Bundesgerichtshof
Urt. v. 26.09.1990, Az.: XII ZR 84/89
Unterhaltsberechtigung des geschiedenen Ehegatten; Möglichkeit einer angemessenen Vollbeschäftigung; Gesundheitliche Beeinträchtigung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 26.09.1990
- Aktenzeichen
- XII ZR 84/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1990, 14319
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- FamRZ 1991, 170-172 (Volltext mit amtl. LS)
- FuR 1991, 51 (red. Leitsatz mit Anm.)
- MDR 1991, 340-341 (Volltext mit amtl. LS)
- NJ 1991, 87 (amtl. Leitsatz)
- NJW 1991, 224-226 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW-RR 1991, 200 (amtl. Leitsatz)
Amtlicher Leitsatz
Ist ein geschiedener Ehegatte zu einer nach § 1574 BGB angemessenen Vollzeitbeschäftigung in der Lage, so kann er nicht nach § 1572 BGB Unterhalt verlangen, auch wenn ihm aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigung eine bestimmte andere Erwerbstätigkeit, die höhere Einkünfte erbrächte, verschlossen ist.
Tatbestand:
Die im Jahre 1966 geschlossene Ehe der Parteien, aus der die beiden Söhne Peter (geboren 23. August 1968) und Dirk (geboren 23. Februar 1970) hervorgegangen sind, ist seit 1. Dezember 1984 geschieden. Die im Jahre 1941 geborene Klägerin hat vor der Ehe als Zwirnerin gearbeitet. Derzeit ist sie gegen ein monatliches Entgelt von 54 DM im Haushalt tätig. Der im Jahre 1943 geborene Beklagte ist Postfacharbeiter.
Während des Getrenntlebens der Parteien machte die Klägerin gegen den Beklagten für sich und die bei ihr lebenden Kinder Unterhalt geltend. In diesem Rechtsstreit kam es am 23. März 1984 zum Abschluß eines Prozeßvergleichs, in dem sich der Beklagte zu monatlichen Unterhaltszahlungen von 406,29 DM an die Klägerin und 146,26 DM an jedes der Kinder verpflichtete. Nachdem der Sohn Peter am 1. Juli 1986 eine Lehre begonnen und der Sohn Dirk im Februar 1988 seinen Dienst bei der Bundeswehr angetreten hatte, einigte sich der Beklagte mit den Söhnen in gerichtlichen Vergleichen vom 22. Juni 1988 dahin, daß Peter ab 1. August 1988 nur noch eine Unterhaltsrente von 100 DM monatlich bekommt und Dirk für die Dauer des Wehrdienstes auf die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Vergleich vom 23. März 1984 verzichtete.
Darauf hat die Klägerin Abänderungsklage auf Erhöhung ihrer im Prozeßvergleich vom 23. März 1984 vereinbarten Unterhaltsrente auf 874,11 DM monatlich erhoben. Nach Abweisung ihrer Klage durch das Familiengericht hat sie die Abänderungsklage im Berufungsverfahren in eine Erstklage auf nachehelichen Unterhalt geändert und begehrt, den Beklagten über die freiwilligen Unterhaltszahlungen von 406,29 DM monatlich hinaus ab 1. September 1988 zur Zahlung eines monatlichen Betrages von 343,71 DM zu verurteilen. Das Berufungsgericht hat das amtsgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, ab 1. September 1988 über die freiwillig gezahlten 406,29 DM hinaus weitere 103,71 DM monatlich an die . Klägerin zu zahlen. Hiergegen hat der Beklagte (zugelassene) Revision eingelegt, mit der er die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erstrebt.
