenden Betrag ausgezahlt zu erhalten. Welchen genauen Betrag sie ins Auge gefaßt hatten, ob noch andere Personen beteiligt waren und wie der Plan im einzelnen ausgeführt werden sollte, konnte nicht festgestellt werden. Jedenfalls verhandelten der Angeklagte und de C. ab dein 5. Juli 1989 mehrfach telefonisch mit Angestellten der A. Bank GmbH (im folgenden: A. Bank) und des A. Reisebüros in F., wobei der Angeklagte teilweise unter einem falschen Namen auftrat. Sie gaben vor, kurzfristig hohe Beträge in ausländischer Währung gegen Bezahlung in DM beschaffen zu wollen.
Am 12. Juli 1989 erschien der Angeklagte persönlich bei dem Filialleiter des A. Reisebüros. Er trug diesem vor, es gehe ihm jetzt um die Beschaffung von 3 Mio. Schweizer Franken und 500.000 US-Dollar. Der Filialleiter erklärte, dies sei machbar, jedoch müsse zunächst eine Bestätigung des Bankhauses A. dafür vorliegen, daß der Deckungsbetrag dort eingegangen sei. Der Angeklagte erwiderte, daß die Gesellschaft, für die er tätig sei, das Geld bereits in Deutschland habe und "der Avis zum Bankhaus A. noch am Mittag eingehen" solle. Er erwähnte, daß er am 14. Juli 1989 den Flug nach Zürich erreichen und daher das Geld an diesem Tage bis 10.00 Uhr zur Abholung bereitgestellt werden müsse. Der Filialleiter sagte das zu. Der Angeklagte erkundigte sich daraufhin noch nach den Umrechnungskursen, angeblich, um den ungefähren Betrag des Avis festlegen zu können; er erhielt einen Zettel, auf dem die in DM umgerechneten Beträge ausgedruckt waren. Das Treffen wurde von der bereits zuvor eingeschalteten Kriminalpolizei observiert. Als der Filialleiter das für die Beendigung des Gesprächs verabredete Zeichen gab, wurde der Angeklagte festgenommen.
II.
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg; sie führt zu seinem Freispruch.
Die Verurteilung wegen versuchten Betrugs wird von den Feststellungen nicht getragen. Danach hat der Angeklagte zwar ein betrügerisches Vorhaben verfolgt, ist dabei aber nicht in das Stadium des Betrugsversuchs gelangt.
Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Für die Entscheidung der Frage, ob diese Voraussetzung vorliegt, ist danach wesentlich, wie weit derjenige, der den Entschluß zur Begehung der Straftat gefaßt hat, mit der Ausführung des Entschlusses gekommen ist. Dazu muß das, was er zur Verwirklichung seines Vorhabens getan hat, zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand in Beziehung gesetzt werden. Danach ist zunächst zu beurteilen, ob der Täter bereits Merkmale des Straftatbestandes erfüllt oder lediglich Handlungen vorgenommen hat, die noch außerhalb des Straftatbestands liegen. Im ersten Fall ist die Grenze zum Versuch in der Regel bereits überschritten (BGH, Urt. v. 4. Mai 1976 - 1 StR 824/75); im zweiten Fall bedarf es weiterer Prüfung. Danach ergibt sich:
1.
Der Angeklagte hatte im Zeitpunkt seiner Festnahme Merkmale des Betrugstatbestandes noch nicht verwirklicht. Das gilt auch für das Tatbestandsmerkmal der Täuschung. Tatbestandsmäßig im Sinne des § 263 StGB täuscht der Täter erst dann, wenn er denjenigen Irrtum hervorruft, der den Getäuschten zu der schädigenden Vermögensverfügung bestimmt und damit für den Eintritt des Schadens ursächlich wird.
Mit einer solchen Täuschungshandlung hatte der Angeklagte weder objektiv noch nach seiner subjektiven Vorstellung von der Tat begonnen. Zwar hatte er bereits eine Reihe von Handlungen vorgenommen, die darauf abzielten, unrichtige Vorstellungen bei seinen Verhandlungspartnern zu erwecken. Er war unter falschem Namen aufgetreten; er hatte der Wahrheit zuwider behauptet, für eine von ihm vertretene Gesellschaft einen ordnungsgemäßen Devisenkauf abwickeln zu wollen; er hatte dem Filialleiter des A. Reisebüros vorgespiegelt, der Gegenwert für die Devisen sei verfügbar und werde in Kürze bei der A. Bank eingehen. Doch waren all diese Täuschungshandlungen noch nicht tatbestandsmäßig im Sinne des §263 StGB; denn weder nach der wirklichen Sachlage noch nach der letztlich maßgebenden Vorstellung des Angeklagten reichten sie aus, denjenigen Irrtum hervorzurufen, der zu der schädigenden Vermögensverfügung und mithin zum Schadenseintritt geführt hätte. Dazu wäre es vielmehr nötig gewesen, in irgendeiner Weise - etwa durch einen fingierten Anruf bei dem A. Reisebüro oder durch Vorlage einer scheinbar von der A. Bank ausgestellten Bestätigung - den Eingang des für die Devisen aufzubringenden Gegenwerts vorzuspiegeln. Daß es einer solchen Täuschung bedurfte, lag auf der Hand und war auch dem Angeklagten bewußt, wiewohl das Landgericht Einzelheiten des Tatplans nicht festzustellen vermochte. Erst diese Täuschung konnte und sollte den für die Vermögensverfügung und damit den Schadenseintritt ursächlichen Irrtum herbeiführen - erst sie hätte daher das Tatbestandsmerkmal der Täuschung im Sinne des §263 StGB erfüllt.
