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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 15.05.1990, Az.: 5 StR 152/90

Unerlaubte Einfuhr; Versuchsbeginn; Tatbestandserfüllung; Ungestörter Fortgang; Unmittelbarer Zusammenhang; Einfuhrversuch im Flugzeug; Einchecken; Aufgabe des Gepäcks

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
15.05.1990
Aktenzeichen
5 StR 152/90
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1990, 11910
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover

Fundstellen

  • MDR 1990, 842 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1990, 207
  • NJW 1990, 2072-2073 (Volltext mit amtl. LS)
  • NStE Nr. 69 zu § 29 BtMG
  • NStZ 1990, 442-443 (Volltext mit amtl. LS)
  • StV 1990, 408-409

Redaktioneller Leitsatz

1. Zum Versuchsbeginn bei unerlaubter Einfuhr:

Die Phase des Versuchs beginnt frühestens mit solchen Handlungen, die nach der Vorstellung des Täters in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen. Das gilt ebenso für Handlungen, die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Tatbestandserfüllung stehen, somit das geschützte Rechtsgut unmittelbar gefährden.

2. Zur Anwendung auf einen Einfuhrversuch mit dem Flugzeug: Diese Rechtsprechung ist auf einen solchen Versuch nicht ohne weiteres zu übertragen. Die Versuchsphase beginnt hier bereits unmittelbar mit dem Einchecken (Sofern der Ablfug zum deutschen Hoheitsgebiet bald darauf erfolgen soll). In solchen Fällen ist die Aufgabe des Gepäcks mit dem Rauschgift der Akt, der bei ungestörtem Fortgang ohne notwendige weitere Handlungen des Täters unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen soll.

Gründe

1

Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte in der Bundesrepublik Deutschland persönlichen Kontakt mit S. Er erzählte ihr, daß das bei einem gemeinsamen Bekannten gefundene Heroin aus Pakistan stamme. Zum (in zwei Fällen geglückten) Transport sei ein Tischbillard (Karam-Board) verwandt worden. S. gewann " immer mehr den Eindruck, daß wieder ein Herointransport geplant sei und daß sie . . . das Heroin in einem Karam-Board von Pakistan nach Deutschland für den Angeklagten transportieren " solle. Sie entschloß sich zur Fahrt nach Pakistan, wo sie, wie der Angeklagte versprach, in seiner Familie aufgenommen werde. Sie erkundigte sich nach der Menge des Heroins, das in dem Karam-Board versteckt sein würde. Er äußerte weiterhin, daß er " dieses Heroin in Deutschland verkaufen würde und für sie die Hälfte des Verkaufspreises abfallen würde ". " In der ersten Woche des März 1989 brachte der Angeklagte S. zum Flughafen in Frankfurt "; von dort flog sie nach Karachi und nach einem mehrstündigen Zwischenaufenthalt weiter nach Peshawar. Sie " entschloß . . . sich nach etwa zwölf Tagen zur Rückreise nach Deutschland ". Auf dieser wurde sie zunächst von dem Mann begleitet, den sie " als Vater des Angeklagten kennengelernt hatte ". In Karachi brachte dieser sie mit einem Taxi zum Flughafen und " verließ sie an der Tür der Abflughalle ". Sie " gab ihr Reisegepäck und das Karam-Board auf. Am 25. März 1989 gegen 2.30 Uhr nachts " wurde sie in der Abflughalle des Flughafens festgenommen, weil in dem Karam-Board 1,5 kg Heroinpulver (721 g reines Heroin) gefunden worden war.

2

Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, daß sich der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln schuldig gemacht habe. Bedenklich ist aber die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich " gemeinschaftlich " mit S. des Versuchs der Einfuhr von Betäubungsmitteln schuldig gemacht.