Entscheidungsgründe
I. Das Oberlandesgericht hat den Unterhaltsanspruch der Klägerin aus den §§ 1572, 1573 Abs. 2 BGB hergeleitet und dazu ausgeführt:
Aus § 1572 BGB sei der Anspruch deshalb begründet, weil die Klägerin wegen eines Krampfaderleidens nicht mehr in ihrem früher ausgeübten Beruf als Zwirnerin arbeiten und im Zweifel deshalb nur noch weniger verdienen könne. Das Krampfaderleiden habe auch bereits zum maßgeblichen Einsatzzeitpunkt nach § 1572 Nr. 2 BGB bestanden. Hierbei sei auf das Jahr 1988 abzustellen, in welchem der jüngste Sohn 18 Jahre alt geworden sei. Vor der Vollendung des 18. Lebensjahres eines Kindes könne dessen Pflege und Erziehung, an deren Beendigung das Gesetz in § 1572 Nr. 2 BGB anknüpfe, nicht beendigt sein, weil das Kind bis dahin nach § 1631 Abs. 1 BGB Anspruch auf Betreuung durch den sorgeberechtigten Elternteil habe. Auch wenn man für den Einsatzzeitpunkt auf den Fortfall der Voraussetzungen des Anspruchs nach § 1570 BGB abstelle, führe das zu keiner anderen Beurteilung. Hierbei hat das Gericht seiner Überzeugung Ausdruck gegeben, daß das Krampfaderleiden der Klägerin - wenn auch nicht in der jetzigen Ausprägung - bereits im Jahre 1986 bestanden habe, als der jüngste Sohn 16 Jahre alt wurde. Insoweit hat es auf den Befundbericht des Dr. N. vom 9. Juli 1988 verwiesen, in dem festgestellt sei, daß seit vielen Jahren Krampfadern bekannt seien und daß sich über der rechten Wade der Klägerin Reste einer alten Thrombophlebitis fänden.
Das Gericht hat weiter ausgeführt, der Unterhaltsanspruch sei darüber hinaus teilweise auch aus § 1573 Abs. 2 BGB herzuleiten, weil die Klägerin im Zweifel auch ohne die Erkrankung ihren vollen Unterhaltsbedarf durch eigene Erwerbstätigkeit nicht decken könne.
Diesen Unterhaltsbedarf, den die Klägerin mit 1.070 DM, einschließlich eines mit 80 DM bezifferten trennungsbedingten Mehrbedarfs mit 1.150 DM monatlich, angegeben hat, hat das Berufungsgericht mit 1.260 DM monatlich angenommen. Dabei hat es ausgehend von dem Bruttoeinkommen des Beklagten im Jahre 1988 das Nettoeinkommen nicht durch Abzug der tatsächlich entrichteten Lohn- und Kirchensteuern, sondern unter Ansatz der Steuerlasten nach der Klasse III/0 ermittelt und dabei das Jahresbruttoeinkommen um den Weihnachtsfreibetrag bereinigt. Auf diese Weise hat das Gericht nach weiteren Abzügen für die Kirchensteuer und für die Beiträge zur Sozial- und Krankenversicherung, einer Korrektur wegen des Nettoanteils an den vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers, Absetzung von berufsbedingten Aufwendungen in Höhe von 5% des Nettolohnes sowie des Unterhalts für den Sohn Peter unter gleichzeitiger Hinzurechnung eines Kindergeldbetrages von 50 DM einen monatlichen Betrag von 2.292,15 DM als sogenanntes verfügbares Einkommen errechnet. Es hat diesen Betrag halbiert und ist so - unter Hinzurechnung eines trennungsbedingten Mehrbedarfs von 115 DM - zu dem Gesamtbedarf von 1.260 DM gelangt.
Das Oberlandesgericht hat angenommen, daß die Klägerin diesen Unterhaltsbedarf in Höhe von 750 DM monatlich durch eigene Einkünfte decken könne. Fiktive Nettoeinkünfte dieser Höhe seien ihr zuzurechnen, weil sie bei gehöriger Bemühung eine entsprechend bezahlte Stelle hätte finden können. Die Klägerin könne - wenn auch mit Einschränkungen - vollschichtig arbeiten. Ihre Behauptung, sie sei wegen ihres Alters und ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar, habe sie nicht ausreichend dargetan. Die relativ niedrige Höhe der zuzurechnenden Einkünfte sei derzeit gerechtfertigt, weil noch eine Verödungsbehandlung laufe und die Klägerin seit etwa 1960 nicht mehr voll berufstätig gewesen sei und deshalb erst wieder in das Arbeitsleben zurückfinden müsse. Hiernach bleibe ein Unterhaltsbedarf der Klägerin in Höhe von 510 DM monatlich, so daß sie über den freiwillig gezahlten Betrag von 406,29 DM hinaus noch monatlich 103,71 DM Unterhalt verlangen könne.
II. Die Entscheidung hat keinen Bestand.
1. Die Herleitung des Unterhaltsanspruchs aus § 1572 Nr. 2 BGB unterliegt durchgreifenden Bedenken.
a) Nach dieser Vorschrift hängt der Unterhaltsanspruch u.a. davon ab, daß von dem Unterhaltsbedürftigen wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigung eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Dazu bestimmt § 1574 Abs. 1 BGB, daß der geschiedene Ehegatte nur eine ihm angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben braucht. Angemessen ist eine Erwerbstätigkeit, die der Ausbildung, den Fähigkeiten, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten sowie den ehelichen Lebensverhältnissen entspricht (§ 1574 Abs. 2 BGB). Hiernach kommt als angemessen nicht nur die erlernte oder früher bereits ausgeübte Tätigkeit, sondern auch eine andere Tätigkeit in Betracht, die den Anforderungen des § 1574 Abs. 2 BGB gerecht wird.
