Bundesgerichtshof
Urt. v. 14.12.1990, Az.: V ZR 329/89
Berufung; Vertretung des Anwalts
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 14.12.1990
- Aktenzeichen
- V ZR 329/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1990, 14060
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- AnwBl 1991, 537-538 (Volltext mit amtl. LS)
- BB 1991, 302
- MDR 1991, 676 (Volltext mit amtl. LS)
- NJ 1991, 184 (amtl. Leitsatz)
- NJW 1991, 1175-1176 (Volltext mit amtl. LS)
- VersR 1991, 893-894 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Hat der amtliche Vertreter eines beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalts in der Berufungsschrift eindeutig zum Ausdruck gebracht, im Rechtsmittelverfahren nicht für seine eigene Praxis, sondern für den vertretenen Anwalt zu handeln, so braucht er in den nachfolgenden Schriftsätzen hierauf nicht nochmals hinzuweisen.
Tatbestand:
Der Kläger verlangt als Erbe der zwischenzeitlich verstorbenen früheren Eigentümerin die Rückübereignung eines dem Beklagten übertragenen Grundstücks. Das Landgericht hat der Klage Zug um Zug gegen Zahlung von 68.377,42 DM stattgegeben. Gegen das Urteil hat der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten erster Instanz, Rechtsanwalt T., der zugleich zur Vertretung des bei dem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalts Sp. amtlich bestellt war, "namens des Rechtsanwalts Frank Sp., dieser namens des Beklagten und Berufungsklägers" Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift ist auf einem Briefbogen von Rechtsanwalt T. verfaßt, der neben dem Briefkopf den Stempel trägt:
"amtl.best.Vertreter d.
RA Frank Sp.
B.str. 17b, M.
beim OLG Nürnberg"
In der Berufungsschrift heißt es unter der Parteibezeichnung des Beklagten:
"Prozeßbevollm.: RA Friedrich T.,
L. Straße 1, M.
als OLG bestellter Vertreter für RA
Frank Sp., B.str. 17b,
M. "
Anschließend hat Rechtsanwalt T. auf einem eigenen Briefbogen ohne einen auf Rechtsanwalt Sp. hinweisenden Zusatz die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Auch die Berufungsbegründung ist auf einem Briefbogen von Rechtsanwalt T. ge- und unterschrieben. Sie enthält auf dem Briefkopf allerdings wieder den Stempelaufdruck, der ihn als amtlich bestellten Vertreter des Rechtsanwalts Sp. ausweist.
Im Laufe des Verfahrens hat der bei dem Oberlandesgericht zugelassene Rechtsanwalt St. unter Vorlage einer auf ihn ausgestellten Vollmacht angezeigt, daß er nunmehr den Beklagten vertrete.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht gelangt zu der Überzeugung, daß der bei ihm nicht zugelassene Rechtsanwalt T. die Berufung nicht in seiner Eigenschaft als amtlich bestellter Vertreter des Rechtsanwalts Sp., sondern für seine eigene Praxis eingelegt und begründet hat. Dies hält der Revision nicht stand.
Die Auslegung von Prozeßhandlungen unterliegt freier revisionsgerichtlicher Prüfung (BGH Urt. v. 6. Mai 1987, IVb ZR 52/86, BGHR ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 1 - Anfechtungsumfang 2; Senatsurt. v. 26. Oktober 1990, V ZR 122/90). Daß Rechtsanwalt T. die Berufung als Vertreter von Rechtsanwalt Sp. eingelegt und begründet hat, kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht deswegen verneint werden, weil Rechtsanwalt T. für die eingereichten Schriftsätze seine eigenen Briefbögen verwandt, die Schriftsätze allein unterzeichnet hat und Rechtsanwalt Sp. als Berufungsanwalt selbst nicht tätig geworden ist.
Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß ein als amtlicher Vertreter bestellter Rechtsanwalt, der nicht bei dem Oberlandesgericht zugelassen ist, dann nicht wirksam bei diesem Gericht Berufung einlegen kann, wenn er nicht für den vertretenen, dort zugelassenen Anwalt, sondern für seine eigene Praxis tätig wird (BGH Beschl. v. 11. März 1981, VIII ZB 18/81, NJW 1981, 1740, 1741). Hier lassen jedoch die genannten Umstände einen Zweifel über das Handeln von Rechtsanwalt T. für den Berufungsanwalt nicht aufkommen. Rechtsanwalt T. hat in der Berufungsschrift bei der Parteibezeichnung eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß er in der zweiten Instanz als amtlich bestellter Vertreter für den bei dem Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt Sp. auftritt. Er hat auch die Prozeßhandlung selbst noch einmal ausdrücklich namens des Berufungsanwalts vorgenommen. Bei dieser Sachlage war selbst der auf einem Briefbogen von Rechtsanwalt T. ohne den sonst verwandten Stempelaufdruck formulierte Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entgegen dem Standpunkt der Revisionserwiderung erkennbar für den Berufungsanwalt gestellt worden. Hat nämlich der zum amtlichen Vertreter eines Berufungsanwalts bestellte Rechtsanwalt in der Berufungsschrift eindeutig zum Ausdruck gebracht, im Rechtsmittelverfahren nicht für seine eigene Praxis, sondern für den vertretenen Anwalt zu handeln, so braucht er in den nachfolgenden Schriftsätzen auf das Vertretungsverhältnis nicht (nochmals) gesondert hinzuweisen (vgl. BGH Urt. v. 9. Dezember 1974, III ZR 134/72, NJW 1975, 542, 543) oder auch nur den Briefkopf des vertretenen Anwalts zu verwenden.
Die Tatsache, daß Verhinderungsgründe für Rechtsanwalt Sp. nicht ersichtlich sind und dieser selbst nicht tätig geworden ist, kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts Zweifel über das Handeln von Rechtsanwalt T. für Rechtsanwalt Sp. nicht aufkommen lassen. Ob Rechtsanwalt Sp. tatsächlich verhindert war, ist sowohl für die Wirksamkeit der von Rechtsanwalt T. vorgenommenen Prozeßhandlungen (BGH Urt. v. 9. Dezember 1974, aaO S. 542) als auch für die Frage, für wen er diese vorgenommen hat, unerheblich, weil Rechtsanwalt T. deutlich erklärt hat, im zweiten Rechtszug für Rechtsanwalt Sp. zu handeln. Der Erklärungswert dieser Äußerung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß Rechtsanwalt T. der in einem Telefongespräch geäußerten Vermutung des Vorsitzenden des Berufungsgerichts, Rechtsanwalt T. sei für seine eigene Praxis tätig geworden, nicht ausdrücklich entgegengetreten ist. Denn diese Vermutung war nach der Aktenlage haltlos.
Zu Unrecht mißt das Berufungsgericht schließlich dem Umstand Bedeutung bei, daß weder Rechtsanwalt T. noch Rechtsanwalt Sp. der Aufforderung des Prozeßbevollmächtigten des Klägers folgend eine eidesstattliche Versicherung abgegeben und zur Frage der Vertretung sich auch nach Mitteilung von Rechtsanwalt St. nicht geäußert haben. Da Rechtsanwalt T. das Vertretungsverhältnis bereits in einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Weise offengelegt hatte, bestand für ihn und Rechtsanwalt Sp. kein Anlaß, einem Verlangen der Parteivertreter nach zusätzlichen Erklärungen nachzukommen.
Entgegen der von der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung ist die Berufung auch nicht mangels wirksamer Bevollmächtigung von Rechtsanwalt Sp. unwirksam. Zwar ist eine wirksame Prozeßvollmacht Prozeßhandlungsvoraussetzung. Liegt sie bei Einlegung des Rechtsmittels nicht vor, so ist dieses als unzulässig zu verwerfen (BGHZ 40, 197, 198; BGH Urt. v. 8. Mai 1990, VI ZR 321/89, VersR 1990, 993). Der Mangel der Vollmacht bei Einlegung eines Rechtsmittels kann jedoch durch Genehmigung des Vertretenen mit rückwirkender Kraft geheilt werden, solange noch nicht ein das Rechtsmittel als unzulässig verwerfendes Prozeßurteil vorliegt (Gms-OGB Beschl. v. 17. April 1984, Gms-OGB 2/83, NJW 1984, 2149).
Es kann dahingestellt bleiben, ob die von der Revision erstmals vorgelegte Prozeßvollmacht für Rechtsanwalt Sp. nachträglich ausgestellt und zurückdatiert worden ist, wie der Kläger behauptet, und wann dies geschehen ist. Jedenfalls liegt in der Rechtsanwalt St. erteilten Prozeßvollmacht zur Fortführung des Berufungsverfahrens und in dessen Antrag auf Abweisung der Klage die - rechtzeitige - Genehmigung der zur Eröffnung des Berufungsverfahrens für Rechtsanwalt Sp. vorgenommenen Prozeßhandlungen durch den Beklagten.
Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Entscheidung über die Nichterhebung von Gerichtskosten für das Revisionsverfahren beruht auf § 8 Abs. 1 GKG.