Der Beginn dieser - tatbestandsmäßigen - Täuschungshandlung stand aber im Zeitpunkt der Festnahme des Angeklagten noch aus. Bei seinem Gespräch mit dem Filialleiter hatte sich der Angeklagte auf die Erklärung beschränkt, das "Avis zum Bankhaus A." solle noch am Mittag desselben Tages eingehen. Diese Erklärung enthielt zwar die Ankündigung, daß bei der A. Bank die Anzeige eines anderen Instituts eintreffen werde, wonach dieses den Gegenwert an die A. Bank transferiert habe; nicht behauptet war aber, daß die vom Filialleiter geforderte Bestätigung der A. Bank über den Eingang des Gegenwerts bereits vorliege oder daß - davon abgesehen - jedenfalls der Betrag schon dort eingegangen sei. Der Angeklagte hatte nicht einmal den Eindruck erweckt, daß das Avis über den Geldtransfer zur A. Bank bereits unterwegs sei; denn seine Erkundigung nach den Umrechnungskursen, die er angeblich benötigte, um den Betrag des Avis festlegen zu können, ergab für seinen Verhandlungspartner nur dann einem Sinn, wenn das Avis noch nicht abgesandt war.
2.
Das Versuchsstadium kann allerdings auch schon erreicht sein, bevor noch der Täter einzelne Tatbestandsmerkmale verwirklicht. Es beginnt bereits mit Handlungen, die nach dem Tatplan im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen; das ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum "jetzt geht es los" überschreitet und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so daß sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung übergeht (st. Rspr., BGHSt 26, 201 ff; 28, 162 f; 31, 178, 182 [BGH 21.12.1982 - 1 StR 662/82]; 35, 6 ff).
Diese Voraussetzungen lagen hier aber - entgegen der Ansicht des Landgerichts - nicht vor. Tatbestandsmäßige Angriffshandlung war nach dem Tatplan die vom Angeklagten beabsichtigte Täuschung darüber, daß der Gegenwert der Devisen bei der A. Bank eingegangen und dieser Eingang von ihr bestätigt sei. Zu dieser Angriffshandlung hatte der Angeklagte, als er festgenommen wurde, noch nicht unmittelbar angesetzt. Die Erklärungen, die er bei seiner Unterredung mit dem Filialleiter des A. Reisebüros abgab, konnten und sollten nicht unmittelbar in den Beginn der tatbestandsmäßigen Täuschungshandlung einmünden; diese hätte sich - wäre der Tatplan weiter ausgeführt worden - vielmehr als besonderer, selbständiger, nach zeitlichen, örtlichen und sonstigen Umständen deutlich davon zu unterscheidender Akt dargestellt. Mithin hatte der Angeklagte die noch ausstehende Täuschungshandlung bei dem in Frage stehenden Gespräch lediglich vorbereitet. Die Schwelle zum Versuch war demgemäß noch nicht überschritten.
Anders verhielte es sich, wenn de C. auf Grund einer mit dem Angeklagten getroffenen Absprache noch damit begonnen hätte, über den Eingang des Gegenwerts bei der A. Bank und das Vorhandensein einer entsprechenden Bestätigung zu täuschen; denn ein solcher Täuschungsbeginn wäre dem Angeklagten als Mittäter zuzurechnen (§ 25 Abs. 2 StGB). Doch trifft diese Voraussetzung nicht zu. De C. suchte zwar am 18. Juli 1989, also nach der Festnahme des Angeklagten, seinerseits den Filialleiter des A. Reisebüros auf, um - wie er sagte - das Geschäft weiterzuführen; er beließ es aber ebenfalls bei der bloßen Ankündigung künftiger Zahlung, behauptete also nicht, der Gegenwert für die Devisen sei bereits bei der A. Bank eingegangen.
Da weitere Feststellungen, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, nicht zu erwarten sind, erkennt der Senat selbst auf Freispruch.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO. Für die Entscheidung über die Verpflichtung zur Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen ist das Landgericht zuständig; die Beantwortung der dabei noch klärungsbedürftigen Fragen ist eine vorrangig tatrichterliche Aufgabe (BGH NJW 1988, 2483, 2485; BGH, Beschl. v. 22. September 1989 - 2 StR 342/89).
Maier
Theune
Niemöller
Schäfer