Demgemäß genügt es für den Anspruch nach § 1572 BGB nicht, daß die Klägerin infolge ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung an der Ausübung ihres früheren Berufs als Zwirnerin gehindert ist. Solange ihr statt der früher ausgeübten Tätigkeit eine andere angemessene Vollzeitbeschäftigung möglich ist, kann ihr ein Unterhaltsanspruch nach § 1572 BGB nicht zugebilligt werden (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB 49. Aufl. § 1572 Anm. 4 sowie auch Senatsurteil vom 14. Dezember 1983 - IVb ZR 29/82 - FamRZ 1984, 988, 989).
Das Berufungsgericht nimmt offensichtlich an, daß die Klägerin eine derartige andere Tätigkeit auszuüben in der Lage ist; denn es führt aus, daß sie "vollschichtig" arbeiten könne, und rechnet ihr die dadurch erzielbaren Nettoeinkünfte bedarfsmindernd an. Dabei stützt es sich auf das Kurzgutachten des Arbeitsamts vom 26. September 1988, in dem es heißt, die Klägerin könne - vollschichtig - körperlich mittelschwere Frauenarbeiten vorwiegend im Umhergehen, zwischenzeitlich auch sitzend oder stehend, an normal klimatisiertem Arbeitsplatz verrichten. Diese Feststellung des Berufungsgerichts steht der Beurteilung entgegen, daß der Klägerin wegen gesundheitlicher Beeinträchtigung ein Unterhaltsanspruch nach § 1572 BGB zustehe. Auch wenn damit nur ein - Anspruch auf Teilunterhalt gemeint ist, entfällt dieser Widerspruch nicht; denn ein Anspruch auf Teilunterhalt nach § 1572 BGB kommt nur in Betracht, wenn der Berechtigte infolge der gesundheitlichen Beeinträchtigung lediglich einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen kann (vgl. MünchKomm/Richter 2. Aufl. § 1572 Rdn. 10). Ist er dagegen zu einer (ihm angemessenen) Vollzeitbeschäftigung in der Lage, so scheidet ein Unterhaltsanspruch nach § 1572 BGB aus. Daß dem geschiedenen Ehegatten eine bestimmte andere Erwerbsmöglichkeit, die höhere Einkünfte erbrächte, aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigung verschlossen ist, vermag den Anspruch aus § 1572 BGB nicht zu begründen. Kann der geschiedene Ehegatte eine ihm angemessene Vollerwerbstätigkeit ausüben und reichen die Einkünfte daraus zum vollen Unterhalt (§ 1578 BGB) nicht aus, kommt insoweit lediglich ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB in Betracht.
b) Darüber hinaus unterliegt die Herleitung des Anspruchs aus § 1572 BGB noch weiteren Bedenken:
Das Berufungsgericht hat den Standpunkt eingenommen, daß als Einsatzzeitpunkt nach § 1572 Nr. 2 BGB der 18. Geburtstag des jüngsten Sohnes anzusetzen sei. Dagegen wendet sich die Revision zu Recht.
Wie der Senat - nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung - mit Urteil vom 18. Oktober 1989 (IVb ZR 89/88 - BGHZ 109, 72, 75 = BGHR BGB § 1572 Nr. 2 Einsatzzeitpunkt 1 = FamRZ 1990, 260, 262) entschieden hat, ist bei § 1572 Nr. 2 BGB - entgegen dem insoweit mißverständlichen Wortlaut de Vorschrift - auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Voraussetzungen für einen auf § 1570 BGB gestützten Unterhaltsanspruch wegfallen (ebenso Senatsurteil vom 31. Januar 1990 - XII ZR 36/90 - FamRZ 1990, 496, 498). Dieser Wegfall trat hier nicht erst mit der Volljährigkeit des jüngsten Sohnes, sondern eher ein. Im allgemeinen hindert die Betreuung eines Kindes ab dem Alter von etwa 16 Jahren nicht mehr an einer vollen Erwerbstätigkeit (vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 89, 108, 111 [BGH 23.11.1983 - IVb ZR 21/82] sowie vom 26. Oktober 1984 - IVb ZR 44/83 - FamRZ 1985, 50, 51). Für eine abweichende Beurteilung müssen besondere Gründe vorliegen, die hier indessen weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind. Danach ist als Einsatzzeitpunkt Februar 1986 anzunehmen, als der Sohn Dirk 16 Jahre alt wurde.
