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Bundesgerichtshof
Urt. v. 25.10.1990, Az.: VII ZR 284/88

Bauherrenmodell; Haftung für Sachverwalter; Wohnflächengröße; Cic; Prospektherausgabe

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
25.10.1990
Aktenzeichen
VII ZR 284/88
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1990, 14297
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BB 1990, 2436-2437 (Volltext mit amtl. LS)
  • BauR 1991, 91-93 (Volltext mit amtl. LS)
  • DB 1991, 276 (Volltext mit amtl. LS)
  • IBR 1991, 195 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • JZ 1991, 207-208 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1991, 428 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1991, 217-218 (Volltext mit amtl. LS)
  • VersR 1991, 473-475 (Volltext mit amtl. LS)
  • WM 1991, 13-14 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZBB 1991, 44
  • ZIP 1990, 1580-1582

Amtlicher Leitsatz

Die Initiatoren eines Bauherrenmodells, die einen Prospekt mit irreführenden Angaben über die Wohnfläche herausgegeben haben, haften auch dann aus Verschulden bei Vertragsschluß, wenn ein für sie auftretender Sachwalter in ihrem Namen eine Rückfrage des Bauherrn zur Größe der Wohnfläche falsch beantwortet (i. A. an BGH vom 21.5.1984 II ZR 83/84 - NJW 84, 2523).

Tatbestand:

1

Die Beklagten zu 1, 2 und 3 sind Gesellschafter der Unternehmens- und Finanzberatungsgesellschaft des bürgerlichen Rechts Dr. E. und Partner. Im November 1980 gab die Gesellschaft einen Prospekt heraus, mit dem sie für das Bauherrenmodell "An den drei Brunnen" in F. warb. Der Beklagte zu 4 ist Architekt; er hatte die Wohnanlage geplant. Der frühere Beklagte zu 5 hatte das steuerliche Konzept erarbeitet. Der Finanzberater Str. übernahm den Vertrieb.

2

Die Klägerin interessierte sich für die Wohnung Nr. 15, die ausweislich des Prospekts zum Teil im zweiten Obergeschoß und zum Teil im Dachgeschoß (Spitzboden) liegen und eine Wohnfläche von ca. 76 qm haben sollte. In einer Anmerkung zu den Wohnflächenangaben heißt es: "Bei der Berechnung der Flächen der Dachgeschoß-Wohnungen ist die benutzbare Fläche errechnet worden und angesetzt. " In der Planskizze, die Bestandteil des Prospekts ist, sind die im Spitzboden gelegenen Räume mit den Abkürzungen "Abst. ", "DU/WC" und "Hobby" bezeichnet. Die Klägerin bat den Anlagevermittler um Erläuterung der Bezeichnung "Hobby"-Raum. Mit Schreiben vom 22. Dezember 1980 führte Str. hierzu aus:

3

"Nach Rücksprache mit Herrn W. " (dem Beklagten zu 4) "bestätige ich Ihnen, daß der als Hobby-Raum bezeichnete Raum wie normaler Wohnraum, also mit Tapeten, normaler Decke und Teppichboden ausgestattet ist. In diesem Bereich sind drei V. -Fenster installiert. Der Raum kann also als normaler Wohn- oder Schlafraum benutzt werden.

4

Das Schreiben endet mit folgendem handgeschriebenen und mit Str. unterzeichneten Zusatz:

5

"Die vorstehenden Erklärungen gebe ich nicht im eigenen Namen, sondern namens und in Vollmacht des Herrn Steuerberaters B. " (des früheren Beklagten zu 5) "und der Firma Dr. E. und Partner... ab. "

6

Die Klägerin trat daraufhin der Bauherrengemeinschaft bei und zeichnete die Wohnung Nr. 15 zu einem Gesamtaufwand von 332.000 DM. Nach Fertigstellung der Wohnung ließ sie die Größe der Wohnfläche überprüfen. Die von ihr zu Rate gezogenen Sachverständigen stellten fest, die Wohnfläche betrage maximal 66,87 qm; davon seien 50,87 qm im Obergeschoß und 16 qm im Spitzboden belegen. Nach der Baugenehmigung sind die Räume im Spitzboden nicht für Wohnzwecke nutzbar.

7

Wegen der nach ihrer Ansicht zu geringen Wohnfläche un wegen der fehlenden Nutzungsmöglichkeit der Räume im Spitzboden verlangt die Klägerin von den Beklagten Schadensersatz in Höhe von 100.000 DM und hilfsweise die Feststellung, daß die Beklagten verpflichtet seien, ihr allen Schaden zu ersetzen, der daraus entstehe, daß für den im Spitzboden gelegenen und als "Hobby"-Raum bezeichneten Raum keine Genehmigung erteilt worden sei, ihn als Wohnraum zu nutzen.