3

Diese kann sich zwar durch die Übernahme der Tätigkeit eines Kuriers (BGH MDR 1979, 71) mit einer festen und realistischen Transportzusage (BGHR § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 18) des Handeltreibens und nicht nur der Beihilfe dazu schuldig gemacht haben. Dazu hat das Landgericht indes Ausführungen nicht gemacht. Selbst wenn es hier so wäre, führt dies nicht ohne weiteres dazu, daß der Angeklagte - wovon das Landgericht ohne nähere Darlegungen ausgeht - gemeinschaftlich mit S. sich (in Tateinheit mit Handeltreiben) des Versuchs der Einfuhr von Betäubungsmitteln schuldig gemacht hat. Die bisherigen - zu knappen - Feststellungen des Landgerichts ergeben nicht, daß die geplante Einfuhr des Betäubungsmittels bei der Festnahme von S. zum Versuch gediehen war.

4

Der Einfuhrtatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG ist erfüllt, wenn das Betäubungsmittel aus dem Ausland in den Geltungsbereich des Betäubungsmittelgesetzes verbracht worden ist (vgl. BGHSt 31, 252 (253/254); 34, 180 (181)), also die Grenze überschritten hat. Der Versuch der unerlaubten Einfuhr beginnt frühestens mit Handlungen, die in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen, das geschützte Rechtsgut somit unmittelbar gefährden (BGH JZ 1985, 100 = MDR 1985, 158 = NJW 1985, 1035 = StV 1985, 106 und 278). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist bei Einfuhrversuchen im Kraftfahrzeug verneint worden, wenn das Fahrzeug mit dem Betäubungsmittel zwar schon beladen war, der Abtransport Richtung deutsche Grenze aber noch nicht begonnen hatte (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1975, 21; Beschl. v. 5. Februar 1980 - 1 StR 763/79), wenn - nach Fahrtantritt - der Täter im Ausland erst noch übernachtet hatte (BGH NStZ 1983, 224 bei Holtz MDR 1983, 448) oder wenn er sich noch in größerer Entfernung von der Grenze befand (vgl. BGH MDR 1983, 685 = NStZ 1983, 462 = StV 1983, 283; NStZ 1983, 511 ; BGHSt 36, 249). Auf einen Einfuhrversuch im Flugzeug ist diese Rechtsprechung nicht ohne weiteres übertragbar. Hier beginnt der Versuch, sofern der Abflug zum deutschen Hoheitsgebiet demnächst erfolgen soll, regelmäßig bereits mit dem Einchecken des Reisegepäcks. Die Aufgabe des Gepäcks mit dem Rauschgift ist in solchen Fällen der Akt, der bei ungestörtem Fortgang, ohne daß weitere Handlungen des Täters notwendig werden, unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen soll (a. A. Körner, BtMG 3. Aufl.. § 29 Rdnr. 364, 374). Jedoch fehlt es an einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Tatbestandserfüllung, wenn zwischen dem Aufgeben des Reisegepäcks und dem Abflug mehrere Tage liegen. Dies ist hier nach den Feststellungen nicht auszuschließen. Der aufgezeigte Mangel ergreift den gesamten Schuldspruch und führt zu seiner Aufhebung. Eine Änderung des Schuldspruchs (versuchte Beteiligung, § 30 StGB) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil ergänzende Feststellungen zur Strafbarkeit wegen Versuchs möglich erscheinen. Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, ob der Angeklagte Mittäter einer versuchten Einfuhr gewesen wäre. Allerdings kann als Mittäter der Einfuhr auch bestraft werden, wer die eigentliche Tathandlung durch andere ausführen läßt. Notwendig ist aber stets, daß dies auf der Grundlage gemeinsamen Wollens geschieht (BGH MDR 1985, 158). Es kann dazu " die psychische Beeinflussung eines der Tatgenossen " genügen (BGH StV 1986, 384). Voraussetzung ist aber das Vorliegen der für die Annahme der Mittäterschaft notwendigen allgemeinen Kriterien. Dazu gehören neben eigenem Erfolgsinteresse und Tatbeteiligung auch Tatherrschaft und der Wille dazu (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 16, 17 m. w. N.); Durchführung und Ausführung der Tat müssen maßgeblich auch vom Willen des Angeklagten abhängen (BGH MDR 1987, 510 m. Nachw.).