Das Berufungsgericht hat allerdings hilfsweise ausgeführt, es sei überzeugt, daß das Krampfaderleiden der Klägerin - wenn auch nicht in der jetzigen Ausprägung - bereits bestanden habe, als Dirk 16 Jahre alt geworden sei. Diese Feststellung greift die Revision jedoch mit der Rüge an, daß sich das Berufungsgericht dabei auf die in dem (schriftlichen) ärztlichen Bericht des Dr. N. wiedergegebene Anamnese stütze und darin fälschlicherweise einen Befund des Arztes sehe. Diese Rüge greift durch.
Das Berufungsgericht verweist zur Begründung seiner Überzeugung, daß das Krampfaderleiden bereits 1986 bestanden habe, auf den Bericht des Dr. N. vom 9. Juli 1988, in dem "festgestellt" sei, daß seit vielen Jahren Krampfadern bekannt seien. Die Annahme, daß der Bericht eine derartige Feststellung enthalte, trifft nicht zu. Vielmehr führt der Arzt insoweit über die am 27. Juni 1988 durchgeführte Untersuchung der Klägerin ausdrücklich aus, "zur Anamnese" sei ihm bekannt geworden, daß seit vielen Jahren Krampfadern bekannt seien, daß in letzter Zeit vermehrt Beschwerden aufgetreten seien und jetzt mehrfach Venenentzündungen abgelaufen seien. Damit handelt es sich hierbei nicht um den ärztlichen Befund oder sonst um eigene Feststellungen des Arztes, sondern um die Vorgeschichte der Krankheit nach den Angaben des Patienten. Das hat das Berufungsgericht verkannt.
Ferner rügt die Revision, daß das Gericht nicht geprüft habe, ab wann die Klägerin wegen Krampfadern an einer Erwerbstätigkeit gehindert gewesen sei. Auch diese Rüge ist begründet.
Das Urteil läßt eine Prüfung vermissen, ob und inwieweit das Krampfaderleiden der Klägerin bereits 1986 ihre Erwerbsfähigkeit eingeschränkt hat. Dabei muß einer derartigen Prüfung besondere Bedeutung beigemessen werden, da solche gesundheitlichen Beschwerden bei Personen, insbesondere Frauen, in dem Alter der Klägerin verbreitet sind, aber nicht stets eine völlige oder auch nur teilweise Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben oder bewirken, daß berufstätige Betroffene ihre Erwerbstätigkeit einschränken.
Hiernach wird die Zuerkennung des Unterhaltsanspruchs nach § 1572 Nr. 2 BGB durch die getroffenen Feststellungen nicht getragen.
2. Dennoch hat das Berufungsgericht den Unterhaltsanspruch der Klägerin dem Grunde nach zu Recht bejaht. Ist die Klägerin durch Krankheit weder ganz noch teilweise an einer angemessenen Erwerbstätigkeit gehindert und hat sie daher keinen Unterhaltsanspruch nach § 1572 BGB (s.o. zu 1), so steht ihr gemäß § 1573 Abs. 3 BGB seit dem Wegfall der Voraussetzungen des § 1570 BGB ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt zu, mit dem sie die Differenz zwischen den ihr anzurechnenden (tatsächlichen oder fiktiven) Einkünften und ihrem vollen Unterhalt geltend machen kann.
Mit Recht wendet sich die Revision jedoch gegen die Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Klägerin.
a) Allerdings ist rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht statt des im Zeitpunkt der Scheidung gezahlten Kindesunterhalts von 292,52 DM nur den derzeit noch gezahlten monatlichen Betrag von 100 DM berücksichtigt hat. Wie der Senat mit Urteil vom 20. Juli 1990 (XII ZR 73/89 - zur Veröffentlichung vorgesehen) in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden hat, folgen die ehelichen Lebensverhältnisse den Veränderungen, die sich aus dem jeweiligen Unterhaltsbedarf gemeinschaftlicher Kinder ergeben. Fällt Kindesunterhalt weg, so erhöht sich der Unterhaltsbedarf des geschiedenen Ehegatten, sofern nicht die freiwerdenden Mittel nach objektivem Urteil der Vermögensbildung oder anderen nicht dem Lebensbedarf zuzurechnenden Zwecken dienen. Zwar ist das Berufungsgericht nicht der Frage nachgegangen, ob infolge des Rückgangs des Kindesunterhalts Mittel freiwerden. Bei der Höhe des vom Beklagten erzielten Einkommens kann jedoch eine Verwadung der Mittel für andere Zwecke als für den laufenden Lebensbedarf ausgeschlossen werden.