8

Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der - angenommenen - Revision, die die Beklagten zuruckzuweisen bitten, verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

10

1. Das Berufungsgericht verneint eine Haftung der Beklagten aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen. Die Flächenangabe in dem Prospekt sei zwar falsch. Statt 76 qm, wie angegeben, habe die Wohnung eine Wohnfläche von allenfalls 67,87 qm. Str. habe mit seinem Schreiben vom 22. Dezember 1980 der Klägerin lediglich erklärt, daß der "Hobby"-Raum wie ein Wohnraum ausgestattet sei. Er habe ihr damit nicht zugesichert, der Raum sei nach dem Bauordnungsrecht als Wohnraum nutzbar. Die Beklagten seien an den Verhandlungen, die die Klägerin wegen der Flächengröße geführt habe, nicht beteiligt gewesen; schon deshalb könne man ihnen nicht vorwerfen, sie hätten das Vertrauen der Klägerin in diesem Punkt mißbraucht. An sich gegebene Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinne seien verjährt.

11

2. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

12

a) Der Senat hat inzwischen entschieden, daß die Grundsätze über die Prospekthaftung auch auf das sogenannte Bauherrenmodell anwendbar sind und daß Schadensersatzansprüche für Bauherren - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht der kurzen Verjährungsfrist der §§ 20 Abs. 5 KAGG und 12 Abs. 5 AuslInvestmG unterliegen (Urteil vom 31. Mai 1990 - VII ZR 340/88 - WM 1990, 1276 [BGH 31.05.1990 - VII ZR 340/88], zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Schon deshalb kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben.

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b) Darüber hinaus kann eine Haftung der Beklagten aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden. Es kommt nicht darauf an, daß die Beklagten nicht persönlich mit der Klägerin verhandelt haben. Für ihre Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen genügt es, daß sie an den Verhandlungen mittelbar beteiligt waren und dabei Vertrauen für sich in Anspruch genommen haben (vgl. BGH Urteil vom 21. Mai 1984 - II ZR 83/84 = NJW 1984, 2523).

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Entscheidend ist, ob Str.'s Äußerungen in seinem Schreiben vom 22. Dezember 1980 als Erklärung der Beklagten anzusehen sind oder ihnen als solche zugerechnet werden müssen. Das Berufungsgericht sieht es als erwiesen an, daß Str. den Wortlaut seines Schreibens vom 22. Dezember 1980 mit den Initiatoren und dem Architekten abgestimmt hat. Dies bedeutet, den Beklagten war bekannt, daß die Klägerin vor ihrem Beitritt zur Bauherrengemeinschaft eine Erläuterung des Prospektes gewünscht hat; unter anderem wollte sie wissen, ob der sogenannte "Hobby"-Raum auch als Wohnraum nutzbar sei. Die Beklagten haben die Beantwortung dieser Frage dem Anlagevermittler überlassen. Str. hat folglich anstelle der Beklagten den Prospekt erläutert. Er hat dabei als Bote oder als Stellvertreter der Beklagten gehandelt; in beiden Fällen hat er die Beklagten an den Verhandlungen beteiligt. Ihnen war bekannt, daß die Klägerin eine "Präzisierung der Wohnungsgrundrisse" verlangt hatte; die Beantwortung dieser Anfrage hatten sie Str. überlassen. Hinzu kommt noch, daß Str. seine Erklärung ausdrücklich im Namen der Firma Dr. E. und Partner und nach Bestätigung durch den Architekten abgegeben hat. Auch dieser Umstand war den Beklagten bekannt; denn sie haben ausweislich des Verteilers eine Durchschrift des Antwortschreibens erhalten. Im übrigen zeigt auch die nachfolgende Korrespondenz der Beklagten, daß sie Str.'s Erläuterungen des Prospekts kannten und keine Veranlassung sahen, den Inhalt seiner Erklärung richtig zu stellen. Für das somit mit ihrem Wissen bei der Beantwortung der Anfrage begründete Vertrauen haben die Beklagten danach einzustehen.

15

c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt auch insoweit ein zum Schadensersatz verpflichtendes Verschulden vor, das sich die Beklagten zurechnen lassen . müssen.

