Bundesgerichtshof
Urt. v. 17.05.1990, Az.: 1 StR 99/90
Grausames Verhalten; Mord; Tödlicher Erfolg; Tötungsvorsatz
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 17.05.1990
- Aktenzeichen
- 1 StR 99/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1990, 11929
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- BGHSt 37, 40 - 42
- NJ 1991, 88 (amtl. Leitsatz)
- NJ 1991, 87 (amtl. Leitsatz)
- NJW 1990, 2632 (Volltext mit amtl. LS)
- NStZ 1990, 491 (Volltext mit amtl. LS)
- StV 1990, 454
Amtlicher Leitsatz
Grausames Verhalten kann den Tatbestand des Mordes nur dann erfüllen, wenn es vor Abschluß einer den tödlichen Erfolg herbeiführenden Handlung auftritt und vom Tötungsvorsatz umfaßt ist.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit Nötigung und mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz sowie wegen schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung zur Gesamtfreiheitsstrafe von vierzehn Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten stützt sich auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde.
I. Die Revision ist unbegründet, soweit die Fälle II 1 und 2 betroffen sind.
Einen Sachverständigen für "Vollkontaktkarate" brauchte das Landgericht nicht zu vernehmen. Es bedurfte keiner besonderen Sachkunde, um zu beurteilen, daß 30 bis 40 Schläge mit einem Baseballschläger und "nicht ohne Wucht" geführte Messerstiche in die Unterarme nicht einem "üblichen Härtetest" entsprachen. Das hatte selbst der Angeklagte, der solche Tathandlungen vergeblich bestritten hat, verneint.
II. Die Verurteilung wegen versuchten Mordes mit den tateinheitlich zusammentreffenden Vergehen der Nötigung und des Verstoßes gegen das Waffengesetz hat keinen Bestand. Da der zur Aufhebung führende Rechtsfehler sich auch auf den wegen Beihilfe zu dieser Tat verurteilten Mitangeklagten E. erstreckt, ist das Urteil auch aufzuheben, soweit es diesen betrifft (§ 357 StPO).
1. Der Angeklagte schoß H. K. aus Wut und um ihn am Telefonieren zu hindern mit (bedingtem) Tötungsvorsatz in den Hals. Nachdem er einen Fluchtversuch unterbunden hatte, fügte er seinem Opfer anschließend "zusätzlich zu der durch den Schuß hervorgerufenen schweren, möglicherweise tödlichen Verletzung Qualen körperlicher und seelischer Art zu". Diese werden vom Landgericht näher geschildert und zum Anlaß genommen, das Mordmerkmal "grausam" zu bejahen. Die Feststellungen rechtfertigen nicht die Verurteilung wegen versuchten Mordes.
Zum gesetzlichen Tatbestand des Mordes gehört, daß die als grausam zu bewertenden Umstände Bestandteile des Tatgeschehens sind, das als Töten im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB beschrieben wird. Was nur vor dem Beginn der objektiv und subjektiv tatbestandsmäßigen Tötungshandlung liegt - z.B. grausames Verhalten mit Körperverletzungsvorsatz -, kann in der Regel nicht Moment des (vorsätzlichen) Tötens und damit von Umständen sein, durch die dem Opfer "beim Vorgang des Tötens" besondere Qualen zugefügt werden (BGH NStZ 1986, 265). Entsprechendes gilt für ein Verhalten, das diesem Vorgang des Tötens erst nachfolgt. Zwar muß die Grausamkeit nicht notwendig in der eigentlichen Ausführungshandlung im engeren Sinne und den durch diese verursachten Leiden liegen; sie kann sich auch aus den Umständen ergeben, unter denen die Tötung eingeleitet und vollzogen wird (BGH NJW 1951, 666, 667; BGH NJW 1971, 1189, 1190; BGH NStZ 1986, 265). Das grausame Verhalten muß jedoch vor Abschluß der den tödlichen Erfolg herbeiführenden Handlung auftreten (Eser in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 211 Rdn. 12) und vom Tötungsvorsatz umfaßt sein. Ein nur zeitlicher oder räumlicher Zusammenhang zwischen einer grausamen Körperverletzungshandlung und der Tötungshandlung, die selbst nicht grausam ist, genügt den Anforderungen an den objektiven und subjektiven Tatbestand des grausamen Tötens nicht (BGH NStZ 1986, 265). Das gilt auch dann, wenn der Täter weiterhin den infolge der Tötungshandlung möglichen Todeseintritt billigt.
Hier lag die grausame Verhaltensweise des Angeklagten noch nicht in der Tathandlung, die den Tod verursachen konnte. Den Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, daß (auch) das als grausam bewertete Handeln geeignet war, den Tod herbeizuführen oder zu beschleunigen, noch daß es in dem Sinne vom Tötungsvorsatz des Angeklagten getragen war, dadurch könne der Tod eintreten, gefördert oder mitverursacht werden.
2. Der Senat kann gleichwohl nicht selbst entscheiden. Das Landgericht brauchte bei seiner Rechtsauffassung nicht mehr zu erörtern, ob der Angeklagte durch andere Maßnahmen den Todeseintritt mit (bedingtem) Tötungsvorsatz förderte und die Grausamkeit einer (weiteren) Tötungshandlung anhaftete. Eine solche Annahme liegt hier nahe und ist in neuer Verhandlung zu erörtern. Denn der Angeklagte ging im Zeitpunkt des Quälens davon aus, K. könne infolge des Schusses ohne Hilfe alsbald verbluten. Trotzdem verhinderte er nach dem Schuß die Flucht seines Opfers und schlug es nieder. Das Zurückholen und Festhalten des Opfers war geeignet, den Tod durch Verbluten zu fördern, und kann sich damit bis zum Abbruch des Tatgeschehens (auch) als Töten im Sinne der §§ 212, 211 StGB darstellen. Falls dem Angeklagten bewußt war, (auch) dadurch könne der Tod eintreten, und er dies wenigstens in Form eines bedingten Vorsatzes billigte, kann das grausame Verhalten während der dem Schuß nachfolgenden Phase einer objektiv und subjektiv tatbestandsmäßigen Tötung selbst anhaften (vgl. auch BGH, Urt. vom 2. April 1986 - 2 StR 81/86).
3. Von der Aufhebung der Verurteilung wegen versuchten Mordes sind auch die tateinheitlich zusammentreffenden Taten betroffen.
Die Aufhebung in diesem Punkt berührt die übrigen Einzelstrafen nicht.