b) Daß das Berufungsgericht die Bruttoeinkünfte des Beklagten nicht um die Steuern vermindert hat, die er als Geschiedener zu tragen hat, sondern um fiktive Beträge, die bei einer Zusammenveranlagung der Parteien nach der Splittingtabelle anfallen würden, begegnet dagegen ebenso durchgreifenden rechtlichen Bedenken wie der Umstand, daß das Gericht bei der Bedarfsberechnung dem Beklagten statt eines die Hälfte des Einkommens maßvoll übersteigenden Betrages, der dem erhöhten, mit der Erwerbstätigkeit verbundenen Aufwand Rechnung trägt und zugleich einen Anreiz zur Erwerbstätigkeit darstellt, lediglich vorweg einen Zuschlag von 5% wegen berufsbedingter Aufwendungen gewährt hat. Insoweit wird - wegen der Berücksichtigung der Steuer - auf die Senatsurteile vom 24. Januar 1990 (XII ZR 2/89 - BGHR BGB § 1578 Abs. 1 Satz 1 Unterhaltsbemessung 17 = FamRZ 1990, 499), 31. Januar 1990 (XII ZR 35/89 - BGHR aaO. Unterhaltsbemessung 21 = FamRZ 1990, 503) sowie zuletzt vom 20. Juli 1990 (aaO.) und - wegen des Erwerbstätigenbonus - auf die Senatsurteile vom 26. April 1989 (IVb ZR 59/88 - BGHR aaO. Unterhaltsbemessung 16 = FamRZ 1989, 842, 844), 31. Januar 1990 (aaO. S. 504) und 11. April 1990 (XII ZR 42/89 - FamRZ 1990, 989, 991) verwiesen, in denen sich der Senat mit den vom Berufungsgericht für seine abweichende Auffassung angeführten Gründen bereits auseinandergesetzt hat.
c) Schließlich wendet sich die Revision mit Erfolg dagegen, daß das Berufungsgericht bei dem Unterhaltsbedarf der Klägerin einen auf 5 % des verfügbaren Einkommens des Beklagten (= 115 DM) geschätzten Zuschlag als trennungsbedingten Mehrbedarf angesetzt hat.
Eine Schätzung des trennungsbedingten Mehrbedarfs ist dem Tatrichter zwar nicht schlechthin versagt, er darf sie jedoch nur auf der Grundlage konkreter Darlegungen der Partei über ihre Mehraufwendungen vornehmen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Senatsurteil vom 20. Juli 1990 aaO. m.w.N.). Denn ein Mehrbedarf ist mit der Trennung nicht ausnahmslos verbunden, schon gar nicht in Höhe bestimmter prozentualer Zuschläge, die von dem für beide Parteien verfügbaren Einkommen abhängen. Zwar hat das Berufungsgericht bei seiner Schätzung als Besonderheiten des vorliegenden Falles in Betracht gezogen, daß die Klägerin weiterhin mit den Kindern in dem vormals von den Parteien gemeinsam bewohnten Häuschen in einer Kleingartenanlage wohnt und Pacht und Grundabgaben mit rund 400 DM pro Jahr geringfügig sind. Indessen hat es in diesen Umständen allein einen Grund gesehen, nicht, wie im Regelfall, einen 10%igen Zuschlag, sondern nur einen solchen von 5% des verfügbaren Einkommens, mithin in Höhe von 115 DM monatlich anzusetzen. Damit entbehrt auch diese Schätzung letztlich der Grundlage konkreter Darlegungen des Berechtigten über seine Mehraufwendungen. Darüber hinaus läßt sie außer acht, daß die Klägerin selbst den trennungsbedingten Mehrbedarf nur mit "pauschal 80 DM" beziffert hat. Das begründet durchgreifende rechtliche Bedenken gegen diese Schätzung und den Ansatz des trennungsbedingten Mehrbedarfs.
III. Die aufgezeigten Mängel nötigen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Eine abschließende Entscheidung des Senats scheidet aus. Vor allem die Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Klägerin anhand der dargelegten Grundsätze muß dem Tatrichter vorbehalten werden. Damit kann nicht sicher beurteilt werden, ob und inwieweit dieser Bedarf durch die freiwilligen Unterhaltszahlungen des Beklagten und der Klägerin zuzurechnendes fiktives Erwerbseinkommen gedeckt wird.