16

Die Auslegung des Schreibens vom 22. Dezember 1980 unterliegt der revisionsrechtlichen Prüfung, ob anerkannte Auslegungsgrundsätze, gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind (BGH Urteil vom 30. November 1977 - VIII ZR 69/76 = WM 1978, 266; Urteil vom 8. Dezember 1989 - V ZR 53/88 = WM 1990, 423, 424 jeweils m.w.N.). Die Auslegung hat dabei den festgestellten Sachverhalt umfassend zu berücksichtigen und muß dem mit dem Schreiben verfolgten Zweck (vgl. BGHZ 20, 109, 110) und der Interessenlage der Beteiligten (vgl. BGHZ 21, 319, 328) Rechnung tragen. Die Auslegung des Berufungsgerichts genügt diesen Erfordernissen nicht. Es reduziert den Inhalt des Schreibens vom 22. Dezember 1980 auf eine Beschreibung der Wohnungsausstattung. Diese Auslegung ist rechtsfehlerhaft; sie stellt nur auf den Wortlaut ab und ist damit unzureichend. Sie läßt Anlaß und Fragestellung, die dem fraglichen Antwortschreiben vorausgegangen sind, außer acht. Wie der Betreff des Antwortschreibens verdeutlicht, ging es der Klägerin um die "Präzisierung der Grundrisse Ihrer Wohnung" und nicht um die Beschreibung der Ausstattung. Wird in Beantwortung dieser Anfrage ausgeführt, "der Raum kann also als normaler Wohn- oder Schlafraum genutzt werden", so ist dies nach Treu und Glauben so zu verstehen, daß es sich bei diesem Raum um einen Wohnraum handelt und daß diese Nutzung auch gesetzlich zulässig ist. Jede hinter diesem Verständnis zurückbleibende Auslegung hätte im Ergebnis die Folge, daß die Initiatoren dem Erwerber stillschweigend zumuten, den Spitzboden baurechtswidrig zu nutzen. Eine Erklärung mit einem solchen Hintersinn ist mit Treu und Glauben nicht zu vereinbaren und kann dem Anlagevermittler Str. auch nicht unterstellt werden. Seine Antwort ist vielmehr so zu verstehen, daß der "Hobby"-Raum für Wohnzwecke nutzbar und somit Teil der Gesamtwohnfläche ist. Auch der Beklagte zu 4 hat die Anfrage der Klägerin in diesem Sinne verstanden. Sein Schreiben an die Beklagten zu 1, 2 und 3 vom 7. Januar 1981 verdeutlicht dies; er bestätigt hierin die Auskunft des Anlagevermittlers und führt aus, "die als Hobby-Raum bezeichneten Räume werden wie die übrigen Wohnräume ausgebaut."

17

Hier führt bereits die wörtliche Auslegung zu dem Ergebnis, daß der "Hobby"-Raum als Wohnraum nutzbar sein soll; denn andernfalls wäre der Halbsatz "wie die übrigen Wohnräume" ohne Sinn.

18

Str.'s Erläuterung des Prospekts vom 22. Dezember 1980 enthält daher die Erklärung, der "Hobby"-Raum sei Wohnraum und seine Grundfläche sei Bestandteil der Gesamtwohnfläche. Der Senat kann diese Auslegung selbst vornehmen, weil das Berufungsgericht die hierzu notwendigen Feststellungen getroffen hat und weitere Aufklärung nicht zu erwarten ist (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt Urteil vom 24. November 1988 - VII ZR 222/87 = WM 1989, 414, 415 = ZfBR 1989, 58, 59/60 - BauR 1989, 219, 221 m.w.N.).

19

d) Die Beklagten müssen für die in ihrem Namen erteilte Falschauskunft einstehen.

20

Der gegen sie gerichtete Schadensersatzanspruch ist nicht verjährt.

21

Ansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen verjähren im allgemeinen nach 30 Jahren. Deckt sich aber dieser Schadensersatzanspruch mit dem Anspruch aus § 635 BGB oder verwirklicht sich die Verletzung vorvertragliche Pflichten in einem Mangel des Bauwerks oder in dem Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft, so findet nach der Rechtsprechung des Senats § 638 BGB auch auf den Anspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen Anwendung (Senatsurteil vom 3. Juli 1969 - VII ZR 132/67 = NJW 1969, 1710; ebenso BGH Urteil vom 6. Juni 1984 - VIII ZR 83/83 = MDR 1985, 316). Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob § 638 BGB entsprechend Anwendung findet; denn auch in diesem Fall ist die Klage noch rechtzeitig erhoben worden.

22

Der Anspruch der Klägerin ist mit der fehlerhaften Beratung Ende Dezember 1980 entstanden. Die Klägerin hat ihn am 25. April 1985 rechtshängig gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war die Verjährungsfrist des § 638 BGB noch nicht verstrichen.

23

3. Das angefochtene Urteil kann nach alledem nicht bestehenbleiben. Es ist aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Zur abschließenden Entscheidung gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ist der Senat nicht in der Lage, weil Feststellungen zur Schadenshöhe noch ausstehen.